Aktuell macht ein einstündiges Radioportrait des Kabarettisten Dieter Nuhr im Internet die Runde. Das Feature beleuchtet Nuhrs Religions- und Kirchenkritik. Der Skandal daran: Kein öffentlich-rechtlicher Sender in Deutschland traute sich an die Produktion des Stoffes heran.
Rainer Praetorius ist ein alter Medienhase. Als freier Autor und Journalist schreibt er seit Jahrzehnten Fernseh- und Hörfunkbeiträge für verschiedene öffentlich-rechtliche Sender sowie Artikel für renommierte Zeitungen. Natürlich kommt es immer mal wieder vor, dass Redaktionen sich nicht für Themen interessieren oder Beiträge ablehnen – aber was ihm mit seinem Feature über Dieter Nuhr passiert ist, das hat er in all den Jahrzehnten bisher noch nicht erlebt.
Im vergangenen Jahr schrieb Praetorius ein einstündiges Radioportrait über den streitbaren Kabarettisten. Eine Auftragsarbeit für eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt. Praetorius tat, was Autoren und Journalisten üblicherweise tun, wenn sie eine Person portraitieren: Er rückte einen zentralen Aspekt von Nuhrs Schaffen und Denken in den Mittelpunkt des Features – seine teils recht scharfe Religions- und Kirchenkritik. Um Nuhrs auf der Bühne und im Interview geäußerte Kritik an Religion im Allgemeinen sowie Islam und Christentum im Besonderen zu vertiefen, interviewte Praetorius für das Feature ferner den Philosophen Michael Schmidt-Salomon, der für seine kritischen Auseinandersetzungen mit Religion und Kirche bekannt ist.
Doch als Praetorius das Manuskript der Redaktion vorlegte, die ihn mit dem Radioportrait des Kabarettisten Dieter Nuhr beauftragt hatte, wurde es abgelehnt. Zu religionskritisch. Praetorius wollte im Verlauf der Auseinandersetzungen nicht auf einen Gegenvorschlag der Redaktion eingehen. Ein neues Manuskript hätte nur dann den Segen der Redaktion gefunden, wenn der Autor bereit gewesen wäre, seinen vorhandenen Text völlig auf den Kopf zu stellen. Religionskritische Inhalte hätte nur noch als kleines Randthema vorkommen dürfen.
Rainer Praetorius tat deshalb das, was freie Journalisten üblicherweise tun, wenn eine Redaktion ihr Skript ablehnt: Er bot es anderen öffentlich-rechtlichen Sendern an, die über geeignete Sendeplätze für ein solches Radioportrait verfügen. Doch bei keiner einzigen Redaktion hatte er Glück. Mit immer neuen Begründungen wurde sein Manuskript abgelehnt. Bei aller Vielfalt der Begründungen schien laut Praetorius eines immer wieder durch: Die Ablehnung erfolgte zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch deshalb, weil die Redakteure die im Feature geäußerte Religionskritik scheuten.
Natürlich ist das Radioportrait von Dieter Nuhr einseitig. Es lässt nur Kritiker der Religion zu Worte kommen, nicht aber ihre Verteidiger. Der Religionskritik von Nuhr steht keine Gegenmeinung von einem Theologen oder Religionsfunktionär des Christentums oder Islam gegenüber. Ein Ausgleich, auf den Redakteure bei religionskritischen Sendungen regelmäßig bestehen. Aber warum eigentlich? Würden Programmverantwortliche umgekehrt bei einem Feature über den Papst auch Stimmen von Religionskritikern verlangen? Oder würden sie beim Radioportrait eines wirtschaftskritischen Kabarettisten auf ein zusätzliches Interview mit einem Wirtschaftsboss bestehen, nur um die Gegenseite abzubilden? Das grundsätzlich sinnvolle journalistische Prinzip, jeweils beide Seiten zu Gehör kommen zu lassen, scheint also nicht immer gleichermaßen zu gelten. Besonders bei religiösen Themen ist fast nie die Gegenseite zu hören, bei religionskritischen Themen hingegen wird fast immer auf eine Anhörung der Gegenseite bestanden.
Für diese Ungleichbehandlung gibt es verschiedene Gründe. Einer davon liegt in der Natur des Menschen. Da bei Religion bekanntlich der Spaß aufhört und religiöse Gemüter einen weitaus geringeren Siedepunkt haben als atheistische, ist bei religionskritischen Sendungen mit vermehrtem Protest zu rechnen. Und welcher Redakteur möchte schon mit empörter Hörerpost oder gar Morddrohungen überschwemmt werden? Oder noch schlimmer: Zum Intendanten zitiert werden, um seine Sendung zu rechtfertigen?
Dass sich Religions- und Kirchenkritisches in den öffentlich-rechtlichen Medien rar macht, liegt jedoch auch und vor allem in der redaktionellen Struktur der Sendeanstalten begründet. Neben sendungsbezogenen Redaktionen gibt es dort thematisch orientierte Redaktionen wie beispielsweise die Wirtschafts- oder Sportredaktion – und in jedem öffentlich-rechtlichen Sender auch eine Redaktion, die sich um die Themenkomplexe Religion-Theologie-Kirche kümmert. So wie Wirtschafts- oder Sportredaktion auch für kritische Berichterstattung über Wirtschaft und Sport zuständig sind, wäre die Kirchenredaktion thematisch grundsätzlich auch für Kirchen- und Religionskritisches zuständig. Allerdings werden die dort arbeitenden Redakteure von kirchlichen Rundfunkbeauftragten beraten und sind darüber hinaus häufig selbst studierte Theologen mit großer persönlicher Nähe zu religiösen und kirchlichen Dingen. Religionskritische Inhalte sucht man deshalb bei den von diesen Redaktionen verantworteten Sendungen häufig vergeblich oder bekommt sie – wenn überhaupt – nur in kirchlichem Gewande serviert.
Ja, Sie haben richtig gelesen, bei jedem öffentlich-rechtlichen Sender nehmen Beauftragte der Kirchen Einfluss auf das Programm. Und nicht nur dort, auch bei den Privatsendern. Einige Sendungen verantworten diese Kirchenbeauftragten auch völlig eigenständig. Es handelt sich um die sogenannten "Verkündigungssendungen" wie Morgenandachten, Wort zum Sonntag etc.. Die Inhalte werden allein von den Kirchen bestimmt. Realisiert werden sie dann unter Nutzung von öffentlich-rechtlichen Ressourcen. Auf die für sie kostenlose Produktion und Ausstrahlung dieser Sendungen haben die Kirchen bzw. Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften einen gesetzlich garantierten Anspruch.
Die beschriebene redaktionelle Struktur der öffentlich-rechtlichen Sender und der starke kirchliche Einfluss macht die Platzierung von religions- und kirchenkritischen Thema nicht einfach. Um mehr religions- und kirchenkritische Sendungen in den öffentlich-rechtlichen Medien zu ermöglichen, wäre ein struktureller Umbau notwendig. Entweder müssten die 'Kirchenredaktionen' der Öffentlich-Rechtlichen tatsächlich zu unabhängigen Redaktionen werden oder das Thema "Religionskritik" müsste einem anderen redaktionellen Verantwortungsbereich zugeordnet werden. Die schnellste Änderung ist derzeit jedoch von einer leider äußerst selten gewordenen Menschengattung zu erwarten: mutigen Redakteuren.
Wer als Autor heute beispielsweise eine kritische Dokumentation über Kirchenfinanzen in einem öffentlich-rechtlichen Sender unterbringen will, muss darauf hoffen, in einer Wirtschaftsredaktion auf einen mutigen Redakteur zu treffen, der den wirtschaftlichen Aspekt des Themas höher bewertet als den kirchlichen. Denn für diesen wäre er ja nicht zuständig. Dass dies möglich ist und tatsächlich geschieht, beweisen verschiedene öffentlich-rechtliche Dokumentationen zum Thema Kirchenfinanzen in den vergangenen Jahren. Schwieriger wird es aufgrund der beschriebenen Besonderheiten der Kirchenredaktionen hingegen für einen Autor, wenn er das Thema Religion ganz grundsätzlich kritisch beleuchten will oder wenn er – wie Rainer Praetorius – einen religionskritischen Kabarettisten portraitiert. Denn für Kabarettisten, Comedians und Spaß aller Art sind bei den Öffentlich-Rechtlichen die Unterhaltungsredaktionen zuständig. Und bei Religion hört – siehe weiter oben – der Spaß eben auf.
Rainer Praetorius jedenfalls hat nach den vielen Ablehnungen seitens der Rundfunkanstalten sein Feature nun frei produziert - mit Unterstützung der Giordano-Bruno-Stiftung und unter der Regie von Daniela Wakonigg. Hier kann man sich kostenlos zu Gemüte führen, was die Öffentlich-Rechtlichen ihren Hörern nicht zumuten wollten:
49 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Da haben aber wieder einige Angst vor der Wahrheit.
Was für ein Gott, der nicht mal seinen Sohn zu seinem Geburtstag schickt, um mit seinen Gläubigen zu feiern! Lieber lässt er es Bomben regnen, Teufelnochmal!
Alex Kossorotow am Permanenter Link
aber ehrlich, voll! Aber, Realismus ist heutzutage eben weniger salonfähig als irgendwelche religiösen Verblendungen!
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
Interessant, vielen Dank. Dass die Sender kostenlos Gottesdienste etc. senden, scheint mir aber nur ein freiwilliges Entgegenkommen zu sein. Oder gibt es dazu inzwischen entsprechende Verträge?
Ludwig am Permanenter Link
Hir ist es gut erklärt:
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
Ich hatte nicht bezweifelt, dass die Kirchen ein Recht auf Sendezeiten haben, sondern problematisiere nur, dass die Sender anscheinend kostenlos für die Kirchen arbeiten.
pikweller am Permanenter Link
Es ist ein Skandal! Die Rundfunkzwangsabgaben von dem großen Anteil religionskritischer Hörer/Zuschauer werden natürlich gerne angenommen. Wie wäre es mit einem zielgerichteten Teilboykott der Gebühren?
Klarsicht am Permanenter Link
Nur von „Klarsicht(ig)“, nicht von Nuhr !
Vom „Bibeldämon“ verursachte Kollateralschäden und mehr – Religions- und Glaubenskritik IV:
https://www.youtube.com/watch?v=AyrDkSZbGGY
Die Denkfigur „Heiliger Geist“ in und außerhalb der „Glaubenssucht“ und mehr:
https://www.youtube.com/watch?v=BeWDU2XWq_Q
Gruß von
Klarsichtig/Klarsicht
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Aber warum eigentlich?"
Das liegt, kurz und prägnant gesagt, an der religionitischen Durchseuchung der Redaktionen.
Jemand in seinen rel. Gefühlen verletzt und beleidigt?
Heul doch!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Mein Lieblings-Bibelspruch (MK 16,16) übrigens ganz am Anfang.
Äußerst hörenswert. Wünsche virale Verbreitung!
Thomas Göring am Permanenter Link
Im bösen sowjetkommunistischen Osten zensurierte die Partei den Journalismus, im herrlich freien Westen zensurieren die Interessen von Kapital & Kirchen (& bald wohl auch noch Islamvereinen) den Journalismus.
Gibt es gar keine Aussichten etwa auf einen in absehbarer Zeit einmal ins Leben tretenden und finanziell dauerhaft existenzfähigen streitbaren atheistischen Privatsender (und sei er zunächst auch noch so klein)? Oder gibt es vielleicht eine Initiative für so etwas, die man mit Spenden usw. unterstützen könnte?
Andreas Rösner am Permanenter Link
Hallo zusammen,
Mein Sohn hat mich auf diesen Bericht aufmerksam gemacht. Wir führen zu diesen Themen angeregte Gespräche, wobei ich ihm erzählen kann, wie ich als damaliges Mitglied der katholischen Kirche aufgewachsen bin und in mir sehr früh das Unverständnis von der Lehre und dem Tun der Kirche geweckt wurde.
Ich bin froh in einer liberalen und offenen Gesellschaft zu leben und bin auch der Meinung, dass die Entwicklung in den letzten Jahren positiv gewesen ist. In der Hoffnung, dass dieses sich fortsetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Rösner
Ilse Rose am Permanenter Link
Dank an alle für dieses Feature. Da kein Facebook, Folgendes an Dieter Nuhr: bitte weitermachen!
David am Permanenter Link
meine Frage, kann man zur bundestagswahl die Humanistische Partei wählen, tritt diese an.
Thomas Göring am Permanenter Link
Dieser Frage schließe ich mich umgehend an!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ist die H. Partei überhaupt noch aktiv?
Frank Nicolai am Permanenter Link
Ja, schauen Sie hier: https://parteiderhumanisten.de/
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja ja doch!
Alexander Müller am Permanenter Link
Die Partei der Humanisten strebt eine Teilnahme and der Bundestagswahl 2017 an. Die Sammlung der Unterstützerunterschriften hat begonnen. Siehe auch www.parteiderhumanisten.de
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schön klar; ob die Unterschriften auch geschafft werden?
Und zumindest David meinte explizit die Humanistische Partei - oder?
Alexander Müller am Permanenter Link
Wir haben noch 9 Monate Zeit bis zur Bundestagswahl.
Wer dieses Vorhaben unterstützen möchte kann dies recht einfach tun. Siehe www.parteiderhumanisten.de
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schön und gut, die Werbung für die PdH, Alexander Müller; das hat nur alles nix mit der von David angefragten Humanistischen Partei zu tun. Mit der hat die PdH (soweit ich weiß) nix am Hut.
Für NRW gibt es 2 Formulare (Landtags- u.Bundestags-Wahl); wieviele Unterschriften genau benötigt werden, erscheint etwas unklar.
Und das Vorhaben kann nicht jede/r unterstützen, sondern nur diejenigen (1 x), die in dem jeweiligen Bundesland wohnen.
Informell gibt es da also durchaus Optimierungspotenzial...
Aber das interessiert, wie erwähnt, den oben fragenden David möglicherweise alles überhaupt nicht.
Alexander Müller am Permanenter Link
wikipedia schreibt zur Humanistischen Partei:
"Die Humanistische Partei in Deutschland wurde am 23. September 1984 in Berlin gegründet. Sie nahm an verschiedenen Wahl teil, ihr Stimmenanteil überstieg aber nie gerundet 0,0 %. Seit 2006 sind keine Aktivitäten der Partei mehr bekannt, 2012 wurde sie aus der Unterlagensammlung des Bundeswahlleiters entfernt."
Hans Trutnau am Permanenter Link
War bekannt; aber man weiß ja nie, ob die H.Partei an einer Reaktivierung arbeitet...
Das wird schon noch, denke ich.
Hans Trutnau am Permanenter Link
ok, die PdH hat das offenbar selbst bemerkt. Seit 7.1.16 nachmittags gibts den Hinweis, dass das HE-Formular demnächst verfügbar sei. Und die Versandadressen sind genannt.
Apropos Wikipedia - auf die Aktualität würde ich keinen Cent setzen. Die H. Partei mag ja vom Bundeswahlleiter exkludiert worden zu sein. Aber die PdH existiert überhaupt noch nicht.
Aber das wird schon noch.
Sim am Permanenter Link
Ein sehr schönes Feature. Ich habs sogar schon vorher angehört weil die Youtube-Algorithmen das nach dem anschauen des Nuhr-Jahresrückblickes vorgeschlagen haben :)
Es bleibt mir ein Rätsel wie man einem klaren Denker der dann doch eher bescheiden in seiner Art auftritt so ins Abseits stellen kann. Das habe ich ja schon bei Dawkins und MSS erlebt, dass die Kritiker teils völlig überzogen hier Extrempositionen hineindeuten wo keine sind. Außer extrem klarsichtig ist da nichts. Vielleicht ist es das was die Leute ärgert: Wenn man das Geschwurbel beiseite lässt und in einfachen Sätzen den Sachverhalt auf den Punkt bringt.
micha vRhein am Permanenter Link
Danke Dieter Nuhr und Dank auch an Michael Schmidt-Salomon. Satirische berechtigte Kritik hat es in Netzwerken schwer.
Wolfgang am Permanenter Link
Dieter Nuhr und Michael Schmidt-Salomon bieten keine Satire, es handelt sich um die absolute Wahrheit.
Olaf Sander am Permanenter Link
Wenn ich Radio höre, dann meistens wenn ich im Auto unterwegs bin. Bei diesem Beitrag wäre ich rechts rangefahren um alles ganz aufmerksam hören und verstehen zu können.
Aber so ein 1A Radiobeitrag kommt nicht im Radio. Die Sender spielen lieber nervige Jingles, die beste Musik aus den 80igern, 90igern und von heute, während die Moderatoren den ganzen Tag lang unglaubwürdig gut gelaunt Belanglosigkeiten unter die Hörer streuen. Von Tiefgang keine Spur. Dafür aber jede Menge Berieselung und - vor allem auch was die religiösen Beiträge betrifft - unhinterfragtes Nachgeplapper.
So gesehen ist das Netz ein Segen und der Einfluss religiöser Lobbyisten kaum noch etwas wert.
Also vielen Dank für diesen höchst interessanten und aufklärerischen Radiobeitrag, der leider nicht im Radio gehört werden konnte.
Aber im Internet. Auf dem Sofa bei einer Tasse Kaffee, mit ungeteilter Aufmerksamkeit und dem großen Bedürfnis, den Link des Beitrags an alle meine Freunde weiterzusenden.
Ich wünsche allen MitarbeiterInnen vom HPD von ganzem Herzen einen guten Rutsch und weiterhin viel Erfolg im neuen Jahr. Ganz sicher bleibe ich Ihnen treu.
Herzlichst
Olaf Sander
Ali Özdal am Permanenter Link
Im Video ab 8:55 muss ich Dieter Nuhr ergänzen, er Zitiert nämlich den Koran-Satz 5:32, der von gemässigten muslimen als Vorzeigespruch dient, da er human und menschlich klingt.
..
Vers 5:32
..
Das hört sich doch sehr human an.
Oder?
..
Was dabei verschwiegen und unter den Teppich gekehrt wird, ist, wie Nuhr auch richtig feststellt, der unmittelbar folgender Vers, Vers 5:33. Nach seinen Unterlagen lautet er so:
..
Vers 5:33
"Diejenigen, die gegen Allah und seinen Gesandtten kämfen und auf Erden Unheil stiften, sollen getötet oder gekreuzigt werden. Oder es sollen ihnen wechselweise Hand und Fuss abgeschlagen werden. Oder sie sollen aus dem Lande vertrieben werden. Das ist für sie eine schmachvolle Erniedrugung im Diesseits und im Jenseits haben überdies eine gewaltige Strafe zu erwarten."
..
Zusammen mit diesem Vers hört sich der Vers aber nicht mehr human an. Im Gegenteil, es hört sich sehr grausam an.
..
Genau das kritisiert der Nuhr und macht auf vorgeschobene, nur halb zitierte und übersprungene Verse aufmerksam.
Das ist soweit richtig und korrekt.
..
Aber…
1-
Genau den gleichen Fehler macht auch er und übersieht den Anfang des Verses 5:32. Erst wenn man den Vers 5:32 komplett liest, merkt man, dass die human anzuhörende Ethik des Verses 5:32 gar nicht den Muslimen auferlegt ist sondern den „Kindern Israels. Also den Juden. Der Anfangssatz lautet nämlich
..
„Deshalb haben Wir den Kindern Israels verordnet, dass, wer einen Menschen tötet, tötet die Menschheit…“
..
Also hat das ganze humane Ethikverständnis mit den Muslimen nichts zu tun.
2-
Die unmenschliche Aufgabe, die laut Koran den Muslimen auferlegt wird, wird durch den nachfolgenden Vers, Vers 5:33 beschrieben. Auch hier macht er einen Fehler. Vielleicht ist es falsch, von Nuhr gemachtem Fehler zu sprechen, Denn er liest ja den Koran nur aus einer Übersetzung, einer geschönten Übersetzung.
In den meisten Übersetzungen wird übersehen bzw. erst gar nicht erwähnt und auch nicht wiedergegeben, dass der Vers 5:32 mit dem arabischen Wort „innama“ (jedoch, vielmehr, indessen) an den Vers 5:33 anschliesst. Aber erst dadurch wird deutlich, dass der humane Teil der Ethik den Juden, der inhumane Teil aber den Muslimen auferlegt wird.
..
Stattdessen wird in der Öffentlichkeit das Gebot des Koran bewusst verfälscht und die vom Koran den Juden und den Muslimen auferlegten Aufgaben immer wieder vertauscht dargestellt.
Thomas Göring am Permanenter Link
Danke!
Demzufolge wünscht der "barmerzige Gott" laut seinem "Propheten" (verkürzt gesagt) Folgendes:
1. Die Juden bzw "Kinder Israels" sollen sich gefälligst human benehmen: Töten ist verboten! - Wird dafür in diesem "unbedingt zu lesenden" (Lies!) Original-"Wort Gottes" auch eine Begründung für diese exklusiv an die Juden gerichtete besondere Verhaltens-Anforderung genannt?
2. Die Muslime müssen Islamgebote-Verletzer & Vom-Glauben-Abgefallene unbedingt verfolgen & verstümmeln bzw hinrichten: Töten ist Pflicht! - Richtig verstanden? Oder noch 'was Sachdienliches übersehen dabei?
Sie erwähnen "geschönte" Koran-Übersetzungen. Das wirft sofort 2 Fragen auf:
1. Gibt es auch "ungeschönte" Übersetzungen, die den arabischen Text wortgetreu bzw. dessen geistigen Inhalt unverblümt & ehrlich wiedergeben? Könnten Sie eine derartige Übersetzung (ins Deutsche) empfehlen? - Konkret: Ich habe seit einigen Jahren eine deutschsprachige Koran-Übersetzung im Regel stehen: verfasst 1901 von Max Henning, überarbeitet Mitte der 90er Jahre vom Konvertiten und ex-Diplomaten "Murad" Wilfried Hofmann, erschienen 2005 im Diederichs-Verlag. Der Text auf der Rückseite des Buch-Umschlags endet mit folgenden fordernden & drohenden Sätzen: "Jeder sollte zu begreifen versuchen, welche Ideen- und normative Welt sich hinter dem Phänomen Islam verbirgt. Dies könnte zu einer Überlebensfrage werden." Also "jeder"(!) "sollte"(!) usw usf, weil es ausdrücklich eine "Überlebens(!)frage" – für wen?! - werden "könnte"... Da ich in ideologischen Fragen keinen Spaß verstehe, sehe ich hierin eine religiöse Kampfansage gegen jeglichen Laizismus. Vor einiger Zeit habe ich damit begonnen, die vielen üblen Tötungs- usw. -Sätze in diesem heiligen Werk mit roter Tinte fett zu unterstreichen, damit man sie beim Durchblättern dieses "Wortes Gottes" nicht so leicht übersieht. (Des gerechten Ausgleichs halber sei hinzugefügt: Die Lutherbibel nehme ich mir diesbezüglich später auch noch vor.) Zurück zu meiner Frage: Kennen Sie vielleicht diese Henning/Hofmann'sche Übersetzung, und falls ja, halten Sie diese in bezug auf den arabischen Originaltext für glaubhaft? Oder wurde auch hier "geschönt"?
2. Wer könnte ein Interesse daran haben, islam-unkundige West-Bürger mit geschönten also verfälschenden Koran-Übersetzungen hinters Licht zu führen ergo zu betrügen bzw als nützliche Idioten zu ködern?
norbert besgen am Permanenter Link
Chapeau ! Dieter Nuhr, MSS danke für diesen Beitrag.
Euch allen aufklärerischen Rutsch in 2017.
Maja Weber am Permanenter Link
Interessant ist für mich hierbei, dass die Autorin nirgends erwähnt, woher Dieter Nuhrs Popularität neben seiner starken Performance und der beißend und brillant verpackten Satire mit herrührt: von seinen regelmäßigen
norbert besgen am Permanenter Link
chapeau !
Dank Dieter Nuhr, MSS und den HPD für die mediale Verbreitung.
Norbert Froese am Permanenter Link
Ein sehr gelungenes Feature das Ihr da produziert habt. Danke!
Ich wünsche ihm viel Aufmerksamkeit und werde es gerne empfehlen.
Thomas Heinz am Permanenter Link
Ist doch seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit bekannt: alle Steuerzahler finanzieren Rundfunk und Fernsehen, die Kirchen bestimmen was passieren muss. Also, nix neues im Lande!
Alexander Neumann am Permanenter Link
Leider passiert das nicht nur beim Thema Religion. Die heutige Presse ist offensichtlich extrem darauf focussiert, was gerade hipp ist. Was nicht dem Mainstream entspricht, geht in den Medien unter.
Dieses Prinzip zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Presse und das Ausmaß ist erschreckend!
Bärbel Herold am Permanenter Link
So ist es: ein gläubiges Volk ist leichter zu regieren als ein wissendes Volk, weil "Religion Opium für das Volk" ist
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Dass dieses Feature von Rainer Praetorius nicht von unseren kirchenhörigen Rundfunkanstalten akzeptiert und gesendet wurde, ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass wir in einer Kirchenrepublik leben.
Zum Video mit Nuhr und Schmidt-Salomon: Die Religionskritik von Dieter Nuhr gehört nach wie vor zum Besten, was das deutsche Kabarett dazu zu bieten hat. Was mir aber zum Schluss auffiel, besonders aber bei seinem Jahresrückblick 2016 bei der ARD, ist seine zunehmende Annäherung an die »politisch erwünschte« Auffassung, wenn es um die aktuelle politische Situation geht. Sie erfolgt in ziemlich grobschlächtiger Form als bloße pauschale Verdammung ungeliebter politischer Gruppierungen und deren Vorstellungen.
Nichts von jener lockeren, intellektuellen Ironisierung von möglichen Vorurteilen und Intoleranzen, keine schelmische Karikierung von »postfaktischen« Behauptungen, keine süffisante Bloßlegung von verbreiteten Voreingenommenheiten. So wie er das bei Kirche und Islam und anderen Themen des Alltags bisher gekonnt vorgeführt hat. Sobald er sich dem momentan virulenten Thema und Umfeld »Flüchtlinge« zuwandte, flüchtet er sich nur in grobe Verurteilungen islamkritischer(!) Positionen. Nichts von pointierter Kritik, nichts von der humorigen Qualität, die ihn sonst als Kabarettisten auszeichnete, nur undifferenziertes »bashing«. Enttäuschend!
Ich will es vorsichtig ausdrücken: Mir drängte sich der Eindruck auf, dass ihm hier Vorgaben von seinen »Auftraggebern« gemacht wurden. (So wie man in letzter Zeit wiederholt erfuhr, dass interviewten Politikern von den Fernseh-Moderatoren (oder denen wiederum von der Redaktion?) Vorgaben gemacht werden, dass bestimmte Themen nicht angesprochen werden sollten.)
Da halte ich es doch viel lieber mit Michael Schmidt-Salomon, der in seinem jüngsten Buch »Die Grenzen der Toleranz« auf den Seiten 55 bis 66 beispielhaft erläutert, wie man im Sinne einer demokratischen Streitkultur mit gegenteiligen, auch verurteilungswürdigen politischen Auffassungen umgehen sollte.
Hannelore Horn am Permanenter Link
Ja, Herr Lehnert, so sehe ich das auch, und nicht nur ich!
Utee am Permanenter Link
Eine sehr gute Sendung. Und ich finde es beschämend, dass öffentliche Sender so etwas ablehnen bei einer Quote von über 30% Konfessionslosen in dieser Republik. Wen vertreten unsere Volksvertreter denn noch?
Wolfgang am Permanenter Link
Danke Dieter, dass du das Thema aufgemacht hast.
Etwas fehlt mir.
Für mich ist das Höchste das Empfinden der allseitigen Verbundenheit, wir sind aufeinander angewiesen und bekommen eine enorme Energie für ein gutes Miteinandern. Ob wir das Liebe oder Gott nennen, ist mir völlig egal. Gegenüber der Verbundenheit, die real ist, sind die Sprüche der Religionen nur lächerlich.
Wo die Verbundenheit gestört wird, auch durch die Religionen, gibt es Leid und Krieg ohne Ende.
Übrigens, die Bundespsychotherapeutenkammer hat in ihrem Zentralorgan begonnen, die Religionen wieder hoffähig für die Psychotherapie zu machen, natürlich indem sie die ganze Destruktivität der organisierten Religionen für die menschliche Psyche bagatellisieren und unterschlagen. Der Dalai Lama hat die Gewalt in den sog. heiligen Büchern und in allen Religionen (!) kritisiert und fordert eine allgemeine menschliche Ethik. Is ja schon mal ein Anfang...
Klaus Roggendorf am Permanenter Link
Humanistische Werte sind Weltkulturerbe
Gott ist die "Vollkommenheit der Wahrheit" - "an sich selbst betrachtet"
Von Klaus Roggendorf 27.12.2010, 10.36 Uhr
Ein wahrheitsorientiertes Resümee:
Gott ist eine Chiffre für die "Vollkommenheit der Wahrheit" die mit I. Kant`s Begriff der "Wahrheit an sich selbst betrachtet" identifizierbar. Beider menschliche Unfaßbarkeit ist mathematisch nachvollziehbar.
Es kann logisch nur eine Vollkommenheit der Wahrheit/eine Wahrheit an sich selbst betrachtet geben, also kann's nur einen Gott geben, der diese vollkommene Wahrheit ist. Diese Vollkommenheit der Wahrheit verbindet alle Menschen, alle Wissenschaften, Religionen, Kulturen, alle Gläubigen und Ungläubigen miteinander in der Ansicht, dass der jeweils eigenen Wahrheitserkenntnis immer nur Teilwahrheiten zugängig sein werden, nie aber wird ein Lebewesen, eine Religion oder Kultur allein im Besitz der Vollkommenen Wahrheit sein, auch
wenn viele Religionsstifter dies zu Stifters-Zeiten meinten, denn die jeweils anderen Vorstellungs- und Lebensweisen sind ebenfalls wahr und wirksam.
Die Vollkommenheit der Wahrheit ist zugleich eine wissenschaftlich rational und religiös-theologisch, gefühls- und verstandesmäßig begründete und gelebte Vorstellung, Annahme und/oder wissenschaftliche Arbeitshypothese:
Gott steht theo-logisch für die "Vollkommenheit der Wahrheit" und philosophisch für die "Wahrheit an sich selbst betrachtet" - eine Wahrheit, die in ihrer Gänze der
mensch ichen Erkenntnis verschlossen bleibt. Deshalb heißt es in vielen Religionen/Wissenschaften auch, Du sollst/kannst Dir kein Bild von Deinem Gott/von der Gänze der Wahrheit machen.
Gott steht folglich für die wissenschaftliche und theologische "Vollkommenheit der Wahrheit". Die philosophische "Wahrheit an sich selbst betrachtet" I. Kants ist als ein integralwissenschaftlicher, arbeitshypothetisch-praktischer und rational begründbarer Ausdruck menschlicher Gläubigkeit und als eine Chiffre verstehbar, die alles,
was ist, verbinden kann.
Die Menschen-, Welt- und Gottesbilder, die religiösen und gesellschaftlichen Kulturen werden so als Teilansichten des Ganzen verständlich und gebieten nicht nur einen
toleranten, sondern einen sozial-solidarischen, nachhaltig lebensförderlichen Umgang aller Menschen in einem globalen Miteinander. Da jeder Mensch in eine der historisch gewachsenen, vorurteilsvollen Teil-Wahrheits-
Ansichten hineingeboren und von diesen geprägt wird, haben ein weltweiter vergleichender Ethik-Unterricht und ein ebensolcher Permanent-Diskurs höchste Priorität, weil nur
dann Verteilungs-und Kulturkämpfe global weitestgehend vermieden werden können.
Werden diese Erkenntnis-Zusammenhänge denkend und handelnd verinnerlicht und lebenspraktisch realisiert, dann sind alle Menschen in der gemeinsamen
Suche nach mehr Wahrheits- und Gottes-Nähe miteinander verbunden und jegliches Gegeneinander wird "paradiesisch" verpönt sein.
Die Erkenntnis, die Vernunft und Verantwortung, die Solidarität und gegenseitige Toleranz sind auf dem Vormarsch -oder sollten es bald schon sein - wenn wir ein gedeihlicheres Leben ohne Glaubens-,Religions- oder anders begründeten Kulturkämpfen haben wollen.
Klaus Roggendorf
Andreas Dornow am Permanenter Link
Also mir wäre es jetzt neu, daß Christen nach Kritik an der Kirche Morddrohungen versenden.
Waldler am Permanenter Link
"Eine Auftragsarbeit für eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt."
Mich würde interessieren, wer diese auftraggebende und erste ablehnende Sendeanstalt gewesen ist...
agaricus am Permanenter Link
Religion nimmt mir die Freiheit zu denken...
Anne Pförtner am Permanenter Link
AP ...
Thomas Göring am Permanenter Link
Das bedeutet: christliche Menschenverzwergung. - Das mit den glaubenszersetzenden Intellektuellen ist selbstentlarvend. Wo hat dieser Chefideologe das von sich gegeben?
Anne Pförtner am Permanenter Link
AP: Das Zitat stammt aus der Predigt von J. Ratzinger vom 31.12.1979 zum Entzug der Missio canonica für Hans Küng.(gefunden in Genot Berger "Die 10 größten Irrtümer des Neuen Testaments", S. 207, Abs.
Thomas Göring am Permanenter Link
Danke!