Mitleidstötungen sind keine Sterbehilfe

KEMPTEN: Der "Todespfleger von Sonthofen" wurde heute zu lebenslanger Haft verurteilt.

Er wurde des Mordes in 12 Fällen und des Totschlags in 15 Fällen für schuldig befunden.

 

Nach Agenturberichten sagte der Richter Harry Rechner in der Urteilsbegründung, der Angeklagte habe Patienten durch Giftinjektionen in bereits gelegte Venenzugänge getötet. Sein Motiv sei gewesen, einem aus seiner Sicht sinnlosen Leiden ein Ende zu setzen. "Der Angeklagte war und ist Befürworter der aktiven Sterbehilfe", erklärte der Richter.

Er habe Schwerstkranke von ihrem Leid erlösen wollen, gab Stephan L. zu seiner Verteidigung an. „Wenn fremdbestimmte Tötungen ohne Einwilligung der betroffenen Patienten als Sterbe-‚Hilfe' diskutiert werden, ist das abwegig", so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), Karlheinz Wichmann. Denn bei der Sterbehilfe gehe es nicht um Mitleidstötungen.

 

Bei der Sterbehilfe sollte die Entscheidung des Betroffenen im Mittelpunkt stehen, der seinen Leidensprozess selbstbestimmt abkürzen (lassen) will. Dies kann auch eine vorweg genommene Entscheidung sein, wie zum Beispiel ein Verzicht auf lebensverlängernde und -erhaltende Maßnahmen im Falle einer unheilbaren Krankheit. Eine gesetzlich geregelte aktive direkte Sterbehilfe, die auf ausdrückliches, frei verantwortliches und wiederholtes Verlangen des Patienten erfolgt, hat mit Mitleidstötungen deshalb ebenso wenig zu tun wie eine passive Sterbehilfe, die auf dem Willen des Patienten beruht.

 

Wie eine positiv bewertete Eigenschaft zu Fremdbestimmung führt.

Immer wieder kommt es zu Patiententötungen, bei denen die Täter angeben, aus „Barmher-zigkeit" gehandelt zu haben. Was hier in möglicherweise strafmildernder Absicht vorgebracht wird, klingt aus moralischer Sicht zunächst begrüßenswert, denn Mitleid wird als positive Eigenschaft gewertet. Diese Sicht verschleiert aber, dass hier die Situation eines Patienten aus der Sicht eines anderen bewertet wird: der Mitleid empfindende Beobachter stülpt dem betroffenen Patienten seine Sichtweise über. Das aber ist nichts anderes als Fremdbestimmung: Nicht der Betroffene selbst beurteilt letztlich seine Lebensqualität, sondern ein Außenstehender. Das widerspricht der Selbstbestimmung des Patienten.

Eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe sollte auch diese Fragen verbindlich klarstellen.