Neue Maßstäbe für die US-Demokratie

USA. (cfi/hpd) Die Herausgeber der US-Zeitschrift „Free Inquiry Magazine", Paul Kurtz und Tom Flynn, analysieren die Wahl von Obama und stellen Forderungen an die Politik des nächsten Präsidenten aus US-säkularer Sicht. Das Center for Inquiry ist eine übernationale Organisation, die sich als Ziel stellt, Vernunft, Wissenschaft und Freiheit in allen Bereichen der menschlichen Gesellschaft zu fördern und zu verteidigen.

Endlich ist eine langwierige und heftige Wahlkampagne vorbei. Amerika hat einen neuen Präsidenten gewählt. Wir beglückwünschen Barack Obama und wir versprechen unsere Unterstützung für seine Bemühungen!

Dem gewählten Präsidenten Obama stehen furchtbare Probleme gegenüber, die von der Bushadministration zurückgelassen wurden. Aber lassen Sie uns auf das Positive konzentrieren. Obama ist die erste Person mit gemischter anglo-afrikanischer Abstammung, der es zum Präsidenten schaffte. Heroisch stellt er eine bedeutende Ausdehnung der amerikanischen Demokratie dar. Seine Wahl erinnert uns daran, dass die Vereinigten Staaten wirklich die Universalgesellschaft auf diesem Planeten sind und bestätigt Amerikas Identität, als eine wirklich (wenn schon nicht tadellos) gemischtrassige, multiethnische, multikulturelle Nation. Bravo!

Die Vereinigten Staaten sind das erste wichtige Land, das unter den Idealen der Aufklärung gegründet wurde, verbunden mit den säkularen Werten des „Lebens, der Freiheit und des Strebens nach Glück". Amerika ist ein Land der Möglichkeiten und der individuellen Verwirklichung; sein bürgerlicher Glaube in Ausbildung, Wissenschaft, Humanismus und demokratische Werte wird zu Recht hervorgehoben.

Dennoch hat es seinem Preis. Fast ein Jahrhundert war nötig, um den moralischen Makel der Sklaverei zu überwinden. Es hat seit dem Bürgerkrieg mehr als ein Jahrhundert gedauert, um eine mehr geschlossene Nation zu bilden. Amerika hat einen zweirassigen Präsidenten gewählt; wären die Primaries der Demokraten anders ausgefallen, die Nation würde höchstwahrscheinlich eine Frau gewählt haben. Wie lang wird es dauern, bevor ein bekennender Ungläubiger in das Spitzenamt gewählt werden kann? Die US-Verfassung gibt an, dass „kein frommer Test überhaupt erforderlich sein wird", um „egal welches Amt oder öffentliche Vertrauensposition" auszuüben. Dennoch zeigen Untersuchungen, dass eine Mehrheit der Amerikaner keinen atheistischen Anwärter für die Präsidentschaft wählen würde. Offenbar gibt es noch mehr zu tun, um eine wirklich säkulare Gesellschaft zu verwirklichen.

Damit die Ideale der Demokratie weiter erweitert werden können, bieten wir einige grundlegende, humanistische ethische Grundregeln und Ziele an, die die Nation hoffentlich in den kommenden Jahren erzielen könnte. Selbst wenn sie mit einer massiven Wirtschaftskrise konfrontiert sind, fordern wir Präsident Obama und den neuen Kongress auf, ihre Tätigkeiten auf den folgenden Grundregeln zu gründen:

  • Erneuerung der Regulierung zum Schutz der Öffentlichkeit. Der unbegrenzte freie Markt ist diskreditiert worden. Praktisch jede andere demokratische Gesellschaft beruht auf einer Mischwirtschaft von robusten öffentlichen und privaten Sektoren. Amerika muss von diesem Beispiel lernen.
  • Allgemeine Gesundheitsversorgung. Wir sehen Gesundheitsversorgung als Menschenrecht an. Jede andere Demokratie, ausgenommen die Vereinigten Staaten, hat eine allgemeine Gesundheitsversorgung. Beim Erhalt eines bedeutenden privaten Bestandteils ist es Zeit, Gesetze zu erlassen, die garantieren, dass jeder Amerikaner versichert ist.
  • Das Recht auf Privatsphäre. Jede Person sollte die persönliche Freiheit haben, um seine oder ihre Werte und Art des Lebens auszuüben, solange er oder sie anderen nicht das Ausüben ähnlicher Rechte verhindert.
  • Gleicher Zugang. Jede Person, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Ethnie oder Klasse, sollte die Gelegenheit haben, seine oder ihre Ziele zu verwirklichen, ohne durch Diskriminierung gehemmt zu werden.
  • Gleichheit der Interessen. Alle Einzelpersonen sollten, (a) vor dem Gesetz gleichgestellt sein; (b) das gleiche Recht zur Ausbildung haben, ob arm oder reich; und (c) die Gelegenheit bekommen, eine einträgliche Beschäftigung auszuüben.
  • Bürgerrechte. In einer freien und offenen demokratischen Gesellschaft muss jedes Bestreben, die freie Meinungsäußerung zu zensieren oder einzuschränken, verboten sein. Dieses gibt jedem Einzelnen das Recht, an eine ausgewählte Religion zu glauben und sie zu praktizieren - aber auch das Recht auf Meinungsverschiedenheit und Nichtglauben.
  • Trennung von Kirche und Staat. Die Vereinigten Staaten müssen den ersten Verfassungszusatz befolgen. Wir ersuchen Präsident Obama, seine Kampagnenrhetorik zu diesem Punkt und die öffentliche Unterstützung für auf Glauben gegründete Wohltätigkeitsorganisationen wegen Verletzung des ersten Verfassungszusatzes zu beenden.
  • Verpflichtung zur Entwicklung von alternativen Energiequellen. Wir müssen auf eine Staatspolitik setzen, die auf einem Energieangebot basiert, das uns ermuntert grün zu gehen, grün, grün! anstatt bohren, bohren, bohren.
  • Wiederherstellung des Respekts vor der US-Führung der internationalen Angelegenheiten. Der Krieg im Irak muss durch die neue Verwaltung so bald wie möglich gelöst werden. Idealerweise sollte dies irgendeine Form einer Wahrheitskommission einschließen, welche die Rolle führender Mitglieder der vorhergehenden Verwaltung untersuchen soll, die Nation mit falschen Vortäuschungen in den Krieg geführt, die illegalen Lehre der präventiven Kriegsführung festgelegt, und solche abstoßende Praxen wie Folter und unbegrenzte Haft eingeführt zu haben. Amerika sollte seine Außenpolitik überdenken und eher Diplomatie anstatt militärischer Macht anwenden, während es versucht, Konflikte in Zusammenarbeit mit anderen in der Welt friedlich zu lösen.

POSTSKRIPTUM

Schließlich empfehlen wir zwei Verbesserungen des Wahlsystems.
Zuerst, die letzte Wahl verbrauchte zwei Jahre, ungeheure Energie und beispiellose Summen der Finanzierung. Wir empfehlen, dass eine vom Präsidenten ernannte Sonderkommission, in Zusammenarbeit mit dem Kongress, sich über den anstrengende Staat-nach-Staat Primarysystem hinaus, zu möglicherweise regionalen Primaries und einem verkürzten Wahlprozess Gedanken macht.

Zweitens empfehlen wir, dass der Vizepräsident-Anwärter von regionalen Primaries und politischen Versammlungen vorgewählt, und nicht einfach vom Präsidentenkandidaten ausgewählt werden. Im Zwanzigsten Jahrhundert starben drei Präsidenten im Amt (William Mckinley, Franklin D. Roosevelt und John F. Kennedy) und ihre Vizepräsidenten folgten ihnen im Amt. Obgleich wir denken, dass Obamas Entscheidung für Joseph Biden eine vernünftige Wahl ist, war es John McCains Wahl für die unqualifizierte Sarah Palin nicht. Offensichtlich ist der aktuelle Prozess unzulänglich. Nach unserer Ansicht sollte der Vizepräsident eher von der Öffentlichkeit durch den Primaryprozeß als durch die alleinige und autokratische Wahl des Anwärters vorgewählt werden. Lassen Sie die Leute entscheiden!

Übersetzung: R. Mondelaers