Jahrzehntelanger Einsatz für Selbstbestimmung

LÜBECK. (hpd) Dr. Klaus Waterstradt hat am Samstag (15. November) im überfüllten Lübecker "Buddenbrooks-Haus" den Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union (HU) erhalten. Mit dem Bürgerrechts-Preis würdigte die HU sein jahrzehntelanges Engagement für die Freiheits- und Bürgerrechte. Ein besonderes Anliegen sei ihm die Selbstbestimmung der Menschen von der Geburt bis zum Tod gewesen, hieß es in der Preisbegründung.

 

Nur sehr mühsam gelang es dem Preisträger, die Stufen zur Bühne hinaufzukommen. Zwei Personen mussten Waterstradt dabei unter die Arme greifen. Als er nach einigen Minuten schließlich am Redepult stand, versagte ihm die Stimme. Seine Dankesrede wurde daraufhin verlesen.

In den 88 Jahren seines bisherigen Lebens hat Waterstradt Sozial- und Bürgerrechtsgeschichte geschrieben. 1974 bereits eröffnete er in Lübeck unter dem Dach der Humanistischen Union die erste Beratungsstelle für schwangere Frauen. Der HU-Ortsverband Lübeck betreibt sie heute immer noch.
Eine weitere Beratungsstelle richtete Waterstradt kurze Zeit später in Rheinland-Pfalz ein. Auch sie arbeitet heute immer noch.

In den 70er Jahren kam Waterstradt gemeinsam mit anderen HU-Aktiven auf die Idee, den eigenen Willen zu ärztlichen Behandlungen für den Fall einer schweren Erkrankung und dabei auftretender Nicht-Einwilligungsfähigkeit in einer Verfügung vorher niederzuschreiben. Diese "Patientenverfügung" ist derzeit ein Thema der Gesetzgebung des Deutschen Bundestags. Bei ihrem Verbandstag diskutierte die HU am Sonntag (16. November) über die drei vorliegenden Gesetzentwürfe des Bundestags und einen eigenen HU-Entwurf.

Mit dem Fritz-Bauer-Preis würdigt die HU seit 1969 herausragende Verdienste um die Humanisierung, Liberalisierung und Demokratisierung des Rechtswesens. Zu den Trägern des - nach den hessischen Generalstaatanwalts Fritz Bauer benannten - Bürgerrechtspreises gehören: Gustav Heinemann, Günter Grass, Regine Hildebrandt und Burkhard Hirsch.

Die Laudatorin Elisabeth Kilali würdigte Waterstradt als einen offenen, neugierigen und engagierten Menschen. Während seines Medizinstudiums war er im Zweiten Weltkrieg zum Sanitätsdienst eingezogen worden. Seine Kenntnisse habe er dann aber nicht nur seinen Kameraden und der deutschen Bevölkerung zugute kommen lassen, sondern auch den Russen. Er habe sogar die Sprache des "Feindes" gelernt, um die Menschen verstehen und mit ihnen sprechen zu können.

Zeitlebens sei ihm das Vermächtnis "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!" ein persönliches Anliegen gewesen. Schon früh habe er sich aber auch im Umweltschutz engagiert.

Wichtig waren ihm als Arzt neben dem Schutz des Lebens immer auch die Rechte der Frauen. Ursprünglich hatte Waterstradt Kinderarzt werden wollen, doch das verhinderten die Wirrnisse des Zweiten Weltkriegs.

Er habe aus jeder Situation jedoch immer das Beste gemacht, berichtete Kilali. Dabei sei er zwar in der Sache kämpferisch, doch im persönlichen Umgang stets sehr uneitel gewesen.

Die Ehrung mit dem Fritz-Bauer-Preis habe ihn sehr gefreut, bekundete Waterstradt. Er verstehe sie vor allem als Würdigung seiner Anliegen, denen sie vielleicht etwas mehr Schub und Aufmerksamkeit verleihe.

Im Rollstuhl sitzend, nahm der 88-jährige Arzt zum Schluss der Feierstunde die Glückwünsche der Festgäste entgegen. Antworten auf Äußerungen gab er dabei nur noch mit dem Druck seiner Rechten. Sein kräftiger Händedruck wird den Gratulanten aber sicherlich ebenso im Gedächtnis bleiben wie seine herausragenden Leistungen für Freiheit, Frieden und Selbstbestimmung.

Franz-Josef Hanke