Humanismus heute

BERLIN. (hpd) Am vergangenen Wochenende fand in Berlin die neunte gemeinsame Konferenz der „Friedrich-Ebert-Stiftung“ (fes) und der „Humanistischen Akademie“ zum Thema „Was ist heute Humanismus?“ statt.

Sie war in zwei Veranstaltungen geteilt, inhaltlich und auch räumlich. Waren am ersten Tag über 150 Gäste anwesend, kam der zweite Tag immerhin noch auf fast achtzig.

Eingangs betonte für die gastgebende „Friedrich-Ebert-Stiftung“ Dr. Tobias Mörschel, dass seit der ersten Veranstaltung am 11./12. November 2000 die Tagungen unter der Regie von Dr. Horst Groschopp eine Tradition geworden seien. Charakter und Verlauf der Tagungen hätten sich seit dem ersten Treffen gründlich geändert. Aus dem „Klassentreffen“ säkularer Verbandsmitglieder seien anspruchsvolle intellektuelle Diskurse geworden, in die immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einbezogen würden, die dem Verbandstreiben teilweise sehr fern stehen. Auch die Gäste kämen inzwischen aus allen interessierten Bevölkerungsgruppen. „Humanismus aktuell“ habe alle Tagungen dokumentiert.

Der erste Tag behandelte „Humanismus in Deutschland – zwischen Antikerezeption und Weltanschauungskampf“. Die Referate thematisierten zwei Zugänge, einen konzeptionell-philosophischen durch Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin und einen philologisch-historischen durch Religions- und Altertumswissenschaftler Prof. Dr. Hubert Cancik.
Nida-Rümelin stellte in seinem humanistischen Ansatz auf rationale Gründe ab, die sich nicht „naturalisieren“ ließen. Ihnen fehle die Potenz, Algorithmen bilden zu können. Deshalb wandte er sich gegen Naturalismus und entwickelte ein Konzept des ethischen Humanismus, in dem Verantwortung, Autorschaft, gleicher Respekt und öffentliches Abwägen zentrale Begriffe sind.

Cancik gab eine humanistische Begründung humanitärer Praxis, die auf die Anfänge im alten Griechenland und Rom zurückgriff und die des Begriffs der Säkularisierung nicht bedarf. Die Rezeption Ciceros durch Herder spanne den Bogen in die Neuzeit. In der Arbeitsgruppe von Dr. Martin Vöhler (Die Erfindung des „Humanismus“ bei Herder und Niethammer) wurde dieser Bezug vertieft und Humanismus als zunächst deutsche Begrifflichkeit bestimmt.
Das älteste Menschrecht, so Cancik, sei in den Geboten des Bu-zyges von Athen zu finden und habe in Ciceros „Mensch als Mensch“ eine folgenreiche Übersetzung gefunden. Der Sieg des Christentums und seine Verstaatlichung durch Kaiser Konstantin sei v.a. darin begründet, dass die Christen eine jüdische Praxis der sozialen Hilfe übernommen und in der Bürgerkriegsgesellschaft Roms erfolgreich angeboten hätten.
In der Diskussion über diese These wurde klar, dass Humanismus ohne Praxis der Barmherzigkeit, was „humanitas“ auch bedeute, jeder Religion kulturell wie politisch unterliegen werde, die humanitäre Hilfen anbiete.

Das Podiumsgespräch nach der Mittagspause illustrierte die aktuellen theoretischen Debatten über Humanismus in Deutschland. Unter der Überschrift „Humanismusofferten in Deutschland“ wurden bewusst Angebote vorgestellt, die sich auch organisatorisch unterschiedlich aufstellen, dennoch (so weit sie – auch! – weltanschaulich argumentieren in der Weltanschauungsgemeinschaft HVD vertreten sind bzw., wo sie bewusst nicht weltanschaulich sind, sich in der „Humanistischen Union“ finden.
Aufschlussreich war die innere Differenziertheit der Standpunkte im HVD selbst. Das wurde in der Debatte durchweg positiv bewertet, auch wenn klar wurde, dass „naturalistische“ und „kulturelle“ Begründungen des Humanismus nur schwer vereinbar sind, ganz abgesehen von einigen Positionen des „neuen Atheismus“. Hinzu kamen dann noch aus den Arbeitskreisen eine weltanschaulich gefasste Definition (Dr. Horst Groschopp: Humanismus als kulturelle Weltanschauung), eine, die Humanismus als Methode fasste (Dr. Gerhard Engel: Der Evolutionäre Humanismus als Integrationswissenschaft) und eine, die Humanismus als Bekenntnisunterricht definierte (Jaap Schilt: Lebenskunde – humanistischer Bekenntnisunterricht!?).
So kann man nur gespannt sein, wie die Schriftenreihe der „Humanistischen Akademie Deutschland“, die „humanismus aktuell“ im Frühjahr 2009 ablöst, die Tagung dokumentiert. Auf dem Podium wurden folgende Zugänge vorgetragen und im Publikum rege diskutiert: Moderner Humanismus: (Prof. Dr. Frieder Otto Wolf), Bürgerrechtlicher Humanismus (Johann Albrecht Haupt), Evolutionärer Humanismus (Dr. Michael Schmidt-Salomon), Weltlicher Humanismus (Dr. Dr. Joachim Kahl), Demokratischer Humanismus (Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber).

Der zweite Tag war, wie bereits in den letzten Jahren, eine Veranstaltung der „Humanistischen Akademie Berlin“ (HAB) zum Thema „’Neuer Atheismus’ und politischer Humanismus – Bedeutung für Konfessionsfreie.“ Moderiert durch Judith Huber stritten sich durchaus hart in der Sache Dr. Horst Groschopp (HVD), Andreas Henschel (Humanisten Württemberg), Rudolf Ladwig (IBKA), Dr. Volker Mueller (DFW) und Dr. Michael Schmidt-Salomon (gbs). Im Rückblick wird klar, dass es sich um eine die Reaktionen der anderen auslotende programmatische Vordebatte zur Gründung des KORSO handelte.

Auch über den hpd wurde heftig debattiert, besonders über einige durch die drei persönlichen Kommentare von Andreas Müller in den Artikeln „Diese braven Atheisten“ ausgelösten Emotionen und Abgrenzungen, die auch in den Begriffen „Kuschel-“ versus „Krawallatheismus“ diskutiert wurden. Besonders der Satz „Liberales Christentum ist wie Faschismus light.“ (Artikel 2) wurde vom Podium aus von allen Referenten kritisiert, aber von Michael Schmidt-Salomon versucht, ihn in Debatten über „neuen Atheismus“ einzuordnen und die Aussage dadurch in ihrer Bedeutung zu relativieren.
Auch diese Debatte zeigte, dass letztlich gemeinsame Anliegen über Trennendes obsiegten, Dank einer sachlich geführten Kontroverse.

Die Konferenz im kommenden Jahr wird am 14./15. November 2009 in Berlin stattfinden zum Arbeitsthema „Politik der Menschenwürde und Grenzsituationen der Selbstbestimmung – Humanistische Positionen in der Diskussion“.

Fritz Kummer

Titelbild, Prof. Dr. Cancik und Prof. Dr. Nida-Rümelin: Frank Spade
Restliche Fotos: Redaktionsbüro Groschopp