Im Anfang war die Finsternis. Nach über 1000 Jahren christlicher Tyrannei fand endlich jemand den Lichtschalter. Philosophen zertrümmerten religiöse Wahnideen und führten den Menschen aus einem Sklavendasein unter Gott zur Freiheit und Selbstverantwortung. Kuschelatheisten ernähren sich von den Früchten der Aufklärung, ohne den Baum zu gießen. Der Fanatismus ist zurück, seine Gegner sind auf dem Rückzug.
Seit Etablierung der Republik haben Theologen, Romantiker, Idealisten und Sozialwissenschaftler nichts unversucht gelassen, um die Aufklärung rückgängig zu machen und das goldene Zeitalter der Barbarei und des Fanatismus wiederzubeleben. Endlich ließen sich auch die letzten Aufklärer entwaffnen und fristen nun ein geruhsames Nischendasein in einem kleinen Paralleluniversum namens „Realität“.
Und welch bessere Gelegenheit könnte es dafür geben als heute, wo Islamisten die Freiheit in die Luft sprengen, wo sich Russland in ein christlich-orthodoxes Zarenreich zurückverwandelt, wo sich Millionen Amerikaner auf das baldige Ende der Welt freuen und wo die eifrigen Jungs von der Katholiban liberale Christen mit dem Tode bedrohen, nur weil sie ein harmloses Liedchen über den Papst singen?
Wer nichts weiß, will auch nichts ändern
Weichgespülte Atheisten sind davon überzeugt, dass die Religion nicht unbedingt schlecht, sogar oft etwas Gutes sei. Man denke nur an christliche Krankenhäuser, Altenheime und an die Bahnhofsmission. In der Tat: Denken wir einmal daran!
Wir fänden bald heraus, dass viele kirchliche Sozialkonzerne von Arbeitnehmerrechten, einer fairen Bezahlung und einem angenehmen Betriebsklima so viel halten wie ein Fisch von frischer Luft. Und was die Bahnhofsmission angeht – wussten Sie schon? Man kann auch Tee trinken, ohne Christus als seinen Freund und Erlöser anzuerkennen.
Grundsätzlich ist es sicherlich wahr, dass irgendein wollplüschiger Gummiglaube neben der Allgemeinverblödung, die er anrichtet, auch zu guten Taten führen kann. Man nehme nur Albert Schweitzer, der auch von echten Atheisten respektiert wird. Aber geht all dies nicht ebenso und besser ohne Religion?
Die mehrheitlich atheistischen skandinavischen Länder zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, ohne Religion eine soziale, ja sozialere und gerechtere Gesellschaft zu entwickeln, als das in mehrheitlich religiösen Ländern wie Saudi Arabien der Fall ist. Zu dem Thema ist gerade ein Buch erschienen, Society without God von Phil Zuckerman, welches diese Tatsache umfassend aufzeigt. Doch warum gibt es dann nur so wenige atheistische Altenheime, Krankenhäuser, Kindergärten etc. in Deutschland? Fünf Gründe:
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Viele Atheisten wollen keine konfessionell gebundenen oder rein atheistischen Krankenhäuser, weil Ärzte allen Menschen gleichermaßen helfen sollten und nicht nur jenen mit ihrer Konfession oder Nicht-Konfession. Dasselbe gilt für andere Sozialeinrichtungen, wo es keine weltanschauliche Trennung geben dürfte.
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Freidenker- und Humanistenverbände wurden von den Nazis verboten. Die beiden Großkirchen wurden von ihnen unterstützt. Das verleiht den Kirchen einen Vorsprung.
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Kirchliche Sozialkonzerne werden vom Staat finanziell und von Gerichten gesetzlich bevorzugt.
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Der Atheismus als massenkompatibles Phänomen ist noch recht jung. Es gibt ihn praktisch erst seit Darwin.
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Die Demographie ist erst seit kurzem auf der Seite der Atheisten. Noch während der Nazi-Herrschaft gehörten so gut wie alle Deutschen einer christlichen Konfession an (natürlich hat das eine mit dem anderen gar nichts zu tun...).
Schon wieder Stalin
Ausnahmsweise geht es einmal nicht um das notorische Stalin-und-Hitler-Argument, mit dem Theologen ihren gottlosen Gegenspielern die Moralfähigkeit absprechen. Mit dem haben sich alle Neuen Atheisten bereits ausführlich befasst. Das Problem besteht diesmal darin, wie man sich als anständiger Antireligiöser von Stalins kommunistischen Kirchenzerstörern abgrenzt.
Theologen zeigen sich besonders erfreut darüber, dass es den Sowjets nicht gelang, Religion zu verbieten. Jetzt ist das Christentum wieder der große Star in Russland. Dass die russisch-orthodoxe Kirche „Die Protokolle der Weisen von Zion“, Hitlers antisemitische Lieblingslektüre, in ihren Gemeinden verbreitet, dass sie die Evolutionstheorie durch den Schöpfungsmythos ersetzen und den Zaren heilig sprechen will, dass sie gegen Schwule hetzt wie kaum je eine Kirche zuvor, ist da eher eine Fußnote. Freut euch ihr Christen, freuet euch sehr.
Der amerikanische Skeptiker hat sich unter dem Titel „Und Gott erschuf Lenin“ 2007 mit der Thematik befasst. Michael Shermer zitiert sogar den Evolutionsbiologen Edward O. Wilson mit der Aussage, dass Wissenschaft und Bildung gegen die Religion ebensowenig anrichten könnten wie Verbote. Shermer scheint sich darüber auch noch zu freuen, wenn er im Anschluss sagt: „Die Macht des Glaubens hat wahrlich etwas zutiefst Elementares an sich.“ Vielmehr hat diese heimliche Freude an der Standhaftigkeit der Religion etwas zutiefst Masochistisches an sich.
Davon abgesehen lautet die Lehre, die man aus der Erfolglosigkeit des kommunistischen Vorgehens ziehen kann, ganz anders. Zum Beispiel hat die Bekämpfung der Religion in der DDR, wenn auch auf eine fragwürdige Art und Weise, schon funktioniert. Ein religionsfreieres Gebiet als der Osten der Republik ist weltweit kaum aufzutreiben. Doch hier zeigt sich das eigentliche Problem mit der Religionsbekämpfung per Staatsverordnung, bürgerrechtliche Betrachtungen einmal ausgeklammert: Die meisten Betroffenen sind keine bewussten Atheisten aus guten, wohlüberlegten Gründen, sondern Apatheisten, für welche die Gottesfrage, eine der zentralen philosophischen Fragen, bedeutungslos ist.
Das tragische Problem mit Russland im Gegensatz zum Osten Deutschlands besteht wiederum darin, dass seine Bürger über Jahrtausende von ihren geistlichen und weltlichen Führern verblendet und unterdrückt wurden, ohne jemals eine echte demokratische Bildung genießen zu dürfen. Wenn die kommunistische Ideologie von dort verschwindet, braucht es also niemanden zu wundern, wenn sie schnell durch eine andere ersetzt wird. Dass das Christentum dafür so geeignet sein sollte – das ist wohl kaum unsere Schuld.
Was man nicht versteht, darf man nicht kritisieren
Aus den Reihen der Kuschelatheisten heißt es ferner: Wenn wir das Phänomen der Religion nicht zu 100% wissenschaftlich erfassen und erklären können, riskieren wir, einen Fehler dabei zu machen, wenn wir es kritisieren. Vielleicht ist sie am Ende unbesiegbar und die Mühe war umsonst.
Nun, das müsste logischerweise für andere Weltanschauungen genauso gelten. Man hätte im selben Sinne sagen können, dass der Nationalsozialismus nicht zu kritisieren sei, wie man heute den Islamismus nicht kritisieren darf, solange er nicht vollständig verstanden und erforscht ist.
Tatsächlich gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die Religion nicht zu bezwingen wäre. Unsere bisherigen Erkenntnisse legen nahe, dass es sich um ein kulturelles Phänomen handelt. Mindestens ist das der Fall, wenn es um die konkrete Ausprägung der Religion geht, es sei denn, jemand will ernsthaft behaupten, dass bestimmte Menschen über ein Jungferngeburtsgen verfügen, dass sie dazu zwingt, an das Dogma der Jungfräulichkeit der heiligen Mutter zu glauben.
Selbst wenn ein solches Gen existierte, müsste man bedenken, dass das menschliche Verhalten nicht genetisch determiniert, sondern nur prädisponiert ist. Selbst wenn die Neigung zur Religiosität bei einigen Menschen stärker ausgeprägt sein sollte, so könnten sie immernoch davon ablassen oder sich stattdessen harmlosen spirituellen Praktiken wie der Meditation zuwenden.
Die in Europa, Kanada und Australien steigenden Atheistenzahlen beweisen uns schließlich, dass wir nicht dazu verflucht sind, auf ewig Unsinn zu glauben.
Schwarzbuch des Pazifismus
Die Neuen Atheisten haben niemals dazu aufgerufen, die Religion zu verbieten, noch haben sie dazu aufgerufen, Gewalt gegen Gläubige anzuwenden. Jedenfalls nicht gegen die moderaten Durchschnittsgläubigen.
Christopher Hitchens ist allerdings der Meinung, dass man fanatische Gruppen wie Taliban und Al Kaida gewaltsam bekämpfen muss. Nicht, weil sie anderer Meinung sind, sondern weil sie das Leben ihrer Mitmenschen unmittelbar bedrohen. Dabei sprengen sie überwiegend andere Muslime in die Luft. Christen und Atheisten treffen sie unterschiedlos genauso. Alle Menschen, die so etwas nicht mögen, sind also von diesem Problem betroffen.
Kuschelatheisten sehen das nicht so. Für sie sind Taliban und co. bestenfalls irgendwie schlecht, aber wirklich etwas gegen sie unternehmen wollen sie auch nicht. Terroristen haben nämlich magische Kräfte: Nicht nur stehen sie wieder auf, wenn man sie getötet hat, sie vermehren sich dabei auch noch auf wundersame Weise, wie Jesus das Brot und die Fische. Das ist so, als würde Sisyphos Felsen nicht nur immer wieder zurückrollen, sondern dabei jedesmal auch noch größer werden. Wer sagt, dass Atheisten nicht an Wunder glauben?
Wer den Frieden dreimal leugnet...
Anders sehen das neben Christopher Hitchens auch Sam Harris (der zwar den Irak-Krieg nicht unterstützt, aber militärische Einsätze auch nicht prinzipiell ablehnt), Ian McEwan, Ayaan Hirsi Ali, David Aaronovitch, Bernard-Henri Levy und Nick Cohen. Für Kuschelatheisten sind jene Vertreter der „Pro War Left“, wie man Nick Cohens Haltung in England nennt, keine „wahren“ Atheisten. Vielmehr seien diese Ketzer auf die „Propaganda des Weisen Hauses“ hereingefallen, wie man mir jüngst aus der Kuschelecke mitteilte. Es ist ganz unvorstellbar für die Weichgespülten, dass jemand sein Gehirn benutzen und zu einer anderen Beurteilung der Lage gelangen könnte als sie. Da muss doch eine Ideologie oder eine Verschwörung dahinter stecken! Wenn man schließlich selbst einer ideologischen Weltanschauung anhängt, kann man gar nicht verstehen wie es ist, sich eine eigene Meinung jenseits von Michael-Moore-Filmen zu bilden.
Denn sie wissen nicht, was Frieden ist
Vielleicht ist radikalen Pazifisten nicht ganz klar, was „Frieden“ überhaupt bedeutet. Die amerikanische Skeptiker-Fernsehserie „Penn & Teller: Bullshit“ hat sich in einer Folge dem Thema „Weltfrieden“ angenommen (Teil 1, 2 und 3). Dafür haben sie Friedensaktivisten auf einer Anti-Bush-Demo gefragt, was Frieden eigentlich ist. Eine Antwort lautete: „Frieden ist, wenn ich an einem Samstag Morgen mit meiner Frau und meinen Kindern im Bett liege.“ Penn Jillette (Gewinner des Richard Dawkins Award 2005), fand eine passende Anwort darauf: „Also Frieden ist, wenn du mit deiner Familie im Bett liegst, während in Ruanda Menschen erschossen werden.“
Es ist an der Zeit, einzusehen, dass Frieden und Diplomatie nur funktionieren, wenn beide Parteien ein Interesse daran haben. Wenn eine Partei die andere zwecks Errichtung eines Weltkalifats und für ein Ticket zu einer überirdischen Massenorgie einfach nur auslöschen will, dann kann es keinen Frieden geben und wer trotzdem noch die andere Wange hinhält, kann sich zwar freuen, ebenfalls den Märtyrertod für seine Ideologie gestorben zu sein, aber eine Belohnung im Jenseits gibt es dafür nicht. Vielleicht sollten wir ein solches Märtyrertum auch im Diesseits nicht belohnen.
Ein Hoch auf die Freiheitskämpfer
Womöglich besteht das Problem darin, dass noch nicht überall angekommen ist, wie unbelehrbar und gefährlich die Taliban und andere Gruppierungen dieser Art eigentlich sind. So werden sie von Teilen der Linken doch wahrhaftig als Freiheitskämpfer gegen die bösen USA angesehen. Die sind nämlich seit 9/11 für alles Leid der Welt verantwortlich.
Wikipedia hat sich die Mühe gemacht, eine Liste von Verboten aufzustellen, die im von der Taliban regierten Afghanistan gegolten haben und die sie wieder einführen wollen. Darunter finden sich Absonderlichkeiten wie das Verbot des Drachensteigenlassens, das Verbot des Züchtens von Vögeln und das Verbot, Lebewesen zu zeichnen. Außerdem haben sie alle Plätze umbenannt, in denen das Wort „Frau“ vorkommt, etwa „Frauengarten“ in „Frühlingsgarten“.
Wenn sich die Taliban nicht gerade mit vergleichsweise harmlosem Irrsinn befasst haben, gefielen sie sich darin, mutmaßlichen Verbrechern die Gliedmaßen zu amputieren, Männer zu verprügeln, deren Bärte zu kurz waren und öffentlich Frauen zu steinigen, weil diese vergewaltigt wurden (Ehebruch...). Es lohnt sich durchaus, die Liste einmal durchzugehen und sich zu überlegen, welche Rechte Frauen überhaupt noch hatten. Das ist gar nicht mal so einfach.
„Nichtmuslime mussten ein gelbes Abzeichen auf der Kleidung tragen“, heißt es ferner. Das klingt vertraut. Man kennt die Praxis von einer anderen Ideologie, welche ein Teil der Linken, darunter Bertrand Russel, damals genausowenig bekämpfen wollte. Doch müsse man, wie aus den Reihen der Weichgespülten zu vernehmen, folgendes bedenken: „Die Amerikaner haben im zweiten Weltkrieg auch Verbrechen begangen und nicht nur die Nazis.“
Irgendwas stimmt mit der heutigen Linken nicht. Vielleicht die Tatsache, dass sie genauso argumentiert wie die Rechte.
Sollen wir unseren Truppen in Afghanistan denn ernsthaft sagen, dass sie sich in Zukunft nicht mehr beim Landesaufbau verteidigen dürfen und sich lieber erschießen lassen sollen? Wer ihren sofortigen Abzug fordert, muss sich über die möglichen Folgen im Klaren sein: Die Taliban werden unzählige Menschen töten und das Land wieder unter ihre Kontrolle bringen. Dann werden sie noch mehr Menschen töten. Das ist es schließlich, was sie schon immer getan haben. Warum nimmt man das als angeblicher Verteidiger der Menschenrechte einfach in Kauf?
Soll der „Friede“ der Kuschelatheisten etwa darin bestehen, dass Fanatiker wahllos Menschen töten dürfen, solange sie nur die weichgespülten Ungläubigen nicht treffen?
Weil Amerika voll böse ist
Wer möchte, der darf sich von den Weichgespülten auch einen Vergleich von Saddam Husseins Folterlagern mit Abu Ghuraib anhören. Tatsächlich stellt Abu Ghuraib eine erhebliche Verbesserung dar im Vergleich zu vorher, wie Hitchens lakonisch bemerkte. Die Friedensaktivisten haben nur überhaupt keine Ahnung vom Vorkriegs-Irak. Sie wissen nicht, dass Saddam Hussein für den Tod von 1 400 000 Menschen verantwortlich ist, dass er sogar die Familien seiner engsten Parteifreunde entführen ließ, um sie vor ihren Augen foltern und vergewaltigen zu lassen, wenn sie ihn nur falsch ansahen. Im Gegensatz zu Guantanamo überlebte praktisch niemand einen Besuch seiner unzähligen Folterlager, wo Verdächtige (angebliche „Freimaurer“) auf Pfähle gespießt wurden. Stellen Sie sich einmal vor, dass Frau Merkel auch nur einen einzigen Menschen auf einen Pfahl spießen würde! Aber die ist ja auch kein böser Diktator, der so etwas naturgemäß tun darf...
Husseins versuchte Ausrottung der Kurden durch Giftgas muss für Ghandi-Fans wohl als Betriebsunfall durchgehen. Immerhin: „Der Irak war säkular“. Wahrscheinlich ließ Hussein deshalb das Land mit Moscheen zupflastern und hielt jede Woche eine Fernsehpredigt. Überhaupt: Was ist das eigentlich für eine Verteidigung? Darf sich ein Diktator etwa austoben, wie er will, so lange er nur „säkular“ ist (was auch immer das eigentlich bedeuten mag)?
Als gäbe es keinen Unterschied zwischen völkermordenden Faschisten wie der Baath-Partei und der einzigen Nation, die bewusst auf den Prinzipien der Aufklärung gegründet wurde. Als gäbe es keinen Unterschied zwischen dem Kampf für die Freiheit und dem Kampf für eine menschenverachtende Theokratie. Natürlich darf man, ja muss man die USA kritisieren – aber erst sobald man weiß, auf welcher Seite man eigentlich steht! Die an sich berechtigte Kritik an CIA-Gefängnissen, Überwachung und Waterboarding klingt aus dem Mund von jemandem, der Al Kaidas Terrorcamps für Pfadfinderlager hält, nämlich nur halb so überzeugend.
Land du aufbauen musst
Es wird oft übersehen, dass auch für Hitchens die eigentliche Lösung in der Verbesserung der sozioökonomischen Bedingungen liegt. Im Falle des Irak sind aufgrund der natürlichen Ölreserven diese Bedingungen gegeben, tatsächlich steht das Land mit einem gewaltigen Überschuss finanziell besser da als sein Befreier. Das Problem ist Afghanistan, weil es nicht über die nötigen Rohstoffe verfügt. Hitchens Vorschlag lautet: Der Westen sollte den afghanischen Bauern ihr Opium abkaufen und Medikamente daraus machen. Das könnte die Wirtschaft des Landes in die Gänge bringen.
Niemand stellt also in Frage, dass es materielle Bedingungen für eine zivilisierte Gesellschaft gibt. Nur lässt sich ein Land nicht aufbauen, wenn Fanatiker dies mit Waffengewalt verhindern; wenn sie unsere Truppen und Kinder, die am Wegesrand spielen, in die Luft jagen. Also müssen die Soldaten sich und die Bevölkerung des Landes gegen diese Kräfte verteidigen. Eigentlich logisch. Es sei denn, man sieht den Pazifismus nicht als berechtigten Versuch, unnötige Kriege zu verhindern, sondern als ideologische Legitimation dafür, „das Böse siegen zu lassen, weil gute Menschen untätig sind“.
Jetzt klärt doch mal einer Osama auf!
Trotz all dieser Probleme soll auch im Falle islamischer Diktaturen das Prinzip „Aufklärung“, reduziert auf das Element „Bildung“, die einzig wahre Lösung sein. Aber wie könnte das praktisch funktionieren? Wie kann man denn in einem Land, zumal als Ausländer, die Bildung fördern, das gezielt und mit Gewalt Bildung verhindert? Das gelingt ja nicht einmal den progressiven Kräften vor Ort. Zudem ist Bildung ein zwar unerlässlicher, doch sehr zeitintensiver Prozess.
Leider werden aber jetzt in diesem Augenblick Menschen im Namen des Glaubens – und aufgrund des Glaubens – niedergemetzelt, weil sie einigen Leuten nicht fanatisch genug sind. Schaut man da jetzt einfach zu und hofft, dass man irgendwann einmal Aufklärungs-Flugblätter abwerfen kann, oder greift man ein? Vielleicht ist die Antwort ja wirklich „abwarten und Tee trinken“, aber kann man nicht zumindest feststellen, dass die Frage berechtigt ist, anstatt sich mit Verschwörungstheorien über die bösen USA vor der Herausforderung zu drücken?
Frieden um jeden Preis?
Pazifismus kann genauso tödlich sein wie andere Ideologien. Man erinnere sich nur an den Völkermord von Ruanda, an das Massaker von Screbrenica, an die Gleichgültigkeit der Vereinten Nationen, als Milosevic den Totalitarismus wiederbelebte. In der Tat kann man sich allmählich fragen, wofür die UN überhaupt gut ist.
Wer „Frieden“ für wichtiger hält als Menschenrechte, dem ist tatsächlich seine eigene Bequemlichkeit wichtiger als das Leben seiner Mitmenschen. Während George Orwell, dieser angebliche Held der Linken, noch im spanischen Bürgerkrieg gegen die Faschisten kämpfte, während Tom Paine und der Marquis de La Fayette noch in zwei Revolutionen, der amerikanischen und der französischen, für die Menschenrechte eintraten, kämpfen ihre Erben nur noch in einer: Der Revolution zur Verteidigung der Tyrannei durch aktives Nichtstun.
Die Fackel der Aufklärung
Aus der säkularen Tradition sind kulturelle und intellektuelle Leistungen hervorgegangen, die ihrer theistischen Konkurrenz weit überlegen sind. Ohne sie gäbe es keine Philosophie, keine Wissenschaft und nur eine sehr verarmte Kunst, die im Dienste des Aberglaubens steht. Die Alternative zur Aufklärung findet man in den ersten tausend Jahren christlicher Herrschaft, als Theater verboten war, als die Werke der Philosophen zensiert und Denker verbrannt wurden. Man findet sie im heutigen Iran, in Saudi Arabien, Pakistan, Nordkorea und in anderen, aus Sicht der relativistischen Linken, paradiesischen Urlaubsorten.
Wenn wir uns darüber klar werden, was es eigentlich heißt, das Erbe der Aufklärung zu verwalten, erst dann können wir unsere Positionen aufrecht und überzeugend vertreten. So lange wir uns noch für Dawkins und Hitchens entschuldigen, theistische Propaganda verinnerlichen und dem Unrecht mit Gleichgültigkeit begegnen, so lange haben wir es nicht verdient, von der breiten Öffentlichkeit ernst genommen zu werden.
Andreas Müller
Hinweis: Im Anhang befindet sich eine Liste mit Literaturhinweisen, Webempfehlungen und Videos zum Thema Irak-Krieg aus Sicht der „Pro War Left“.
Die Neuen Atheisten
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