Rechtswidrige Intensivbehandlung

BERLIN. (hpd) In einer heute veröffentlichten Presseerklärung hat die „Bundeszentrale Patientenverfügung“ des Humanistischen Verbandes unter Berufung auf die hiesige Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen die Berliner Ärztekammer erhoben, mitverantwortlich zu sein für rechtswidrige Intensivbehandlung entgegen dem Patientenwillen.

 

Das Verhalten des Oberarztes Dr. K. ist als vorsätzliche Körperverletzung zu werten, weil er eine begonnene künstliche Beatmung und Ernährung entgegen einer Patientenverfügung nicht abgebrochen hat. Dies geht aus einer Sachentscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft hervor, die dem Humanistischen Verband Deutschlands vorliegt. Entscheidende Mitschuld trifft danach die Berliner Ärztekammer, die im § 16 ihrer Berufsordnung bis heute Patientenverfügungen in bestimmten Situationen für „unbeachtlich“ erklärt. Anzeige erstattet hatte die Witwe des auf einer Intensivstation der Charité in Berlin-Mitte verstorbenen Günter Marquardt.

Der nierenkranke Patient hatte in einer Patientenverfügung festgelegt, dass Dialyse, Beatmung sowie künstliche Ernährung nicht länger erlaubt sind. Als sich sein Zustand nach einem Eingriff zunehmend verschlechterte und ihr Mann bewusstlos blieb, legte die bevollmächtigte Ehefrau Monika Marquardt die Patientenverfügung vor. Sie erwartete, dass man ihn nun friedlich sterben lassen würde.

Der verantwortliche Arzt Dr. K. weigerte sich jedoch, dem nachzukommen. „Mir wurde das Wort `Euthanasie´ an den Kopf geworden und der Hinweis, `man sei hier doch nicht in Holland´“, berichtet die Ehefrau. Es folgten jahrelange zermürbende zivilrechtliche Verfahren und Ermittlungen.

Nun stellt die Staatsanwaltschaft Berlin in einer Entscheidung vom 20. September 2008 fest: Der Arzt sei „verpflichtet gewesen … das Sterben des Patienten zu ermöglichen.“ Allerdings werde auf eine Anklage verzichtet. Zur Entlastung führe der Umstand, so die Berliner Staatsanwaltschaft, dass die „seitens der Ärztekammer Berlin verabschiedete Berufsordnung diverse Unklarheiten“ schafft.
RA Dieter Graefe, der die Mandantin Marquardt vertritt, kommentiert: „Die Staatsanwaltschaft hat klargestellt, dass ein Arzt, wenn er einen Patienten gegen dessen Willen behandelt, eine Straftat begeht, nämlich gefährliche Körperverletzung. Dies gilt selbst dann, wenn der Patient nicht schwer krank wäre. Ärzte, welche demgegenüber die Berufsordnung der Berliner Ärztekammer umsetzen, verletzen dieses Patientenrecht.“

Dr. Horst Groschopp, Präsident des HVD, hält das für skandalös: „Die Behauptung von hochrangigen Vertretern der Ärzteschaft, es bedürfe keiner gesetzlichen Klarstellung zur Patientenverfügung, erscheint dadurch in neuem, sehr fragwürdigem Licht“.

Zur Fallgeschichte siehe hier.
Kontakt RA Dieter Graefe: 030 318675-43

Gita Neumann