MIZ 4/08 erschienen

ASCHAFFENBURG (hpd) Gleich zu Beginn des Darwin-Jahres ist Heft 4/08 der MIZ erschienen; namhafte Autoren stellen den Begründer der Evolutionstheorie vor, wenden deren Instrumentarium auf gesellschaftlich relevante Frage an und erörtern deren theoretische Reichweite.

 

Dabei geht es auch, wie Christoph Lammers im Editorial zeigt, um die Frage, wie die Deutungshoheit des rationalen Weltbildes verteidigt werden kann.

Evolutionäre Perspektiven

Im Darwin-Schwerpunkt wenden sich die Autoren Themen zu, die im Allgemeinen nicht unbedingt im Kompetenzbereich der Evolutionstheorie gesehen werden. Doch bereits die relativ kurzen Aufsätze deuten an, dass in der Evolutionstheorie mehr Potential liegt, als nur die Entwicklung des Lebens zu erklären.

Ulrich Frey und Eckart Voland erörtern der evolutionären Nutzen der Religiosität, stellen sich also der Frage, ob die Evolutionstheorie die Entstehung und vor allem das andauernde Bestehen von Religionen plausibel machen kann. Tatsächlich können die beiden Philosophen zeigen, dass Religionen historisch gesehen Lösungen für bestimmte soziale Probleme (Gruppenzusammenhalt, kooperatives Verhalten, Bestrafung von abweichendem Verhalten) anbieten konnten - und insofern Vorteile für das betreffende Gemeinwesen mit sich brachten.

Der bekannte Primatologe Volker Sommer befasst sich mit dem „Sinn und Unsinn des Leidens". Die Natur, so stellt er fest, sei grundsätzlich weder gut noch grausam - gleichwohl Lebewesen leiden (und Menschen, wenn sie Zeugen solcher Situationen werden, Mitleid empfinden). Erst die Menschen versuchen, das Leid, vor allem, wenn es offensichtlich „ungerecht" erscheint, in einen Sinnzusammenhang einzuordnen (z.B. über die Karmalehre). Für Sommer ein sinnloses Unterfangen: „Auf die Frage, ‘warum' ein Schulbus die Böschung hinunterstürzte, muss es somit gar keine Antwort geben, die Sinn hat. Im Universum geschieht andauernd alles Mögliche, das keinerlei tieferen Grund hat, außer dass es unter den gegebenen Rahmenbedingungen geschehen kann. Und so ist es nur wahrscheinlich, dass Dinge passieren, die von uns als Tragödien empfunden werden - und andere, die als glückliche Zufälle einherkommen."

Über das Problem, dass die Evolutionstheorie oft nicht richtig verstanden wird, macht sich Nicole Thies Gedanken. Als Mitorganisatorin des Kongresses ¡Die erschöpfte Theorie? geht es ihr auch darum auszuloten, inwiefern die Evolutionstheorie eine Grundlage für die Zusammenarbeit von Natur- und Geisteswissenschaften sein kann.

Biologiehistoriker Thomas Junker gibt einige Informationen zu Darwins Naturstudien, zur Publikationsgeschichte der „Entstehung der Arten" und der weltanschaulichen Bedeutung seines Werkes.

Dichtung und Wahrheit

Weitere Artikel befassen sich unter anderem mit der Esoterikszene bzw. dem dort gepflegten Umgang mit der Realität. Colin Goldner wirft einen Blick auf die Berichte über tibetische Flüchtlingskinder, wie sie derzeit von der Buchautorin Maria Blumencron in Veranstaltungen im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet werden, und kommt zu dem Ergebnis: „Je näher man hinsieht, desto unglaubwürdiger erscheinen Blumencrons Flüchtlingsgeschichten."

Gunnar Schedel überprüft, was ein Jahr, nachdem die Bundesprüfstelle Schriften von Rudolf Steiner „in Teilen als zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend" eingestuft hat, geschehen ist und kommt zu dem Ergebnis, dass weder der Verlag seine Zusage, eine kommentierte Ausgabe der betreffenden Bücher vorzulegen, bislang eingehalten hat noch die anthroposophische Szene zu einem kritischeren Umgang mit ihrem Gründungsvater gefunden hat.

Roland Ebert gibt einen Überblick über die Einführung des Islamischen Religionsunterrichtes in immer mehr Bundesländern und reflektiert die religionsrechtlichen Folgen.

Klaus Blees stellt mit dem 1998 verstorbenen Paul Tholey einen Pionier der Bewusstseinsforschung vor, der außergewöhnliche Wahrnehmungen wissenschaftlich untersuchte.

Eva-Maria Hesse-Jesch gibt einige Anregungen, was auf die Frage, was unter „Humanismus" heute denn zu verstehen sei, geantwortet werden könnte.

Daneben gibt es Rezensionen, Berichte über säkulare Veranstaltungen, Preisverleihungen und Webseiten sowie die Internationale Rundschau mit einschlägigen Kurzmeldungen aus aller Welt.

Martin Bauer

 

 

Das Magazin ist auch im denkladen erhältlich