Verfassungsbeschwerde gegen BKA- Gesetz

KARLSRUHE. (hu/hpd) Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Prof. Dr. Fredrik Roggan, hat am heutigen Dienstag eine Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz eingereicht.

 

Die Beschwerde richtet sich gegen neue Befugnisse zur Online-Durchsuchung von Computern, zur Telekommunikationsüberwachung und der Rasterfahndung, die der Gesetzgeber dem Bundeskriminalamt im Dezember 2008 eingeräumt hatte.

Beschwerdeführerin in dem Verfahren ist die Journalistin Bettina Winsemann, die bereits mit ihrer Klage gegen die Online-Durchsuchung im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz erfolgreich war und im letzten Jahr das so genannte IT-Grundrecht erstritten hat.

Die neuerliche Verfassungsbeschwerde gegen ein Sicherheitsgesetz der Bundesregierung begründet Fredrik Roggan wie folgt: "Das im Dezember verabschiedete BKA-Gesetz geht in vielen Überwachungsbefugnissen über das hinaus, was das Bundesverfassungsgericht unter freiheitlichen Gesichtspunkten gerade noch als zulässig einstuft." Der Gesetzgeber könne sich dabei nicht auf Unkenntnis berufen, alle in der Beschwerde vorgetragenen Kritiken wurden bereits in der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs von Sachverständigen vorgetragen. "Es ist schon bemerkenswert, wie sich der Gesetzgeber immer wieder vorsätzlich über die Maßgaben aus Karlsruhe hinwegsetzt und versucht, verfassungsrechtliche Grenzen der Überwachung seiner Bürger zu umgehen. Das ist deswegen so bedenklich, da die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts den Gesetzgeber binden."

Nur bei existentiellen Notlagen...

Nach dem Wortlaut des jetzt angegriffenen Gesetzes sei die Online-Durchsuchung unter bestimmten Umständen bereits zulässig, wenn eine einfache Körperverletzung drohe, so Roggan. Die Karlsruher Richter hatten in ihrer Grundsatzentscheidung vom 27.2.2008 jedoch erklärt, dass Eingriffe in die digitale Privatsphäre nur zulässig sind, wenn existentielle Notlagen bestehen. Überdies gewährleiste das jetzt beschlossene Verfahren der Online-Durchsuchung keinen ausreichenden Schutz der Intimsphäre, des so genannten Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

In der Kritik stehen auch die verfassungswidrigen Regeln der Telekommunikationsüberwachung und der Rasterfahndungen: "Das Verfassungsgericht hat bereits 2006 ausdrücklich entschieden, dass Rasterfahndungen nur eingesetzt werden dürfen, um damit konkrete Gefahren abzuwehren. Im neuen BKA-Gesetz hat sich der Gesetzgeber über diese Vorgabe einfach hinweg gesetzt, indem er schlicht den gängigen Gefahrenbegriff umdefinierte. Diese abenteuerliche Gesetzgebung wollen wir mit unserer Verfassungsbeschwerde wieder auf den Boden des Grundgesetzes zurückholen."

Sven Lüders

Weiterführende Informationen zum Gesetzgebungsverfahren der Reform des Bundeskriminalamts und der Stellungnahme der Humanistischen Union.

Informationen zur Diskussion um heimliche Online-Durchsuchungen von Computern, die Verfassungsbeschwerde gegen das Verfassungsschutzgesetz von NRW und das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.