Ein Präsident als Jubilar

BERLIN. (hpd) Der Präsident des Humanistischen Verbandes (HVD) Dr. Horst Groschopp wurde 60 Jahre alt und sein Verband richtete ihm eine Geburtstagsfeier aus, zu der Viele kamen, um ihm zu gratulieren.

Das Stimmengewirr wies den Nachzüglern den Weg, sie hätten auch den aufgetragenen Platten des Büffets folgen können, die dadurch bereits bedeuteten, dass es etwas zu Feiern galt. Am Sonntag war Horst Groschopp 60 Jahre alt geworden, hatte den runden Geburtstag im Kreis seiner Familie und Freunde gefeiert und nach weiteren Feiern am Anfang der Woche war nun gestern, am vergangenen Donnerstag, sein Verband darauf vorbereitet, dem Präsidenten mit vielen Blumen, reichlich Glückwünschen und Tröstungen zu bedenken und darauf anzustoßen, dass es ihm weiter gut gehe.

Die Geburtstagsrede, vielleicht kann man auch von einer Laudatio sprechen, denn es galt auch eine berufliche und politische Leistung zu würdigen, hielt Prof. Dr. Frieder Otto Wolf, der im Namen des Humanistischen Verbandes, der Humanistischen Akademie und des KORSO gleich ein Bündel Glückwünsche überbrachte, denn an der Schaffung aller drei Organisationen hatte der Jubilar wesentliche Anteile.

„Ich wurde gebeten, eine launige Rede zu halten", begann Frieder Otto Wolf, blickte von seinem Spickzettel auf und meinte: „ich sollte aber doch wohl etwas mehr sagen, als nur launig zu reden und will versuchen, die Hintergründe unserer Begegnung zu reflektieren." Seit zehn Jahren würden sie nun bereits zusammenarbeiten und hätten dabei schon einiges bewegt. „Das erste, was dabei zu nennen ist, wäre, dass mit Horst der Humanistische Verband ein echtes Ost-West-Projekt geworden ist, denn bis dahin war es ein reines West-Projekt, was sich dann mit seiner tatkräftigen Unterstützung nach Osten ausgedehnt hat." Im Unterschied zu sich selbst sei Horst Groschopp ein wirklicher Dissident in der DDR gewesen, nicht als Anhänger von westlichen Ideen, sondern als jemand, der sich im Rahmen der Traditionen seine eigenen Gedanken machte. Diese Begegnungen seien für ihn, Frieder Otto Wolf, wertvoll gewesen und er, und alle hätten davon gelernt und profitiert. Mit Dietrich Mühlberg, der ebenfalls anwesend war, stehe ein geistiges Zentrum unter den Anwesenden, von dem Horst Groschopp stets sagen würde: ‚Alles was ich weiß, habe ich von ihm gelernt'.

„Man muss sich in der Rückbetrachtung auch immer klar sein müssen, das der offizielle Marxismus kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems gewesen sei, und das haben wir" - damit verwies Frieder Otto Wolf auf die Erfahrungen im Westen wie im Osten -, „in unterschiedlicher Weise erfahren und versucht, einen Pfad zu finden, der aus dieser Krise herausführt." Auch wenn die verwestlichte Humboldt-Universität Horst Groschopp die akademische Weiterentwicklung dieses Pfades verwehrt habe, so habe er dennoch auch weiterhin ganz wesentliche Impulse geben können. Und, man müsse bedenken, so Frieder Otto Wolf, es seien sich ein Kulturwissenschaftler und ein Philosoph begegnet und ins Gespräch gekommen, die häufig Sphären voneinander trennen würden. Während der Philosoph eher dazu neige, sich aus den Bindungen kultureller Bedingtheiten herauszulösen, würde der Kulturwissenschaftler sich von der Verselbständigung der Philosophie absetzen und in die gelebte kulturelle Praxis versenken. Gerade in diesem Spannungsverhältnis und angesichts der Tatsache, dass auch der Humanismus Bestandteil der Krise des 20. Jahrhunderts gewesen sei, war es möglich, und ist es weiterhin die Aufgabe, einen praktischen Humanismus zu finden und zu denken.

Die Neubegründung eines praktischen Humanismus sei, zumindest in Berlin und in Nürnberg, gut verankert, aber es stehe nun an, es entsprechend zu durchdenken, organisatorisch zu konsolidieren und auf ganz Deutschland auszuweiten. „Das Verhältnis von Freidenkerei und Säkularität ist angesichts des vielen historischen Schrotts, mit dem wir auf diesem Feld belastet sind, weiter zu entwickeln. Hierzu hat die Sichtungskommission ganz wesentliche Arbeit geleistet, und diese Arbeit ist fortzusetzen."

Frieder Otto Wolf verwies auf die noch zu bewältigenden europäischen Dimensionen und auf die Aufgabe, das Feld an die nachfolgenden Generationen zu übergeben. Die Anfänge dafür seien bereits gemacht.

Der Jubilar zeigte sich beeindruckt von den vielen Glückwünschen, legte sorgfältig die Blumen wie die Geschenke auf einen Seitentisch und zog verschmitzt lächelnd ein Blatt Papier aus der Jackentasche: „Die Gelegenheit kann ich mir ja nicht entgehen lassen, ein paar Sätze zu sagen. Es ist euch zwar gut gelungen, etwas an mir vorbei zu organisieren und mich zu überraschen, aber, wie ihr mich ja kennt, wisst ihr, dass ich mich auf derartige Notlagen sicherheitshalber auch vorbereite." Da man nicht bei einer Andacht sei, sondern auf einer politischen Veranstaltung für einen Funktionsträger, dankte Horst Groschopp insbesondere seinen Mitarbeitern, schilderte launig etwas von ihrem Arbeitsalltag, und bemerkte nicht ohne Stolz, dass der Verband wohl noch in diesem Jahr einen Erfolg seiner Arbeit erleben würde, die Verabschiedung eines Gesetzes zur Patientenverfügung. Auch weitere politische Auseinandersetzungen würden bevorstehen und er sei zuversichtlich: „Vernunft, Wahrheit und Aufklärung werden sich durchsetzen."

Damit wurde das Büffet eröffnet und es dauerte noch gut eine Stunde, bis die Plaudernden, die sich immer wieder neu gruppierten, dann allmählich ein Ende fanden und der Tagungsraum wieder als solcher hergerichtet werden konnte.

CF.