BERLIN. (hpd) Heute haben sich die Vertreter der Bundesregierung, der Fachverbände, der Träger und der ehemaligen Heimkinder zur 1. konstituierenden Sitzung des Runden Tisches „Heimerziehung in den 50er/60er Jahren" zusammengesetzt.
Die Vertreter des Bundesfamilien- und des Bundesjustizministeriums, die Beauftragten mehrerer Verbände der Jugendhilfe, die Vorsitzenden des Vereins ehemaliger Heimkinder, die Beauftragten von Landesjugendämtern, von Caritas und Diakonie, der Evangelischen Kirche und der Deutschen Bischofskonferenz hatten sich entsprechend der Empfehlung des Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vom November 2008 zum ersten Mal zu einem Runden Tisch zusammengefunden.
Die Moderatorin dieses nationalen Rundes Tisches hat die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin und Abgeordnete der Bündnis/Grüne, Antje Vollmer. Die Geschäftsführung ist der Arbeitsgemeinschaft für Kinder und Jugendhilfe (AGJ) übertragen worden.
Der Zeitplan
Der Runde Tisch wird alle zwei Monate für zwei Tage zusammentreten. Anfang 2010 soll ein Zwischenbericht vorliegen, Ende 2010 ein Abschlussbericht. Zunächst will der Runde Tisch die Erfahrungen der Betroffenen aufarbeiten, anschließend die rechtlichen Verantwortlichkeiten klären und schließlich die Fälle zeitgeschichtlich einordnen.
Für diese Aufarbeitung ist besonders die Bereitschaft der beiden Kirchen von Bedeutung. Auch wenn es Heime in staatlicher Trägerschaft gab, so waren 80 % der damaligen Heime in kirchlicher Trägerschaft.
Hans-Ulrich Anke, Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD und Leiter der Hauptabteilung Recht und Finanzen, zeigte neben seiner Betroffenheit ein großes Interesse an der Aufklärung des Themas und hofft, dass ein „Zeichen der Versöhnung" gesetzt werden könne. Die Akten aus der damaligen Zeit würden zur Aufarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Johannes Stücker-Brüning, vom Referat Caritative Fragen des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz, zeigte sich „ergebnisoffen".
Wahrheitskommission
Die Moderatorin des Rundes Tisches, Antje Vollmer, hatte bereits im Dezember 2008 ein „Grußwort an die Heimkinder" veröffentlicht:
„Mit dem Runden Tisch über das Schicksal der ehemaligen Heimkinder in den 50erund 60er Jahren haben wir uns viel vorgenommen. Viele müssen an diesem Gespräch am Runden Tisch teilnehmen, wenn es zu einem guten Ergebnis kommen soll. Was wir vorhaben, ist so etwas wie eine kleine Wahrheitskommission, dafür braucht es Offenheit von allen Seiten, aber auch die Bereitschaft, erfahrenes Unrecht endlich zur Kenntnis zu nehmen. In vier Schritten wird diese Wahrheitskommission arbeiten:
1. wird sie dem Schicksal der ehemaligen Heimkinder sehr genau und ausführlich zuhören müssen.
2. muss sie diese bitteren Erfahrungen einordnen in die damalige Zeit. Deswegen brauchen wir auch das Studium von Quellen und die Hilfe von Wissenschaftlern.
3. müssen wir gemeinsam zu einer Bewertung des erfahrenen Unrechts kommen und
4. müssen wir am Ende Lösungsvorschläge erarbeiten, die auch heute noch möglich sind.
Ich habe die schwere aber wichtige Aufgabe übertragen bekommen, den Runden Tisch zu moderieren. Ich werde nach Kräften versuchen, dass wir im vorgesehenen Zeitraum von zwei Jahren zu einem Ergebnis kommen, soweit das menschenmöglich ist.
Antje Vollmer Dezember 2008"
Insbesondere die Forderungen der ehemaligen Heimkinder nach Schaffung eines Entschädigungsfonds waren im Vorfeld der Zusammenkunft strittig gewesen, stehen jetzt aber wieder auf der Tagesordnung. Es wird sich zeigen, inwieweit die damaligen Träger bereit sind, sich mit den seinerzeitigen Menschenrechtsverletzungen auseinanderzusetzen.
CF.
Fotos © Evelin Frerk