(hpd) Zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften besteht nach Auffassung Vieler immer noch ein tiefer Graben, obwohl
die in den letzten Jahren auszumachende Überwindung des Geist-Körper-Dualismus die Möglichkeit von dessen Überwindung anzeigt. In diese Richtung argumentiert auch der Philosoph Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano Bruno-Stiftung, in seiner Broschüre „Auf dem Weg zur Einheit des Wissens. Die Evolution der Evolutionstheorie und die Gefahren von Biologismus und Kulturismus". Wie deren Untertitel verrät, sieht der Autor in Evolutionslehre und Soziobiologie die Bestandteile einer solchen integrativen und transdisziplinären Perspektive, ohne aber damit einen Vorrang der Naturwissenschaften über die Geistes- und Sozialwissenschaften zu behaupten. Vielmehr betont Schmidt-Salomon die gegenseitige Bereicherung durch Lernprozesse in beiden Wissenschaftsdisziplinen.
Seine Darstellung setzt mit einer kurzen Geschichte der Evolutionstheorie ein, wobei die Entwicklung von Lamarck und Darwin bis zur Synthetischen Evolutionstheorie und der Soziologie komprimiert nachgezeichnet wird. Dem folgt eine Abgrenzung von und Kritik am Biologismus, welcher sich früher im Sozialdarwinismus und gegenwärtig in einem DNA-Fundamentalismus äußere. Gleichzeitig wendet sich Schmidt-Salomon auch gegen den Kulturismus, blende er doch die biologische Bedingtheit menschlichen Sozialverhaltens aus. Im Unterschied zu den Auffassungen von dessen Anhängern gebe es auch keinen Gegensatz von Humanismus und Naturalismus, vielmehr könnten beide in der Theorie eines evolutionären Humanismus integriert werden. Dessen Grundzüge skizziert der Autor gegen Ende des Textes als moderne Synthese von Geistes- und Naturwissenschaften.
Gut verständlich, problemorientiert ausgerichtet und anschaulich geschrieben liefert der Text von Schmidt-Salomon einen beachtenswerten Beitrag zum Thema. Deutlich hebt er dabei hervor, dass die Absolutsetzung biologischer Einflüsse auf das Handeln des Menschen in Gestalt von Rassismus und Sozialdarwinismus entgegen manchen Unterstellungen nichts mit Evolutionstheorie und Soziobiologie zu tun hat. Indessen scheint der Autor aber insgesamt den Einfluss der Biologie auf menschliches Sozialverhalten zu hoch einzuschätzen, was sich etwa anhand der Ausführungen zur Bedeutung des Wunsches nach Weitergabe der eigenen Gene zeigt.
„Auf dem Weg zur Einheit des Wissens" ist die erste Broschüre einer neuen Schriftenreihe der Giordano Bruno-Stiftung. Man darf gespannt auf die Folgebände sein. Sie verdienen sicherlich ebenso wie Schmidt-Salomons Text kritische Aufmerksamkeit.
Armin Pfahl-Traughber
Michael Schmidt-Salomon, Auf dem Weg zur Einheit des Wissens. Die Evolution der Evolutionstheorie und die Gefahren von Biologismus und Kulturismus (Schriftenreihe der Giordano Bruno-Stiftung, Bd. 1), Aschaffenburg 2007 (Alibri-Verlag), 46 S., 5 €.