Kirchenaustritt kostenlos

HATTINGEN. (hpd/ibka) Ende April traten fünf Schüler bei der Kirchenaustrittstelle im Hattinger Amtsgericht aus der Kirche aus, ohne die in NRW regelmäßig anfallenden € 30 zahlen zu müssen.

Im August 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht über eine vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA) unterstützte Verfassungsbeschwerde gegen die Kirchenaustrittsgebühr.

Das Gericht nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an, stellt aber klar, dass „ … in bestimmten Fällen von ihrer Erhebung abgesehen werden kann … “

Diese „bestimmten Fälle“ ergeben sich aus § 1 Abs. 1 des Justizverwaltungskostengesetzes (JVKostG) (1) in Verbindung mit § 8 Abs. 2 (2) und § 12 (3) der Justizverwaltungskostenordnung (JVKostO).

Ebenfalls im August 2008 fragte der IBKA-NRW den Staatssekretär Jan Söffing im NRW Justizministerium, wie beispielsweise ein religionsmündiger Schüler belegt, dass er über keine Einkünfte verfügt?

Das Justizministerium antwortete: „Die Entscheidung über eine Gebührenermäßigung oder einen Gebührenerlass treffen die Gerichte aufgrund des ihnen vorgetragenen Sachverhalts. Mir wie auch anderen staatlichen Stellen ist es verwehrt, gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen, abzuändern oder aufzuheben. In dem genannten Beispielfall würde ein Nachweis durch Vorlage von Belegen nach meiner Einschätzung jedoch nicht gefordert werden.“

Nach mehreren Anfragen per eMail sicherte die im Amtsgericht Hattingen für die Kirchenaustritte zuständige Rechtspflegerin telefonisch zu, religionsmündigen Schülern ohne eigenes Einkommen werde die Austrittsgebühr dort regelmäßig erlassen. Es müssten hierüber auch keinerlei Nachweise beigebracht werden.

Ende April 2009 war es dann soweit: Fünf Hattinger Schüler machten sich auf den Weg zum Amtsgericht, und tatsächlich ging der Kirchenaustritt wie geplant gebührenfrei über die Bühne.

Die Strategie der Fünf hat sich ausgezahlt. Da sie sich vorab gründlich informierten, blieb ihnen ein spürbarer Einschnitt ins Taschengeld erspart.

Rainer Ponitka

Anmerkungen:
(1) Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung (Justizverwaltungskostengesetz - JVKostG) § 1 JVKostG (Gesetz) - Landesrecht Nordrhein-Westfalen
(1) In Justizverwaltungsangelegenheiten erheben die Justizbehörden des Landes Kosten (Gebühren und Auslagen) nach dem Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung (JVKostO) in der jeweils für die Justizbehörden des Bundes geltenden Fassung. Hiervon ausgenommen sind § 4 Abs. 3 JVKostO und § 4 Abs. 4 und 5 JVKostO, soweit diese auf § 4 Abs. 3 JVKostO Bezug nehmen.

(2) Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung (Justizverwaltungskostenordnung - JVKostO) § 8 JVKostO (Gesetz)
(2) Die sonstigen Vorschriften, durch die eine sachliche oder persönliche Kostenfreiheit gewährt wird, bleiben unberührt.

(3) Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung (Justizverwaltungskostenordnung - JVKostO) § 12 JVKostO (Gesetz)
Die Behörde kann ausnahmsweise, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten erscheint, die Gebühren unter die Sätze des Gebührenverzeichnisses ermäßigen oder von der Erhebung der Kosten absehen.