Meinungsfreiheit und Markenrechte

HANNOVER / TUTZING / MAINZ. Es könnte ein bemerkenswertes Ereignis sein,

wenn eine große Fernsehanstalt in Deutschland, die sich sehr für die Pressefreiheit engagiert und noch im Oktober titelte: <„Pressefreiheit in Gefahr">, einer Internet-Zeitschrift einen Beitrag verbietet und damit deren Presse- und Meinungsfreiheit leugnet. So geschehen.

Aus heiterem Himmel erhielten die Redakteure des <Internetportals SoPos.org> das Schreiben einer Anwältin aus Tutzing, die sich auf die „Verwendung des ZDF-Logo und Bezugnahme auf die Werbekampagne des ZDF ‚Unsere Besten' im Internet" bezog. Ordnungsgemäße Bevollmächtigung wurde anwaltlich versichert und dann auf den „Tatbestand" verwiesen: „Meine Mandantin hat erfahren, dass Sie folgende Abbildung auf Ihrer Internetseite u.a. als E-Card verwenden." (Es folgt die Abbildung einer Internetseite).
Dann wurden die Zuschauermarktanteile der Sendereihe aufgelistet: „zwischen 14 und fast 24 Prozent". Weitere Sendungen seien in Planung und das ZDF veranstalte eine „umfangreiche bundesweite Werbekampagne".
Daraus wurde gefolgert: „Aufgrund des übergroßen Publikumserfolgs genießt meine Mandantin einen umfassenden Schutz an dem Titel ‚Unsere Besten' gemäß §§ 5 Abs.3, 15 Abs.2, 2 MarkenG, wenn nicht sogar den Schutz einer bekannten geschäftlichen Bezeichnung nach §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 3 MarkenG.".
Anschließend wurde geschrieben: „Die Abbildung auf Ihrer Internetseite lehnt sich an die Werbekampagne des ZDF an und verunglimpft diese in unzulässiger Weise. Damit verletzten Sie die älteren Rechte an der geschützten Bezeichnung meiner Mandantin und verstoßen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb."
Des Weiteren wurden genannt: „Aufmerksamkeitsausbeutung", „urheberrechtliche Aspekte", „vorsätzliche Rechtsverletzung", „Schadenersatzansprüche", „Abgabe einer Unterlassungserklärung", damit eine „Wiederholungsgefahr beseitigt wird.".

In der „Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung" gegenüber dem ZDF verpflichten sich die Angeschriebenen gesamtschuldnerisch „es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr und im Internet die Bezeichnung „ZDF - Unsere Besten" bzw. „ZDF" in jeder Schreibweise und Darstellungsform zu verwenden und/oder verwenden zu lassen." Die E-Card nicht mehr zu veröffentlichen, dem ZDF sämtlichen Schaden zu ersetzen und die "entstandenen Kosten gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz aus einem Streitwert von € 100.000 zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer zu ersetzen."

 

Der Streitwert ist ungewöhnlich hoch und zudem haben die "Abgemahnten" keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Aber der Eindruck, dass hier eine Anwältin auf der schamlosen <Abmahnungs-Welle im Internet> mitschwimmen will, oder ein <Abmahnungsmissbrauch> vorliegt, trifft erst einmal nicht zu.

 

Auf Anfrage beim ZDF, ob die Anwältin im Sinne und Auftrag des ZDF gehandelt habe, antwortet das Justitiat lapidar: „Ihre Information ist richtig. Das ZDF ist in diesem Fall gegen eine nicht genehmigte Markennutzung vorgegangen."

 

Eine weitere (schriftlich zu stellende) Anfrage bei der Anwältin lautete: „Unseres Erachtens ist in diesem Fall das Markenrecht mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit einer Satire kollidiert und so ist die Frage, ob Ihnen bei der Forderung (und Durchsetzung) der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gegen SoPos dieser Aspekt bewusst war – gerade im Falle eines öffentlich-rechtlichen Mediums wie dem ZDF, das selber sehr die Meinungsfreiheit verteidigt – und welche Güterabwägung Sie veranlasst hat, das Markenrecht als vorrangig zu bewerten."
Als Antwort kam folgendes kurze Schreiben:
„Wie ich von meiner Mandantin erfahren habe, sind Sie auch schon dort vorstellig geworden, so dass ich nichts weiteres ausführen muss. Auch eine Satire darf eben nicht alles. Sie können aber sicher sein, dass wir eine umfassende Abwägung der gegenseitigen Interessen vor Abfassung der Abmahnung vorgenommen haben."

 

Die Grenzen der Meinungs- und Pressefreiheit entscheidet also das Justitiat des ZDF auf dem Lerchenberg für und durch sich selbst.
Im „Wilden Westen" der USA gab es seinerzeit ein ähnliches Prinzip der Rechtssetzung, bei dem sich die „Kleinen" auch nicht gegen die „Großen" zur Wehr setzen konnten. Allerdings wird heute nicht mehr mit dem Strick gearbeitet, sondern mit der finanziellen Bedrückung, da Privatpersonen normalerweise nicht in der Lage sind, einen Prozess mit einem Streitwert von € 100.000 finanziell durchzustehen - auch wenn sie letztendlich Recht bekommen würden.

 

Das Internet hat nun allerdings ein frei zugängliches ‚Gedächtnis' und wenn man sich eine Meinung über die Qualität eines nicht mehr gezeigten Beitrages bilden will, kann man dieses riesige <Archiv des Internets> anwählen und erhält dann die nach Jahren und Monaten aufgelisteten, also auch die früheren Versionen einer vielleicht gesuchten <Internetseite>, bei der man beispielsweise unter Anklicken der Ausgabe vom Januar 2004 und dort bei „Satiren" eine gesuchte Abbildung finden kann.

 

Die Begründung für das Satire-Bild – das bereits seit knapp drei Jahren im Netz zu sehen war – wird nicht „abgewogen".
Die Abbildung selbst: Unter Verwendung eines kleinen ZDF-Logos wird statt des Konterfeis Konrad Adenauers oder Mozarts ein Bild vom Reichsparteitag der Nazis in Nürnberg gezeigt, das mit der Unterschrift versehen ist: "Ohne das Zweite sieht man besser, warum es ohne Deutschland besser ist. Die Patrioten-Show: Die größten Deutschen - Mozart & Co."

Marcus Hawel, Redakteur des Online-Magazins, erläutert: "Das ZDF stellt mit der Sendung eine positive Kontinuität einer deutschen Nation her, in der die Zeit des Nationalsozialismus nur als Betriebsunfall erscheint. Hier wird eine neue Normalität der deutschen Nation konstruiert, die die Lehren der deutschen Geschichte vergisst." Die Sendung ist auch dafür in die Kritik geraten, dass ausgerechnet europäische Geistesgrößen wie die Österreicher Wolfgang Amadeus Mozart und Sigmund Freud, der Elsässer Albert Schweitzer sowie der im polnischen Toruñ geborene Nikolaus Kopernikus, um dessen nationale Zugehörigkeit schon im 19. Jahrhundert gestritten wurde, für "Deutschland" vereinnahmt werden. "Das ZDF erträumt sich offenbar noch heute einen großdeutschen Kulturraum von der Maas bis an die Memel, den es historisch nicht gegeben hat und dessen versuchte Zusammenfassung im nationalen Rahmen so viel Schrecken über die Welt gebracht hat. Der Albtraum von einem Großdeutschland, wie ihn die Nationalsozialisten geträumt haben", so Hawel weiter, "gehört ein für alle Male der Vergangenheit an."

 

Die Meinungsfreiheit schützt denjenigen, der eine ‚missliebige' Meinung äußert, nicht den Persiflierten, der das vielleicht nicht lustig findet. Für die Güterabwägung hat der Betroffene bisher den korrekten Rechtsweg der gerichtlichen Klärung als Kläger zu wählen.

 

Aber mit der Pressefreiheit ist es anscheinend etwas Vielschichtiges. Am gleichen Tag (20.11.2006), als die „Abmahnung" formuliert wurde, lobte das ZDF in einem Beitrag zum 50-jährigen Bestehen des Deutschen Presserates dessen <Engagement für die Pressefreiheit>.

Und hatten nicht vor genau einem Jahr – bei einer Podiumsdiskussion im ZDF – Politiker und BKA die Frage diskutiert: <„Reicht der Schutz der Pressefreiheit?">

Eine Real-Satire?

Carsten Frerk