Nieder mit dem Diktator!

KÖLN. (hpd) Erleben wir derzeit den Anfang vom Ende des islamischen Regimes im Iran? Ein Interview mit der Exil-Iranerin und Vorsitzenden des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland, Mina Ahadi, zur gegenwärtigen Situation in ihrem Heimatland.

hpd: Wie lauten die letzten Nachrichten aus dem Iran?

Mina Ahadi: Seit 13 Tagen sind Millionen Menschen auf den Straßen Irans. Vor allem in Teheran sind sehr viele aktiv – die Unruhen haben in der Hauptstadt angefangen. Derzeit erhalten wir Nachrichten aus verschiedenen kleinen und großen Städten. Tagsüber demonstrieren die Menschen und nachts protestieren Tausende von den Dächern der Häuser und rufen „Nieder mit dem Diktator!“ Fast jeden Tag finden Auseinandersetzungen der Bevölkerung mit der Polizei und den Revolutionswächtern statt. Bis jetzt wurden mehr als 70 Aktivisten ermordet und Hunderte verletzt. Mehrere Protestler sind festgenommen worden, ihr Verbleib ist ungeklärt.


hpd: Ist das nach Ihrer Einschätzung eine Revolution oder nur ein Aufstand wegen Wahlbetrugs?

Ahadi: Es ist der Beginn einer Revolution! Man muss wissen, dass die Widerstandsbewegung schon lange Zeit vor der Wahl angefangen hat. Diese so genannte Wahl war ja ohnehin eine Farce: Nur vier Männer haben kandidiert, die 24 Jahre zusammen an der Macht waren und für das islamische Regime gearbeitet haben. Mousavi war acht Jahre Premierminister zu einer Zeit, in der ich meinen ersten Mann verlor – er wurde hingerichtet. Tausende wurden damals vom Regime ermordet. Auch gegen mich wurde die Todesstrafe verhängt. Das war Mousavi!

Eine Woche vor der Wahl waren Tausende Jugendliche auf den Straßen. Sie haben die Apartheidsmauer hinter sich gelassen, Frauen und Männer haben zusammen getanzt und protestiert. Nach dieser so genannten Wahl haben die Menschen im Iran den Anlass genutzt und die Proteste erweitert.

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine ernstzunehmende Bewegung gegen das islamische Regime. Es ist ein Protest von Millionen, die die unmenschliche Gesetze, die Brutalität, Armut und Arbeitslosigkeit und alles, was von dieser Regierung kommt, satt haben. Wir wussten schon lange, dass es im Iran gärt. Möglicherweise erleben wir jetzt gerade den Anfang vom Untergang des islamischen Regimes im Iran.

hpd: Wie ist die politische Lage im Moment?

Ahadi: Seit einigen Tagen rufen die Menschen: „Nieder mit Khamenei!“, also mit der Spitze des islamischen Regimes. Khamenei hatte im Freitagsgebet dem Militär grünes Licht gegeben, Demonstranten umzubringen. Daraufhin haben die Menschen gesagt, „Seyyed Ali Pinochet, Iran Chile nemishe“, Iran wird nicht Chile. Auf einigen Demonstrationen haben Frauen ihre Kopftücher weggeworfen, alle reden von Freiheit, von einem besseren Leben. Das sind die Hintergründe des Aufstands.

Innerhalb der Regierung findet derzeit eine große Zerreißprobe statt. Das Hauptproblem besteht zwischen Khamenei und Rafsanjani. Rafsanjani möchte einen Rat und keinen Führer. Er versucht jetzt, diese Forderung durchsetzen. Khamenei ist dagegen und versucht mit allen Mitteln, besonders mit Hilfe des Militärs und den Pasdaran (der iranischen Revolutionsgarde), das zu verhindern. Gestern war die Rede davon, Ahmadinedschad könne sein Amt niederlegen, das sei ein Ausweg. Aber auch das wird dem Regime letztlich nicht helfen…

hpd: Warum?

Ahadi: Ich denke, das Regime befindet sich in einer Sackgasse. So oder so ist die Lage für die Machthaber sehr ernst: Wenn Ahmadinedschad sein Amt niederlegt, hätten wir es mit einem Führer Khamenei zu tun, der aufgegeben hat und schwach ist. Die Menschen würden in einem solchen Fall ganz bestimmt nicht einfach nach Hause gehen und die Todesstrafe und alle Brutalität des Regimes weiter hinnehmen. Doch auch wenn Ahmadinedschad im Amt bleibt, wird diese Bewegung weitergehen und alles unternehmen, um das Regime zu stürzen.

Ich denke, die Bewegung hat bislang schon viel erreicht. Sie hat gezeigt: Iran ist und war niemals ein islamisches Land! Die Iraner haben Ahmadinedschad und seinesgleichen nicht gewählt, sie lebten in einer Diktatur. Im ganzen Land herrscht große Unruhe und Unzufriedenheit mit dem Regime. Die Menschen wollen den religiösen Terror endlich überwinden. Das sind die Zeichen einer neuen Zeit!

hpd: Was können wir in Deutschland für die Menschen im Iran tun?

Ahadi: Im Iran existiert ein barbarisches, islamisches Regime, welches auch in Nahost, namentlich in Palästina, im Libanon und im Irak Einfluss hat. Der libanesische Generalsekretär der Hisbollah, Hasan Nasrallah, hat sich gegen die Demonstrationen ausgesprochen und gesagt, das islamische Regime sei stark, „das ist nicht unser Ende“. Ich hingegen meine, dass jetzt die reale Chance existiert, das Regime im Iran zu stürzen. Damit würden viele islamische Terrororganisationen weltweit geschwächt werden – und das wäre ein wichtiger Sieg für den Humanismus, für Säkularismus und Menschenrechte.

Der Kampf der iranischen Widerstandsbewegung sollte daher unbedingt unterstützt werden. Besonders Humanisten und Säkularisten sollten auf der Seite der iranischen Widerstandsbewegung stehen. Es ist, wie ich weiß, für die Menschen im Iran sehr wichtig zu erfahren, dass es internationale Solidarität gibt.

Was können Sie also tun? Ganz einfach: Beteiligen Sie sich an Demos für einen freien Iran und setzen Sie Ihre Politiker unter Druck, damit diese endlich ihre unsinnige Strategie des „konstruktiven Dialogs“ aufgeben! Wir brauchen eine klare Haltung vonseiten der westlichen Politiker, ein eindeutiges Bekenntnis zu den Werten von Humanismus und Aufklärung! Die Zeit der falschen Kompromisse sollten vorbei sein: Die derzeitigen Machthaber im Iran sind Mörder. Sie gehören ins Gefängnis, nicht an den Verhandlungstisch!

Ich hoffe, dass die Menschen hierzulande begreifen, dass der Befreiungskampf im Iran nicht nur die Iraner betrifft, sondern globale Bedeutung hat. Die Menschen, die im Iran auf die Straße gehen, kämpfen letztlich für unser aller Zukunft! Denn sollte das Regime im Iran wirklich kippen, wäre das ein empfindlicher Schlag gegen den Islamismus weltweit.


Die Fragen stellte Fiona Lorenz