Protest trifft Politik

BERLIN. (hpd) Die Vorstände von CDU und CSU verabschiedeten am Sonntag in Berlin getrennt in großer Gemeinsamkeit das „Regierungsprogramm 2009 – 2013“. Vor dem CDU-Hauptquartier hatten sich Demonstranten gegen die Klimaschutz- und Atompolitik der CDU/CSU postiert.

15:00 Uhr. Der WWF hat sich bereits auf der Brücke des Landwehrkanals gegenüber dem Hauptquartier der Bundes-CDU in Berlin postiert und beklagt, dass die CDU nicht für den Klimaschutz sei.

Rechts vom CDU-Gebäude, vor den nordischen Botschaften, sind zwei LKWs – es ist Sonntag -, vorgefahren und parken mit Sondererlaubnis auf der Busspur. Aus dem einen – unmissverständlich wird es an den T-Shirts der Umherstehenden deutlich, hier ist Greenpeace am Werk -, werden Seile ausgeladen und an dem dahinter stehenden flachen Hänger befestigt. An dem zweiten, roten LKW öffnen sich gleichzeitig die Planen, ein zwei Meter hoher Pferdekopf wird sichtbar, herausgehoben und auf den Rasenstreifen neben der Fahrbahn gestellt.

Die Polizei fährt mit Mannschaftswagen auf, Holzräder, Leitern, Platten werden ausgeladen, dann Gurte verteilt, zum Herausziehen, es wird sichtbar, eines überdimensionierten Pferdekörpers als Holz, auf dessen Flanken groß CDU und darunter CSU zu lesen ist. Diese Großplastik wird mit Gurten und Rollstangen auf den Hänger gezogen, dort fixiert, mehrere Aktivisten heben den Pferdekopf hoch, setzen ihn auf den Korpus, die Rollstangen werden herausgezogen, dann wird an mehreren Stellen verschraubt.

 

 

16:00 Uhr. Als alles fixiert ist, werden aus dem rechts stehenden Container gelbe Fässer herausgebracht, über zwei Leitern hoch zum Pferderist gehoben und in den Bauch der hölzernen Figur versenkt. Die Rucksäcke der vierzig Greenpeace-Freiwilligen werden im Container verstaut und alle nehmen unaufgeregt ihre Positionen ein. Sechzehn tragen acht große gelbe Schilde mit der Aufschrift: „Wer Merkel wählt, wählt Atomkraft“, vier auf jeder Seite des „Trojanischen Pferdes“. Die vier Fahnenträger, zwei vorweg, zwei hinter dem Wagen, stellen die vier Meter langen Fahnenstangen in ihre Tragegurte. Die Zugmannschaft vor der Lafette greift sich die Seile und die Polizei sperrt für den sich nun vorwärts bewegenden Zug drei der vier Fahrbahnspuren.

Der Eingangsbereich des CDU-Hauptquartiers ist mit Absperrgittern umstellt, dahinter eine lockere Linie von PolizistInnen, betont sommerlich, friedlich in grünen T-Shirts und mit schwarzen Baskenmützen. Sicherheitskräfte der CDU schauen prüfend aus den Festern des Gebäudes nach allen Seiten.

Vor dem Eingang der Parteizentrale kommt das „Trojanische Pferd“ zum Stehen. Alles wartet. Das Zugseil, das zum Pferdebauch führt, wird gespannt, die Klappen der Bauchdecke öffnet sich und zwanzig atomgelbe Fässer poltern auf den Boden der Lafette, einige rollen scheppernd auf den Asphalt der Straße.

 

16:30 Uhr. Ihnen stellen sich auf der inneren Seite des Absperrgitters jüngere Männer und Frauen in grünen Hemden entgegen, die zwei Transparente hoch halten: "Klimaschützer für Merkel. Jetzt mitmachen: www.team2009.de ", und „Klimaschützer für Angie“. Was zuerst wie eine gedoppelte Greenpeace-Aktion aussieht – sie tragen die gleichen orangenen T-Shirts wie Greenpeace unter den grünen Pullovern – ist dann: „Wir sind das Original!“ - eine kleine Schar von teAM-CDU-Mitarbeitern. Greenpeace steht draußen, die CDUler gehen hinein, als die Vorsitzende in das Gebäude zur Pressekonferenz einfährt.

Regierungsprogramm der CDU/CSU 2009-2013

17:30 Uhr. Kopierwarme 63 Seiten DIN A4 Regierungsprogramm „Wir haben die Kraft“ sind vor dem Eintreffen der Kanzlerin verteilt worden, die Journalisten witzeln: „Sie kommt erst, wenn alle alles gelesen haben“.

Dann sind die Eckpunkte von Angela Merkel in elf Minuten zügig erläutert: Moderate Steuerentlastungen für den Mittelstand, keine ‚Kalte Progression’, keine Mehrwertsteuererhöhung, eindeutige Koalitionsaussage für schwarz-gelb mit der FDP.

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer betont, man sei in Steuerfragen zwar unterschiedlicher Auffassung, das sei jedoch kein Hinderungsgrund, in der Substanz einig zu sein.

Auf Nachfrage von namentlich aufgerufenen Journalisten freundliches Ausweichen: Warum sind von den zehn CDU-Ministerpräsidenten nur zwei in Berlin? Landespflichten. Gibt es Schlupflöcher bei der Schuldenbremse? Nein, Schuldenbremse ab 2016, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Dann schließlich letzte Frage, Danke, Auf Wiedersehen. Keiner fragte nach denen „da draußen“ vor der Tür.

18:00 Uhr. Dort auf der Straße steht immer noch der stille Protest von Greenpeace-Aktivisten – mit Schildern, Fahnen, „Trojanischem Pferd“ und Atomfässern. Bundeskanzlerin Merkel, auch bekannt dafür, Themen auszusitzen, bekommt zu sehen, dass Greenpeace, bekannt für spektakuläre, waghalsige Aktionen mit massiven Polizeieinsätzen, ein Thema auch still durchstehen kann.

Diese Aktion ist nur eine gegen die Atompolitik der CDU/CSU, denen Greenpeace vorhält, unsichere Kernkraftwerke nicht abzuschalten und die Laufzeiten verlängern zu wollen – so wie es auch im Regierungsprogramm erklärt wird.

Die Pressesprecherin von Greenpeace, Simone Miller, sieht die Nicht-Reaktion auf der Pressekonferenz hinsichtlich der Aktion mit Gelassenheit. „Man rechnet nicht unbedingt mit einer Reaktion. Es ist schön, wenn das gleich aufgegriffen wird, aber im Prinzip sind das die absoluten Highlights, wenn darauf direkt reagiert wird. Seit Tagen stehen andere politische Themen im Mittelpunkt und wir haben einen langen Atem. Klimaschutz ist zu Zeiten der Wirtschaftskrise kein Lieblingsthema der Regierenden.“ „Die Frage des kurzfristigen Erfolgs kann, zumindest in Berlin, kein Thema sein. Jeden Tag sind hier Hunderte von Organisationen und Interessengruppen mit ihren Herzensangelegenheiten unterwegs, die Aufmerksamkeit von Politik und Presse für ihr Anliegen zu bekommen.“ „Unsere Klimaschutzkampagne mit dem Schwerpunktthema „Atomkraft schadet Deutschland“ geht auf jeden Fall weiter.“

Doris George, Bildhauerin aus dem Team um Jacques Tilly, hat die sieben Meter hohe Pferde-Plastik gebaut.

CF

Fotografien (c) Evelin Frerk