Die gedankliche (Er)Schöpfung...

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Christoph Lammers

TRIER. (hpd) ...der Welt durch den Kreationismus. Der Biologiedidaktiker Christoph Lammers referierte an der Trierer Universität über den erstarkenden Einfluss von Kreationisten auf das deutsche Schulwesen.

In diesem Jahr, dem Darwin-Jahr, stellen viele Journalisten Fragen zur Bedeutung der Evolutionstheorie für die (moderne) Biologie. Ein halbes Darwin-Jahr sei nun vorbei, erzählt Lammers, und er sei erschöpft. Denn die Themen, mit denen er konfrontiert werde („Stammt der Mensch wirklich vom Affen ab?“), seien nicht die Themen, mit denen er konfrontiert werden wolle.  Diese folgen aber jetzt.

Schöpfungsvorstellungen sind Bestandteil des Grundmythos’ jeder Religion. Die christliche Religion zeigt dabei zwei Besonderheiten: 1. Gott habe die Welt aus dem Nichts erschaffen und 2. Der Mensch sei Krone dieser Schöpfung.

Der Kreationismus (Kreation = Schöpfung) umfasst, so Lammers, viele Strömungen. In erster Linie findet man ihn in den abrahamitischen Religionen. Seinen Ursprung hatte der Kreationismus im Bible Belt der USA, also in den Staaten Kansas, Missouri, Ohio, Alabama etc. Neunzig Prozent der dort Ansässigen seien Angehörige christlicher Freikirchen, wie zum Beispiel Methodisten oder Evangelikale. Letztere stellen, so Lammers, zugleich die stärkste politische Lobby in den USA und sind überall in der Gesellschaft vertreten. Um eine Art Wissenschaftlichkeit zu suggerieren, wurde im Laufe der Zeit die Vorstellung des Intelligent Designs (ID) entwickelt. Danach soll ein „intelligenter Designer“ (gemeint ist „Gott“) für die Erschaffung der Welt verantwortlich sein.

Permanenter Konflikt

Zwischen zwei Bereichen besteht ein permanenter Konflikt: Auf der einen Seite stehen die Kreationisten mit ihrem religiösen Weltbild, auf der anderen Seite befinden sich die Evolutionstheoretiker, die ein naturalistisches Wissenschaftsdenken pflegen. Religiöse Kreationisten unterstellen den Wissenschaftlern, an Evolution zu „glauben“ und bezeichnen den Ansatz als „Evolutionismus“, mithin als „Ismus“, welcher als „Waffe der Gottesleugnung“ eingesetzt werde und der „verheerende Wirkungen“ unter der Jugend zeitige (so der Kreationist, Prof. Werner Gitt 1993).

Bis ins 18. Jahrhundert glaubten Menschen an die Konstanz der Arten. 1809 formulierte Lamarck die Transformismus-Theorie, nach der die Umwelt die Arten formt. Auf Lamarck folgte Darwin, der als junger Theologe ausgezogen war, um die Bestätigung für das Wirken Gottes zu finden. Stattdessen kam er zum Ergebnis, dass Evolution ein realhistorischer Prozess und damit eine Tatsache ist, und er löste sich vom Glauben an einen übernatürlichen Schöpfer. Der Mensch, folgerte Darwin außerdem, ist nicht Krone der Schöpfung, sondern ein spätes Zufallsprodukt.

Die Evolutionstheorie basiert auf Kausalitäten, erforscht das Wie (den Ablauf) und das Was (die Mechanismen). Man kann daran nicht glauben, meint Lammers, sondern hat dafür Nachweise und Belege – die allerdings von Kreationisten abgelehnt werden! Der Kreationismus hingegen genügt wissenschaftlichen Kriterien nicht, da er weder Hypothesen aufstellt (sondern von absoluten Wahrheiten ausgeht), noch nachvollziehbar ist, noch einen gesellschaftlichen Nutzen erkennen lässt.

Grund für den Evo-Krea-Konflikt können wissenschaftliche Entwicklungen sein, da mittlerweile in verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten originär religiöse Themen aufgegriffen und untersucht werden. Als Beispiele seien genannt: Gibt es eine Seele? Oder: Gibt es den freien Willen?

Erschreckende Zahlen

Erschreckend waren die Zahlen, die Christoph Lammers vorlegte: Achtzehn Prozent der Deutschen sind Kreationisten und achtzehn Prozent glauben nicht an einen gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Affen. Entsprechend sollen ihre Kinder auf evangelikalen deutschen Schulen unterrichtet werden, die sich vor allem an der Bibel orientieren. Des Weiteren, so zum Beispiel in der Georg Müller Schule in Bielefeld, geht es um die Erhaltung der Schöpfung und um eine konstruktive Lernatmosphäre.

Auch der Einfluss kreationistischer Bücher ist nicht zu vernachlässigen. Diese werden zuhauf an Schulen verschenkt, beispielsweise ein Biologiebuch von R. Junker und S. Scherer, welches an seriösen Schulbüchern orientiert ist und sich eines wissenschaftlichen Sprachduktus’ (ID) bedient. Im Vorwort der Ausgabe von 2002 hatte der heutige Thüringer Ministerpräsident Althaus ein positives Vorwort formuliert, welches allerdings bis zur nun 6. Auflage zurückgezogen wurde.

De facto, unterstrich Lammers im abschließenden Plädoyer, seien wir Menschen den Schimpansen genetisch so nahe, dass wir überlegen sollten, ob wir nicht vielmehr eine Gattung bildeten.

Fiona Lorenz