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Mina Ahadi spricht. Foto: privat

Isfahan, Iran. (hpd)  4. Oktober: Eine große Tür öffnet sich im Gefängnis von Isfahan. Gholam-Ali Eskandari und Gilan Mohammadi treten mit einem Lächeln auf den Lippen vor die Tür. Beide waren sechs Jahre im Gefängnis  wegen außerehelichem Sex, beide zur Steinigung verurteilt.

Ich erhalte diese Nachricht zwei Minuten nach der Freilassung der beiden, einer Frau und eines Mannes. Heute sehe ich mich im Spiegel - und ich habe das Gefühl, etwas jünger zu sein als gestern. Was für ein Gefühl das ist, wenn man Erfolg hat und einen oder in diesem Fall sogar gleich zwei Menschen vor der Steinigung retten kann!

Seit sechs Jahren kämpfen wir gemeinsam mit Anwälten und Menschenrechtsorganisationen gegen dieses barbarische Steinigungsurteil im Fall von Gilan Mohammadi und Gholam-Ali Eskandari. Ich war dazu zweimal in London, beide Male zwei Stunden live in einem Programm gegen diese Steinigungsurteile in Isfahan. Das Interesse war groß: Viele Menschen aus dem Iran und vor allem aus Isfahan haben angerufen und über dieses unmenschliche Umgehen mit Menschen gesprochen. 89 Prozent waren gegen Steinigung und als ich drei Tage nach diesem erfolgreichen Programm mit Angehörigen der beiden gesprochen habe, waren sie glücklich. Ein alter Mann sagte mir: „Nach diesen Sendungen sehen uns die Menschen in Isfahan anders an, nicht wie eine schlechte Familie.“

Steinigung ist barbarisch, unmenschlich und muss weltweit verboten werden. Islamische Regierungen und der politische Islam hingegen sehen Steinigung als ein wichtiges Instrument, Menschen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Dabei handelt es sich allerdings um ein neues Phänomen, das sehr wenig zu tun hat mit unserer traditionellen Kultur in Iran oder Irak, Sudan, Afghanistan, Saudiarabien etc.

Ich wurde 1956 im Iran geboren und bis zu meinem 18. Lebensjahr war dieses Wort „Steinigung“ für mich ein unbekanntes Wort. Seit 1979, seit der Machtübernahme von Islamisten im Iran, hören wir dieses Wort oft. 2001 haben wir das Internationale Komitee gegen Steinigung gegründet. Und seit diesen acht Jahren lebe ich mit Betroffenen in Gefängnissen, ich weine und zittere mit diesen Frauen, denn die meisten der Opfer sind Frauen, und ich vergrabe einen Teil von meinem Herzen, wenn eine gesteinigt wird.

So war es beispielsweise bei Maryam Aiubi, einer Ingenieurin und Mutter zweier Kinder im Alter von sechs und acht Jahren, die im Gefängnis Teherans inhaftiert war. Unser Komitee gegen Steinigung wurde mit der Kampagne zu ihrer Rettung geboren. Tausende Protestbriefe wurden geschrieben. Sogar das Deutsche Parlament schickte einen Protestbrief. Weltweit waren sehr viele Aktionen geplant und ich erinnere mich genau,  wie 2001 eines Vormittags eine Frau von Präsident Khatamis Büro, dem damaligen iranischen Präsidenten, anrief und mit lauter,aggressiver Stimme fragte: „Sind sie Anwältin oder was? Wieso mischen sie sich ein in unsere Angelegenheiten in Iran? Was sollen diese Kampagne und so viel Protestbriefe? Was würden Sie machen mit Frauen, die ihre Ehemänner belügen und fremdgehen?“

Ich war am Anfang irritiert.

Nach einigen Sekunden sagte ich laut: „Ja, ich bin Anwältin aller Frauen, die nach den islamischen Gesetzen erniedrigt werden. Von Frauen, die sich umbringen, sich selbst anzünden wegen dieser unmenschlichen Gesetzte und besonders bin ich Anwältin für alle Frauen, die von Steinigung bedroht sind.“ Ich sagte:  „Wieso dürfen Männer vier Frauen heiraten und tausende ‚Siege’ haben?“
Sie antwortete: „Mein Mann ist nicht so...“
Ich sagte: „Schön für dich, aber meine Vorschlag wäre ein Antrag an Allah. Vielleicht kann man die Gesetze ändern, Frauen bekommen die Erlaubnis vier Männer zu heiraten und...“
Sie wurde sehr laut und schimpfte weiter.

Dieses Gespräch blieb selbstverständlich ergebnislos. Maryam wurde am 11. Juli 2004 gesteinigt. Sie war vor lauter Angst bewusstlos und wurde mit dem Krankenwagen zum Ort der Steinigung gebracht.

Im Iran wurden bis heute Hunderte gesteinigt und heute sind Millionen auf der Straße gegen das islamische Regime und diese unmenschlichen Gesetze.

Vorgestern, am 4. Oktober, haben wir zwei Menschen gerettet. Ist das nicht schön?

Mina Ahadi