(hpd) In einer zur Buchmesse in Frankfurt erscheinenden Veröffentlichung des Alibri Verlages mit dem Titel „Egoismus, Macht und Strategien“ berichtet der promovierte Biologe Dr. rer. nat. Andreas Kilian über unser biologisches Erbe und wie es heute noch unser Verhalten beeinflusst.
Ausgehend vom Theoriefundus der Soziobiologie versucht Kilian Einsichten und Perspektiven zu vermitteln, wie wir soziale, ökonomische und ökologische Probleme besser bewältigen könnten. hpd interviewte den Autor.
hpd: Sehr geehrter Herr Kilian, Sie haben mit „Egoismus, Macht und Strategien“ ein Buch geschrieben, das soziobiologische Erkenntnisse und Theorien vor allem bezüglich Alltagssituationen darstellt. Wodurch unterscheidet sich Ihr Buch von anderen Büchern zur Soziobiologie?
Kilian: Es gibt wissenschaftlich hervorragende Bücher zum Thema Soziobiologie. Aber genau dies ist auch ihr Nachteil. Sie bleiben bei einer etwas distanzierten Sicht. Evolution und Selektion finden aber nicht nur irgendwo im Urwald statt, sondern auch tagtäglich in unserer Gesellschaft. Unser Steinzeiterbe im Verhalten ist genau dort am wirksamsten, wo wir es nicht wahrnehmen wollen oder können. Ich möchte Menschen sensibilisieren, sich unsere Gesellschaft und unser Verhalten einmal unter einem anderen Blickwinkel anzusehen. Dies ist zwangsläufig auch Gesellschaftskritik.
hpd: In der Tat kommt Gesellschaftskritik in Ihrem Buch recht häufig vor. Wo sehen Sie den Hebel, mit Hilfe von Soziobiologie Gesellschaftskritik zu üben?
Kilian: Die Soziobiologie bietet ein breites Fundament mit Überschneidungen zur Psychologie, Soziologie und anderen Disziplinen. Sie beschäftigt sich mit den biologischen Grundlagen und Ursachen für unser Verhalten. Wenn wir die Fehlentwicklungen in unseren Gesellschaften wirklich verstehen und beheben wollen und eine menschenwürdige Zukunft gestalten wollen, dann sollten wir die Probleme auch an der Wurzel angehen. Wir stehen uns mit unserem Verhalten immer noch selbst im Wege und brauchen Selbsterkenntnis und Selbstkritik.
hpd: Wir stehen uns selbst im Wege?
Kilian: Wir haben alle Mittel in der Hand, eine vernünftige und menschenwürdige Zukunft zu schaffen. Aber stattdessen teilen wir in Gewinner und Verlierer und erschaffen selber erst den Widerstand, gegen den wir dann wieder ankämpfen müssen. Wir drehen uns im Kreis, weil wir die Mechanismen unseres Verhaltens nicht verstehen. Wir streben nach Zielen, die wir aufgrund unseres pleistozänen Erbes als wichtig erachten. Wir müssen aber nicht mehr riesige Vorräte anlegen, unsere Konkurrenten niedermachen und alle Weibchen erobern.
hpd: Wie ist das mit den in Ihrem Buch erwähnten Balzritualen, für die wir einen großen Teil des Sozialprodukts verpulvern? Können Sie das näher erläutern?
Kilian: Macht, Reichtum und Statussymbole sind in der Natur kein Selbstzweck, sondern dienen der Fortpflanzung. Bei vielen Menschen hat sich das Streben nach solchen Hilfsmitteln allerdings verselbständigt. Kein Mensch kann mir erzählen, dass Autos, Jachten, Villen, usw. für mehrere Millionen Euro für eine einzige Person notwendig sind. Sie sind Angeberei, um auf sich aufmerksam zu machen. Und fast alle Menschen streben nach solchen Symbolen, um etwas in der Gesellschaft darzustellen. Millionen Liter Öl werden verpulvert, damit Angeber Autos fahren können, die ein vielfaches größer sind, als sie es zu sein bräuchten. Wir verschwenden die Ressourcen eines ganzen Planeten, um ungerichtet rumzubalzen.





