Freie Schrauben, freie Geister und freie Liebe?

GacheWurzn-1.jpg

Preisträger / Foto: Wolf Steinberger

MÜNCHEN. (hpd) Preisverleihung „Gache Wurzn“ – Preis für Zivilcourage des bfg mÜnchen Für eine neue Feierlichkeit geradezu prädestiniert: saukalt und grau draußen, nur Trauermusik und Balladen im Bayerischen Rundfunk und Verbot von Tanz und lauter Musik im ganzen Land!


Sonntag, der 1.November 2009, ein neuer Aktionstag für den bfg mÜnchen! Zunächst mal ist der Tag ein „Hochfest“ der römisch katholischen Kirche, ein „Gedenktag der Heiligen“ und bedeutend für alle jene, um deren Heiligkeit niemand weiß außer Gott ist dieser „stille Feiertag“ ein weiterer Tag geworden für jene kleine Körperschaft von Ungläubigen, die seit 2007 u.a. gegen das Bayerische Feiertagsgesetz juristisch zu Felde zieht.

Lockere Schraube in Berlin

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung des bfg mÜnchen verkündete die im Amt bestätigte Vorsitzende zur Eröffnung des Abends zunächst den Preisträger des alljährlich verliehenen Satirepreis des bfg mÜnchen. In diesem Jahr erhielt Günther Jauch den „Schraubenschlüssel am Bande“ für die größte lockere Schraube in der Republik. (Begründung) Der Nachfolger von Norbert Geis (2008) und Fürstin Prinzessin Gloria von Thurn und Taxis (2007) verzichtete erwartungsgemäß auf persönliche Abholung seiner Auszeichnung, so dass die Würdigung seiner doch wirklich bedenklichen Verlautbarungen keinen allzu großen Raum einnahm. Festzustellen ist, dass die Fülle möglicher Kandidaten eine solche Auszeichnung durchaus mehrmals im Jahr ermöglichen würde, allein hier fehlt’s dem bfg mÜnchen an manpower.

Ehre wem Ehre gebührt

Im Nachgang zur Mitgliedervollversammlung wurde in diesem Jahr Mina Ahadi zum Ehrenmitglied des bfg mÜnchen ernannt.

Mina Ahadi, „Säkularistin des Jahres 2008“, Gründerin und Vorsitzende des Zentralrates der Ex-Muslime, Vorsitzende des Komitees gegen Steinigung und ein echter „Freigeist“ nahm die Ehrenmitgliedschaft an und bedankte sich mit einer beeindruckenden Rede über die Auswirkungen fehlender Religionsfreiheit in ihrer Heimat Iran. Nicht einmal der gewaltsame Tod ihrer Verwandten und engen Mitstreiter hat diese Kämpferin für Menschenrechte und gegen religiöse Doktrinen in ihrem Engagement einschränken können. Der bfg mÜnchen seinerseits fühlt sich sehr geehrt, eine solch mutige Frau ab jetzt auch in seinen Reihen zu wissen.

„Steile Zähne“ im Doppelpack

Beim Ausklingen der bayerisch nachdrücklichen Töne der Blues-Formation „Schorsch und de Bagasch“ stellte die Vorsitzende dann die beiden Preisträger an diesem Abend vor! Ausgezeichnet für ihre Zivilcourage wurden zwei Männer, die mit ihrem künstlerischen Schaffen über viele Jahre – und gegen zahlreiche Widerstände - maßgeblichen Anteil an der zunehmenden Verwirklichung der Bürgerrechte in Deutschland hatten und sich für echte Geistesfreiheit, für echte Freiheit, für echte „gache Wurzn“ immer stark gemacht haben.

Der eine als Comic-Zeichner (mit 7 Millionen verkaufter Bücher wohl einer der erfolgreichsten weltweit), der andere als Dokumentarfilmer und Regisseur (mit zahlreichen Auszeichnungen, zuletzt auf der Berlinale Berlin). Ralf König und Jochen Hick waren beide nach München gekommen, um den „Gache Wurzn- Preis für Zivilcourage“ entgegen zu nehmen (Begründung). Der Preis besteht aus je einer Skulptur als Sparbüchse (in diesem Jahr eine Buchattrappe mit oben auf liegendem täuschend echtem „Kondom des Grauens“ als Geldeinschieb-Vorrichtung) mit 1.111,11 Euro und je einer Urkunde.

Ihre Dankesreden beeindruckten ebenso wie die ihrer Vorgängerin Mina Ahadi. Eindringlich schilderten sie ihr Anliegen und ihre langjährigen Erfahrungen als homosexuelle Männer, die sich in ihrem Einsatz für eine „bessere“ Gesellschaft auch immer für selbst bestimmte Sexualität einsetzen.

Wie wichtig ihr Einsatz ist, verdeutlichte sich zusätzlich noch ganz unvorhergesehen. Beim Filmvortrag aus einer Dokumentation von Jochen Hick erkannte einer der Zuschauer sich wieder. Er war’s gewesen, von dessen Selbstmordversuch im Film erzählt wurde... Die unvermittelte Erinnerung an die Schrecken seiner Jugend lösten derartig heftige Gefühle aus, dass der Mann einer Ohnmacht nahe vom Stuhl fiel. Zum Glück ohne weitere ernsthafte gesundheitliche Folgen. Alle im Saal waren betroffen beeindruckt und sich einig, dass nach einem solchen Ereignis Musik auf der Bühne und animierende Comics auf Großleinwand nicht mehr so das Richtige sind. So wurde die Veranstaltung dann vom zweiten Vorsitzenden Wolf Steinberger beendet, wofür alle Verständnis hatten.

In Erinnerung bleibt allen Gästen und dem Veranstalter das beeindruckende Engagement von drei mutigen Zeitgenossen, dass allen Beispiel sein sollte, und insgesamt über 1.100 Euro Spenden bzw. Erlös der kleinen Versteigerung zugunsten der Münchner Aidshilfe e.V. und dem Kinderparadies Nesin Vakfi in Catalca/Istanbul, das noch immer mit den Folgen der großen Flutkatastrophe zu kämpfen hat. Es gibt wirklich nichts Gutes, außer man tut es!!

Assunta Tammelleo