Unterwegs zu einem anderen Islam

(hpd) In diesem Buch vereinigt Katajun Amirpur sechs Texte von drei iranischen Geistlichen, die sich selbst als "religiöse Aufklärer" bezeichnen. Selbst wenn man Zweifel darüber hegt, ob diese Ideen wegen ihres islamischen Herangehens von Relevanz sind: das Buch ist sehr lesenswert und stellt überzeugend klar, dass auch ein islamischer Weg ein demokratischer sein könnte.

Frau Amirpur hat sich bemüht, die von ihr verfassten Einleitungen zu den drei (schiitischen) Denkern in einer klaren und einfachen Sprache zu halten. Sie erklärt die grundlegenden Gedanken von Mohammad Mojtahed Shabestani, Mohsen Kadivar und Hasan Yusefi Eshkevari.

Alle drei sind zwar iranische Geistliche, vertreten aber die Auffassung eines "aufgeklärten Islam" und treten für eine Trennung von Staat und Religion ein. Damit stehen sie gegen die als Islamismus bezeichnete Denkströmung der Koran-Exegese (Tafsir). Wobei auch diese säkulare Strömung der Tafsir zugerechnet wird; im allgemeinen Sprachgebrauch meint "Islamismus" aber inzwischen allein die sehr rigorose Auslegung des Koran. Daher unterscheide ich (und wie mir scheint, auch Katajun Amirpur) zwischen den Extremen: auf der einen Seite ein "aufgeklärter Islam", auf der anderen der "Islamismus".

In der Einleitung des Buches geht die Herausgeberin und Übersetzerin (Katajun Amirpur) auch auf die derzeitige politische Situation in Iran ein. Sie begründet so auch die Notwendigkeit, sich mit den Texten der drei zu befassen, um zu verstehen, dass der Islam mit der Diktatur der Mullahs in Iran nicht viel gemein hat. Sondern im Gegenteil eher die Religion durch die Politik diskreditiert wird.

Mohammad Mojtahed Shabestari

Shabestari schreibt und spricht sowohl in Farsi (Persisch) als auch in Deutsch. Er übernahm 1970 die Leitung der iranischen Moschee in Hamburg. Amirpur zitiert ihn aus einem Tagesspiegel-Artikel von 2007: „Die richtige Frage ist nicht: Sind Islam und Demokratie vereinbar oder nicht? Die Frage ist: Sind die Moslems heute bereit, diese Vereinbarkeit entstehen zu lassen?“ (Seite 17)

Da dieser Reformgedanke Shabestaris wichtigstes Thema ist, hat Amirpur für das Buch zwei Texte ausgewählt: "Demokratie und Religiösität" und "Die Menschenrechte und das Verständnis der Religionen". Beide Texte lesen sich hervorragend; sie sind einfach und deutlich. Und erschienen beide in iranischen Zeitungen, was Shabestaris Definition von Demokratie auch hierzulande spannend macht.

In der schiitischen Theologie ist die Gerechtigkeit ein über allem stehender Gedanke. Aus diesem Grunde argumentiert Shabestari, dass sich Demokratie (die er sehr theoretisch und als vollkommen darstellt) sehr wohl mit dem religiösen Gedanken der Gerechtigkeit in Übereinstimmung bringen lässt. Auch wenn das in seinem - sich selbst als islamische Republik bezeichnenden - Heimatland offiziell abgestritten wird.

Mir kommt es beim weiteren Lesen das Artikels ein wenig so vor, als wolle Shabestari vermeiden, die Leser (einer immerhin weit verbreiteten Tageszeitung) zu verprellen und sie zu beruhigen, wenn er dann schreibt, dass es natürlich sei, dass selbst in einer Demokratie (in Iran) es nicht dazu kommen könnte, dass Ungläubige die Mehrheit erhalten könnten. Weil das Land und sein Volk islamisch sei. (Ich denke, dass er sich - so er das ernst meint -, sehr wohl irrt.) „Zwar ist es möglich, dass sich in einer islamischen Gesellschaft, die demokratisch verwaltet wird, Personen oder Gruppen finden, die aus irgendeinem Grunde dagegen sind, nach den Geboten Gottes zu handeln und diese Ansicht offen äußern [...] Doch dieser Punkt hat nichts mit der Aufgabe der unumstößlichen Gottesgesetze zu tun. (Seite 31)

Im Weiteren weist Shabestari bereits darauf hin, dass die Auslegung des Koran nur gerecht erfolgen kann, wenn die zeitlichen und örtlichen Hintergründe ausreichend beachtet werden. Diesen Gedanken führt er in den beiden Artikeln nicht besonders aus; sie sind aber wichtiges Thema der anderen beiden Autoren.

Der zweite Artikel "Die Menschenrechte und das Verständnis der Religionen" befasst sich vorrangig mit der Frage, ob der Islam als religiöse Lehre die Allgemeinen Menschenrechte ausschließt. Shabestari verneint dies. Er legt besonders Wert auf die Feststellung, dass der Islam, da er sich in seiner schiitischen Ausprägung als die Religion der Gerechtigkeit definiert, eher Grundlage der Menschenrechte ist als im Widerspruch dazu steht.

Dazu benutzt er ein theologisches Konstrukt, bei dem Shabestari zwischen dem Verhältnis des Menschen zu Gott und dem zu anderen Menschen unterscheidet: „Der Grad der Nähe der Menschen zu Gott betrifft die spirituelle Glückseligkeit der Menschen im Jenseits, während es bei den Rechten der Menschen in der Gesellschaft um das friedliche und gleichberechtigte und gewaltfreie Leben der Menschen miteinander in diesem weltlichen Leben geht.“ (Seite 39)

Damit gelingt ihm eine Trennung von Religion und Politik. Allerdings stellt sich noch immer die Frage, wie eindeutige Ungleichbehandlungen, die im Koran geschrieben stehen (Stichwort: Gleichberechtigung der Frau), sich zum einem mit dem bereits erwähnten Gerechtigkeitsgedanken der Schiiten und zum anderen mit den Allgemeinen Menschenrechten vereinbaren lassen. Darauf findet sich in Shabestaris Texten keine Antwort.

Wie bereits erwähnt, hat Katajun Amirpur neben Mohammad Mojtahed Shabestari im Buch auch zwei weitere iranische Geistliche vorgestellt.