Chauvinismus der Nordhalbkugelbewohner

„1492 entdeckte Christoph Kolumbus Amerika, obwohl Wikinger schon vor ihm dort waren. Und das erste große Völkermorden setzte ein im “perfektionierten” Vernichtungsstil von Europäern an Nichteuropäern auch mit Waffen, die den Ureinwohnern unbekannt waren.“ Die von da „oben“ begannen die da „unten“ zu beherrschen. „Da „bockige und sture“ oder „uneinsichtige“ Ureinwohner sich nicht christlich missionieren lassen wollten, versuchten es die Gehilfen der Christenherren dann auch schon mal mit Alkohol, sie gefügig zu machen“, so die saloppe Ausdrucksweise bei Compass1492, mal im satirischen Stile von „oben“ herab… „…und weil Arbeitskräfte zum großen Rohstoffabbau und Goldklau aus dem Atzteken- und Inka-Reich fehlten, konnte aber reichlich “abgeholfen” werden durch den ersten großen Massenimport an „Rohstoffen“ aus Afrika: Schwarzafrikaner als Sklaven, Menschenverachtung, Rassismus pur. Es folgte ein unendliches Leid vieler Menschen in die Ausweglosigkeit…“. Die Inhumanisierung durch Verdinglichung des Menschen durch Menschen setzte im großen Stile ein. Und deshalb glaubt Compass1492, dass die Globalisierung schon 1492 begann und nicht erst in jüngster Geschichte, eine Globalisierung der weltweiten merkantilen Verflechtung und des Kulturexports. Die seefahrenden Europäer ab dem 15. Jahrhundert importierten zunächst Gewürze, Tropenhölzer, viel später Kautschuk und „exportierten“ das Christentum und im Falle Lateinamerikas die Spanische Sprache, die dann etliche Sprachkulturen zunächst „erstickte“ bis zur bescheidenen „Wiederbelebung“.

1492 begann der „Hegemonialtrend“ der Europäer zu „Weltmächten“ wie die Länder Spanien und Portugal. Die katholische Kirche half ihnen enorm. Der „Hegemonieboom“ wurde imperialistisch durch die Weltmacht England fortgesetzt, im Osten durch Russland in Richtung Sibirien, Holländer in Indonesien verstärkt, Franzosen, Deutsche und Belgier in Afrika hauptsächlich. Aber auch arabische Eroberungen mit dem Verbreiten des Islam fanden weite Ausdehnungen bis hin zur Südhalbkugel nach Indonesien. Arabische Eroberungen in Spanien wurden allerdings 1492 durch die spanische Reconquista beendet.

„Compass1492“ nutzt die bildhafte Sprache, um die Dawkinsche Feststellung des „unbewussten chauvinistischen“ Bewusstseins einer Nordhalbkugel-Herren-Mentalität (hat er nicht gesagt, vielleicht gemeint) zu verdeutlichen und anzuklagen:

Nach „Compass1492“ gilt es zu helfen, die Kräfte und das Selbstbewusstsein der Südhalbkugelbewohner zu mobilisieren. Warum sollen die Erdnusspreise der Erdnüsse aus Paraguay an der Wallstreet-Börse festgelegt werden? Warum sorgen die Nordhalbkugelbewohner nicht für Durchlässigkeit der Fair-Trade-Märkte, damit die Südhalbkugelbewohner sich auf den Weltmärkten behaupten können? Die südamerikanischen Präsidenten Chavez und Morales und etliche sind dabei, eine NATO des Südens zu installieren, als Akt der Selbsthilfe oder des Heimatschutzes? Vor neuer Nordkugelbewohner-Invasion? (Amerikanisierung/Europäisierung der Welt?)

„Compass1492“ glaubt, dass das Jahr „1492“ eine Art „Mahnmal“ bleiben muss, wider das Vergessen, erinnern an den Beginn des Völkermords an den Vorfahren Amerikas und der Versklavung Afrikas, aber auch deshalb, weil das Mittelalter abgelöst wurde und ab dieser Zeit landweit und weltweit wesentlich durch Handel kommuniziert wurde. Allerdings darf nach der wahren Darstellung der Geschichte nicht vergessen werden, dass die relativ hoch entwickelten Völker der Inkas, Mayas oder Atzteken ebenso Völkermord betrieben hatten vor 1492. Aber das eine entschuldigt nicht das andere. Ein spanischer Bürger im näheren Bekanntenkreis war kürzlich in Südamerika sehr empört darüber, dass er von indianischer Seite zu oft hörte von der spanischen Ausbeutung Lateinamerikas, die „Spanier, die Schlächter, Ausbeuter, Konquistadoren…. Dieser Spanier – Jahrhunderte nach den Eroberern Francisco Pizarro und Hernán Cortés geboren – glaubt nicht an Erbschuld oder dergleichen, ebenso wenig wie ein 20 ig jähriger Deutscher Anfang 2000 an der uruguayischen Grenze, der mit „Heil Hitler“ begrüßt wird. Das letzte ist ein extrem seltenes Ereignis, zur Beruhigung der Uruguay-Liebhaber.

„Compass1492“ berichtet auch, dass das Globus-Denk-Modell von „Oben“ und „Unten“ aktuell z. T. so nicht mehr stimmig ist bezogen auf die o. g. Nord- und Südhalbkugel-Anschauung. Was das Nord/Süd-Gefälle angeht behaupten sich Brasilien, Argentinien und Indonesien als Südhalbkugel-Staaten ernstzunehmend weltweit neben Australien und Neuseeland, die schon lange nach Teil-Ausrottung der Urbevölkerung mit Nordhalbkugelbewohnern gleichgesetzt wurden. Nach Compass1492 gibt es eine weiteren „Chauvinismus der Nordhalbkugelbewohner“ neben der vertikalen Kompassbetrachtung von oben/unten auch im horizontalen des Koordinatensystems vom Kompass: The West for the Rest! – Dieser Haltung sagt Compass1492 den Kampf an: East and South like North and West! Und empfiehlt, schon mal den Richard Dawkins Vorsatz umzusetzen: Neuseeländische oder australische Weltkarten in die Klassenzimmer mit der Wechseldarstellung von Nord- und Südhalbkugel. Sollte die Weltkartenbestellung auf sich warten lassen, empfiehlt Compass1492 bis zur Lieferung seine webeigene Neue Weltkarte.

Hasso Bensien

(*) Der Gotteswahn, Berlin 2007, ab Seite 158