Menschenrechte in der „Islamischen Republik“

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Shirin Ebadi / Fotos: Frank Navissi

BERLIN. (hpd) Am Sonntag, dem 15. November, sprach die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi im Berliner Renaissance-Theater vor ausverkauftem Haus. Der hpd war dabei.

Shirin Ebadi war die erste weibliche Richterin in Iran und wurde nach der Revolution 1979 vom klerikalen System ihres Amtes enthoben. Seitdem hat sie sich ganz der Verteidigung der Menschenrechte und insbesondere der Rechte der Frauen und Kinder in Iran verschrieben. Sie ist als Menschenrechtsexpertin weltweit anerkannt. Frau Ebadi ist eine Demokratin und bekennende Muslima und hält Demokratie und Islam für vereinbar. Damit steht sie in der Tradition eines aufgeklärten Islam.

In Berlin sprach sie über die Menschenrechtsverletzungen, die von der „Islamischen Republik Iran“ ausgehen. Als ausgebildete und hervorragende Juristin bewies sie dabei, dass der islamische Staat an seinen eigenen Vorgaben scheitert.

„Die Regierenden sprechen durch ihre Gesetze.“

Anhand der Gesetzestexte lässt sich – so Frau Ebadi – deshalb die Ideologie eines Staates ablesen. Der iranische Staat hat die UN-Menschenrechtskonvention unterschrieben, verstößt aber durch seine Binnengesetze permanent gegen diese universellen Rechte. So zum Beispiel gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter.
Im Recht der Islamischen Republik, das sich allein auf die Scharia (1) beruft und deren Gesetze nur dem islamischen und nicht dem weltlichen Recht unterliegen, ist die Ungleichbehandlung der Geschlechter vorgeschrieben. So gilt eine Frau nur die Hälfte eines Mannes, das Wort zweier Frauen hat also den Wert des Wortes eines Mannes.

Im Vortrag brachte Frau Ebadi einige Beispiele, die diesen Verstoß gegen die UN-Menschenrechtskonvention aufzeigen.

Auch gegen das Recht der freien Ausübung von Religion verstößt dieser Staat, der sich als auf einer Religion gründend versteht, permanent. So sind Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften oder auch Atheisten verschiedenen Diskriminierungen ausgesetzt. Beispielsweise gibt es in der 12-Millionen-Metropole Teheran keine einzige sunnitsche Moschee. Ganz zu schweigen davon, dass die Religionsausübung von Christen, Juden etc. massiv unterdrückt wird. Im Erbrecht des Staates Iran gibt es tatsächlich eine Regelung, nach der, völlig unabhängig von der Erbfolge, in jedem Falle ein Muslim das Erbe bekommt, wenn die eigentlichen Erben einer anderen (oder keiner) Religion angehören.

Diese Regelungen, diese Gesetze kamen einigen Zuhörern so unglaubwürdig vor, dass es im Publikum bei der Aufzählung dieser Dinge zu einzelnen Lachern kam. Leider ist das für die Betroffenen keinesfalls witzig.

Da Shirin Ebadi vor allem als Strafverteidigerin tätig war, berichtete sie davon, dass es in Iran insbesondere bei politischen Häftlingen keinesfalls üblich ist, den Angeklagten während der Ermittlungen einen Anwalt zur Seite zu stellen. Die Ermittlungsrichter lassen Anwälte oft erst dann zu, wenn die Verhandlungen beginnen. Daher haben diese oft kaum die Zeit und Möglichkeit, sich auf die Verhandlungen vorzubereiten.(2)  „Seit 18 Jahren“, so Frau Ebadi, „habe ich keinen einzigen Fall gehabt, bei dem ich den Angeklagten während der Ermittlungen sprechen konnte.

Sie wies darauf hin, dass, obwohl der Iran die UN-Menschenrechtskonvention und andere, völkerrechtlich bindende Verträge eingegangen ist, Folter, Verstümmlungen und die Vollstreckung der Todesstrafe Teile des Rechtssystems sind. Iran hat laut Amnesty International die sehr unrühmliche Rolle inne, das Land zu sein, in dem 2008 die weltweit meisten Todesurteile gegen Minderjährige vollstreckt worden sind.

An anderer Stelle merkte Frau Ebadi an, dass die „Reporter ohne Grenzen“ den Iran bei 174 genannten Staaten, die die Freiheit des Wortes unterdrücken, auf Platz 170 gelistet ist. Nur in Nordkorea, Eritrea und Turkmenistan werden die Freiheiten der Journalisten mehr beschränkt. In diesem Zusammenhang sprach Shirin Ebadi über die Zensur, die sich nicht allein auf den Medien beschränkt, sondern auch auf künstlerische Werke, Bildung und Kultur bezieht. Und aktuell verstärkt auch das Internet.

Im zweiten Teil des Vortrages sprach Frau Ebadi über die aktuelle politische Situation in Iran. Dabei legte sie Wert auf die Feststellung, dass sie selbst keiner Partei und keiner politischen Gruppierung angehört. Sondern die Situation nur aus der Warte der universellen Menschenrechte her beschreibt.

Es gibt einen Bericht der UN zur Situation in Iran, der bereits (in Englisch) auf der Webseite der UN zur Verfügung steht.(3) Gleichfalls gibt es einen Text des „Zentrums zur Verteidigung der Menschenrechte“ in Iran, dem Shirin Ebadi als Vorsitzende angehört. Dieser Bericht ist jedoch nur auf Farsi verfügbar. Sie bat darum, diese Texte weltweit in die Landessprachen zu übersetzen und den Medien zur Kenntnis zu geben.

In den Berichten wird darauf eingegangen, dass sich zum Beispiel zur Präsidentschaftswahl im Jahr 2009 mehr als 400 Bewerber angemeldet haben. Der übermächtige Wächterrat hat jedoch nur 4 Kandidaten zugelassen.(4) Das waren Kandidaten, die wie auch der amtierende Präsident als systemtreu einzuschätzen sind.(5)