Kinder: Schutz vor religiöser Indoktrination

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Schloss Bellevue / Foto: Evelin Frerk

MASTERSHAUSEN. (gbs/hpd) In einem Offenen Brief an Bundespräsident Köhler hat die Giordano Bruno Stiftung (gbs) die „weltanschauliche Manipulation von Kindern“ kritisiert und vorgeschlagen, Kindern zuerst ein „solides Grundwissen“ zu vermitteln, bevor man „religiöse Vorstellungen“ an sie heranträgt. Anlass des Schreibens war ein Grußwort Köhlers, in dem es hieß, das Lesen der Bibel könne ein „wertvoller Beitrag für die frühkindliche Erziehung“ sein.

In dem Brief erklärt der Stiftungsvorstand, dass die Bibel auf Kinder eine „desorientierende Wirkung“ habe. Denn sie vermittelte „falsche Ansichten über die Natur der Dinge“ sowie „ethisch höchst problematische Anweisungen, die dem Stand unserer kulturellen Evolution nicht mehr entsprechen“. Zwar könne die Bibel auch in einem „aufklärerischen, humanen und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen kompatiblen Sinne“ gelesen werden, dies setze jedoch „einiges Vorwissen“ voraus. So müsse man beispielsweise „die Evolutionstheorie verstanden haben, um die kreationistischen Konzepte der Bibel relativieren zu können.“

Darwin statt Bibel!

Das Problem jedoch sei, „dass Kinder über derartiges Vorwissen nicht verfügen“ und daher nicht die Möglichkeit besäßen, die an sie herangetragenen Glaubensaussagen zu hinterfragen. Statt der gängigen Praxis, die Kinder schon im frühsten Alter mit kreationistischen Vorstellungen zu konfrontieren und ihnen das wissenschaftlich akzeptierte Weltbild der Evolutionstheorie erst sehr viel später nahe zu bringen, schlägt die Stiftung vor, die Evolutionstheorie bereits in der Grundschule zu lehren.

Die Schule solle den Kindern dabei einen gewissen „Schutzraum vor religiöser Beeinflussung“ bieten. Schülerinnen und Schüler sollten „zunächst ein halbwegs solides Grundwissen erwerben, bevor sie im Unterricht mit religiösen Inhalten konfrontiert werden.“

Katholische Kinder gibt es ebenso wenig wie sozialdemokratische

Dass das Problem der weltanschaulichen Manipulation von Schülerinnen und Schülern in der Regel nicht erkannt werde, führt die Stiftung darauf zurück, „dass wir offenbar mit allergrößter Selbstverständlichkeit davon ausgehen, es gäbe tatsächlich katholische, protestantische oder muslimische Kinder. Doch bei genauerer Betrachtung gibt es derartige Kinder ebenso wenig, wie es christlich-soziale, liberale, sozialdemokratische oder grüne Kinder gibt!“

„Was wäre denn davon zu halten“, heißt es weiter im Text, „wenn Kindern von CDU-Wählern das CDU-Grundsatzprogramm in der Grundschule vermittelt würde, so wie Kindern von Katholiken katholischer Religionsunterricht erteilt wird?! Es wäre wohl jedem klar, dass es sich hierbei um eine missbräuchliche Indoktrination von Kindern handeln würde! Warum sollte dies im Falle der Religion anders sein?“

Weihnachtliches Buchpaket für den Bundespräsidenten

Die gbs verband ihr Schreiben an den Bundespräsidenten mit der Übersendung eines „aufklärerischen Buchpakets“. Damit kam die Stiftung der freundlichen Empfehlung des „Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten“ (IBKA) nach, der die Bevölkerung dazu aufgerufen hatte, dem Bundespräsidenten weihnachtliche Buchgeschenke zukommen zu lassen, damit er möglicherweise sein Urteil revidieren könne, dass die Bibel „das wichtigste Buch“ sei.

Das Weihnachtspaket der Giordano Bruno Stiftung an Köhler enthält die Bücher „Manifest des evolutionären Humanismus“ und „Jenseits von Gut und Böse“ von gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon sowie den dritten Band der gbs-Schriftenreihe mit dem Titel „Happy Birthday, Charly!“, der die Reden wiedergibt, die auf dem diesjährigen Festakt zu Darwins 200. Geburtstag in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt gehalten wurden. Außerdem haben die Stiftungsverantwortlichen offenbar auch an Köhlers Enkel gedacht, denn im Paket gibt es zudem alternative Lektüre zu den Kinderbibeln, nämlich „Susi Neunmalklug erklärt die Evolution“ sowie „Die Geschichte vom frechen Hund“.

Den Originalbrief der Giordano Bruno Stiftung an Bundespräsident Köhler findet man hier.