Säkulares in 2009

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Früchte / Foto © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) In einer noch immer überwiegend christlich dominierten Öffentlichkeit ist Religionskritik verständlich, notwendig und voller Beispiele. Säkulare brauchen sich aber nicht nur über eine religionskritische Position zu definieren. Sie haben mittlerweile genügend eigene Erfolge, wachsenden Zuspruch und steigende Anerkennung.


Ein Jahresrückblick von Carsten Frerk

In dem Jahresrückblick „Gotteswahn 2009“ von Matthias Krause wurde an einigen Beispielen für Deutschland dargestellt, was sich Säkulare im vergehenden Jahr von einigen christlich Religiösen bieten lassen mussten, und was die immer wieder geäußerte Darstellung, das Christentum sei gelebte Toleranz, als frommes Wunschdenken darstellt. Diese Beispiele, wie die der drei besonders problematischen „M’s“ der katholischen Kirche (Meisner, Mixa, Müller) verweisen aber auch auf ein ‚Aufgescheuchtsein’, einen Verlust der eigenen Souveränität, die allein schon ausreichen würde, um auf die Erfolge der Säkularen zu verweisen. Man könnte sich über diese Diffamierungen seitens der höchsten Kirchenfunktionäre schlicht amüsieren – viel Feind, viel Ehr -, wenn sie nicht in der verbalen Kontinuität der Blut- und Feuerspur des Ausgrenzens und Vernichtens Nicht-Religiöser stehen würden. Insofern ist die ernste Kritik dagegen notwendig und wichtig. Sie allein ist jedoch nicht ausreichend, um den Säkularen den selbstverständlichen Freiraum einer demokratischen Religionsfreiheit, auch als Freiheit von Religion, zu gewährleisten.

Säkularist des Jahres 2010

Die National Secular Society in Großbritannien hat auf der Vorschlagsliste der Nominierungen für den verdienstvollsten „Säkularisten“ Papst Benedikt XVI auf Platz 1 gesetzt, da sicherlich niemand so viel wie dieser Mensch für die Verbreitung des Säkularismus beitragen habe. Dem ist zuzustimmen. Er ist nicht nur der „schwächste Papst seit 150 Jahren“ sondern - wie es auch Christen selber sagen -, greift er die moderne Gesellschaft an, führt einen „Kreuzzug gegen die Moderne“ und verdeutlicht dadurch - öffentlichkeitswirksam wie kaum ein anderer Priester -, das nicht mehr Zeitgemäße der christlichen Religion. Seine ständig behauptete Verbindung von „Religion und Vernunft“ wird immer wieder durch den eigenen Absolutheitsanspruch ad absurdum geführt. Dafür brauchte es weder die Skandale um die „Pius-Brüder“, noch die Geschäfte der Vatikanbank mit der Mafia.

Kultur des Schweigens durchbrochen

Die ehemaligen Heimkinder in Deutschland durchbrachen das Schweigen und brachten ins öffentliche Bewusstsein, dass diese Heime, Stätten der „Unbarmherzigkeit“, sich vorwiegend in kirchlicher Trägerschaft befunden hatten. Nicht nur in Deutschland, auch in den USA und besonders auch im katholischen Irland, wurde das jahrzehntelange Schweigen der Kirche, das aktive Vertuschen der Peinigung und des sexuellen Missbrauchs Tausender von Kindern durch Priester offenkundig. Alle Abwehrversuche, dass das Christentum inzwischen ja ‚aufgeklärt’ und eine Religion der Nächstenliebe sei und die Kritik an den mittelalterlichen Grausamkeiten für heute entsprechend unzutreffend sei, brachen in sich zusammen und erschütterten nicht nur Gläubige.

Diese „Erosion der Heilskirche“, die Abwendung vieler Menschen von den nicht mehr glaubwürdigen Verheißungen, ist nicht nur ein deutsches Phänomen, das sich u. a. auch in den Kirchenaustritten zeigt. Die latente Säkularität und der Pragmatismus der Jugend hat die Kirche mittlerweile in ein Dilemma gebracht. Schweigt sie, gilt sie als überholt und schwach, mischt sie sich ein, wird sie nicht ernst genommen, macht sie Druck, wird deutlich, dass sie auch nur eine politische Lobby-Gruppe unter anderen ist.

Pro Reli

Dieses Dilemma zeigte sich besonders im Wahlkampf für den Volksentscheid in Berlin, um die Einführung des bisher freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterrichts als gleichberechtigtes Wahl-Pflichtfach zum Ethikunterricht. Zur allgemeinen Überraschung waren die Religionsgemeinschaften trotz – oder vielleicht gerade wegen -, eines hohen finanziellen und personellen Einsatzes noch nicht einmal in der Lage, ihre eigenen Mitglieder in hinreichender Zahl zu mobilisieren, um wenigstens die Abstimmung zu gewinnen. Ein doppelter Sieg für Humanismus und Aufklärung.

Patientenverfügung

Eine der größten politischen Erfolge säkularer Weltanschauung war 2009 die Verabschiedung des Stünker-Entwurfs zur Patientenverfügung durch den Bundestag. Ein erster Schritt, um in einem wichtigen Bereich menschlichen Lebens, am Lebensende und in anderen klinischen Situationen ohne Einwilligungsfähigkeit der PatientInnen, tragfähige Regelungen zu finden, die auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhen. Nach jahrelangen politischen Bemühungen konnte die Verbindlichkeit der Patientenverfügungen gegen den Widerstand der Kirchen erreicht werden.

Diese immer stärkere Durchdringung der Gesellschaft mit Prinzipien des Humanismus, bei denen Selbstbestimmung ein wesentlicher Punkt ist, hat sich auch in anderen Situationen gezeigt.