Demokratie verlangt Soziale Grundrechte

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Marburg / Foto: Macado (Wikimedia Commons)

MARBURG. (hu/hpd) Tagung fordert Gleichberechtigung ein. "Soziale Grundrechte sind unverzichtbar für einen demokratischen Staat." Das ist das wesentliche Resultat der bundesweiten Tagung "Wenn die Würde gewürdigt würde - Kurskorrektur hin zu Sozialen Grundrechten" am Samstag (30. Januar) im Marburger Stadtverordneten-Sitzungssaal.

Knapp 100 Interessierte haben an diesem Kongress teilgenommen. Noch am Veranstaltungstag hat die Humanistische Union (HU) als Veranstalterin die Mitschnitte von den Referaten als Audio-Files ins Internet gestellt.

Der Tag bot einen vielschichtigen Überblick unterschiedlichster Aspekte rund um das Thema "Soziale Grundrechte". Sowohl aus wirtschaftlicher wie auch aus juristischer und philosophischer Sicht haben fünf Referenten das Tagungsthema kenntnisreich beleuchtet.

Nach Angaben von Dr. Kai Eicker-Wolf lässt sich die Bundesregierung jedes Jahr mehr als 50 Milliarden Steuereinnahmen entgehen. Diese Summe käme zusätzlich in die Staatskasse, wenn nicht in den zurückliegenden Jahren insbesondere Unternehmen und Vermögende steuerlich entlastet worden wären.

Vielschichtige Schwierigkeiten bei der Durchsetzung ihrer Rechte hat der Marburger Rechtsanwalt Dr. Peter Hauck-Scholz bei Beziehern von Sozialleistungen ausgemacht. Häufig mangele es ihnen an den notwendigen Kenntnissen. Oft fehlten aber auch soziale Kompetenzen oder das nötige Selbstbewusstsein, um die eigenen Rechte sachgerecht durchzusetzen.

Deswegen schlug Hauck-Scholz der Humanistischen Union vor, sich mit einem Appell an alle 150.000 deutschen Rechtsanwälte zu wenden. Trotz der geringen Vergütung sollten sie jedes Jahr mindestens zwei Hartz-IV-Berechtigte vertreten.

Der Berliner Sozialrichter Udo Geiger berichtete von der Praxis in den Gerichten. Überforderung und mangelnde rechtliche Rahmenbedingungen führten hier häufig zu Abwimmelungs-Taktiken, die Betroffenen ihre Rechte verkürzten.

Aus der Gleichheitsvermutung leitete der Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ die Notwendigkeit eines rechts auf gleichen Zugang aller Menschen zu allen Gütern ab. Ausdrücklich schloss der Jesuiten-Pater dabei auch die Menschen ein, die auf Booten unter Lebensgefahr von Afrika nach Europa unterwegs sind.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht erläuterte der Berliner Staatsrechtler Prof. Dr. Martin Kutscha die Situation der Sozialen Grundrechte in Deutschland. Da das Grundgesetz ursprünglich nur als Übergangs-Verfassung gedacht gewesen sei, hätten die Sozialdemokraten im Parlamentarischen Rat 1949 angesichts konservativen Gegenwinds auf eine ausdrückliche Verankerung vieler Grundrechte verzichtet. Etliches sei dennoch aus den Artikeln 1, 3 und 6 ableitbar.

Für den Bundesvorstand der Humanistischen Union kündigte Jutta Roitsch am Schluss der Tagung eine weitere Beschäftigung der Bürgerrechtsorganisation mit den Sozialen Grundrechten an. Unter dem Namen des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der in Marburg studiert hat, werde die HU dazu im Frühjahr 2010 eine weitere Tagung in Rastatt veranstalten.

Mit dem Wunsch, als "Flammenwerfer in der Eiseskälte da draußen" zu wirken, entließ Franz-Josef Hanke vom Marburger Tagungsteam am späten Nachmittag die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung. Die Tagung dürfe nur ein Auftakt zu weiteren Aktivitäten sein.

Dragan Pavlovic