AtheistInnen fordern Aufarbeitung

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Foto: freidenker.at

WIEN. (fdb/hpd) Österreichs atheistische und humanistische Vereine fordern, dass die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche auch von staatlicher Seite aufgearbeitet werden. Was in den vergangenen Wochen bekannt wurde, zeige eine Kultur der Angst, des Schweigens und der Vertuschung. Nur unabhängige Stellen könnten das systematisch aufarbeiten, sagen die Vereinsvorsitzenden. Sie treten auch für eine bessere Hilfe für die Opfer ein.

„Es hat über Jahrzehnte einen Staat im Staat gegeben, der systematisch verhindert hat, dass Täter vor Gericht kommen“, fasst Theo Maier, Vorsitzender des Freidenkerbundes, die bisher bekannt gewordenen Missbrauchsfälle zusammen. „Es wäre jetzt einfach, die gesamte Schuld an der jahrzehntelangen Vertuschung der katholischen Kirche zuzuschieben. Ich sehe hier jedenfalls auch eine Mitverantwortung der Republik Österreich und ihrer Behörden. Als Staatsbürger habe ich ein Recht zu erfahren, wer wann weggeschaut hat.“ Maier schlägt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder eine Art Sonderstaatsanwaltschaft vor. „Wie das passiert, ist letztlich egal. Wichtig ist, dass es passiert. Und möglichst so, dass die Opfer nicht bloßgestellt werden.“

„Staatliche Förderungen für konfessionelle Privatschulen überdenken“

Auch Niko Alm von der Giordano-Bruno-Stiftung in Österreich sieht eine staatliche Mitverantwortung. „Eine Kultur des Schweigens, der Vertuschung und der Angst kann nicht aus sich heraus entstehen“, sagt er. In den konfessionellen Privatschulen seien dringend Reformen angebracht. „Es muss sichergestellt sein, dass die Meldepflicht bei Verdachtsfällen auch dort gilt. Nur das garantiert einen Schutz von Kindern vor Übergriffen.“ Alm hinterfragt auch die öffentlichen Förderungen für konfessionelle Privatschulen. „Die Republik Österreich übernimmt gemäß dem Konkordat die Personalkosten dieser Schulen. Angesichts der Tatsache, dass die meisten jetzt bekannten Übergriffe in solchen Schulen passiert sind, muss man fragen dürfen, ob die Republik Österreich wirklich jährlich 500 Millionen Euro für diese Förderungen ausgeben muss.“ Abgesehen davon müsse sicher gestellt sein, dass es genügend öffentliche Schulen gebe. „Es gibt Bezirke in Österreich, wo das Stiftsgymnasium die einzige AHS ist oder wo die einzige Schule mit Nachmittagsbetreuung von der katholischen Kirche betrieben wird. Das kann es nicht sein. Das zwingt Eltern geradezu dazu, ihre Kinder in diese konfessionellen Privatschulen zu geben.“ Und Unterrichtsministerin Claudia Schmied solle jenen Schulen das Öffentlichkeitsrecht entziehen, bei denen es nach Missbrauchsvorwürfen jahrelang keine Konsequenzen gegeben hat.

„Kirche muss Opfer selbst entschädigen“

Erich Eder von den AgnostikerInnen und AtheistInnen für ein säkulares Österreich fordert unabhängige Ombudsstellen. „Bei aller Anerkennung für die Bemühungen der aktuellen Kirchenleitung hat sich gezeigt, dass das Vertrauen der Opfer in die kirchlichen Anlaufstellen nicht allzu groß ist. Abgesehen davon zeigt der jetzige Skandal, dass es in Österreich für Missbrauchsopfer nicht genügend Anlaufstellen gibt, egal wo der Missbrauch passiert. Die sind oft genug im Stich gelassen worden. Das muss geändert werden.“ Wolfgang Huber von der Allianz für Humanismus und Atheismus fordert ein umfassendes Opferhilfepaket. „Hier muss es Entschädigungen geben, ähnlich wie in Irland und in Deutschland. Allerdings will ich nicht, dass wieder einmal die SteuerzahlerInnen einspringen müssen, damit Opfer kirchlichen Missbrauchs zu ihrem Recht kommen. Das muss die Kirche selbst erledigen.“

Heinz Oberhummer vom Zentralrat der Konfessionsfreien plädiert: „KatholikInnen müssen sich überlegen, ob sie eine Einrichtung, in der systematisch Kindesmissbrauch vertuscht wurde, unterstützen wollen. Für alle, die es nicht wollen, kann ich nur die Seite www.kirchenaustritt.at empfehlen“, sagt Oberhummer.

Christoph Baumgarten