MASTERSHAUSEN. (hpd) Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) hat Horst Köhlers Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten begrüßt und hofft, dass künftige Amtsinhaber die weltanschauliche Neutralität des Staates in höherem Maße respektieren werden. Ein säkularer Staat brauche säkular denkende Präsidenten, erklärte Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon am Stiftungssitz in Mastershausen.
„Horst Köhler war ganz gewiss nicht der Präsident aller Deutschen“, sagte Schmidt-Salomon. „Ein Bundespräsident, der die Bibel als ‚wichtigstes Buch’ bezeichnet und die Kirchen zu stärkerer Missionierung auffordert, ist kaum geeignet, eine Bevölkerung zu repräsentieren, die zu einem Drittel konfessionsfrei ist! Deshalb begrüßen wir Köhlers Rücktritt und hoffen, dass seine Nachfolger mehr Fingerspitzengefühl in weltanschaulichen Fragen zeigen werden. Unser Staat ist schließlich zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet – und dieses Verfassungsprinzip sollte auch vom höchsten Repräsentanten des Staates beachtet werden!“
Schmidt-Salomon meinte, dass nach den vielen christlichen Präsidenten der Vergangenheit, insbesondere nach „Bruder Johannes“ Rau und Horst Köhler, eigentlich die Konfessionsfreien an der Reihe wären, einen Bundespräsidenten oder eine Bundespräsidentin zu stellen. Doch damit sei nicht ernsthaft zu rechnen: „Stattdessen schlägt die niedersächsische SPD Ex-Bischöfin Margot Käßmann als Kandidatin vor, während die CDU die fromme Ursula von der Leyen ins Spiel bringt, die das deutsche Grundgesetz ausgerechnet auf die 10 Gebote der Bibel zurückführen wollte! Manchmal fragt man sich wirklich, in welcher Welt diese Politiker leben! Haben sie denn noch immer nicht mitbekommen, dass Deutschland ein säkularer Staat ist, in dem sich die Hälfte der Bevölkerung, darunter zahlreiche Kirchenmitglieder, als ‚nicht-religiös’ einstuft?“
Viele Politiker, so der Stiftungssprecher, hätten die Zeichen der Zeit nicht erkannt: „Wir leben nicht mehr in einer Gesellschaft, in der das christliche Bekenntnis selbstverständlich ist! Deshalb kann man auch nicht mehr an christliche Glaubensvorstellungen appellieren, um die Werte des gesellschaftlichen Miteinanders zu begründen. Diese Werte müssen losgelöst von Glaubensdogmen überzeugen, also auf einem säkularen Konsens beruhen, der auf religiöse Weltbilder nicht angewiesen ist.“ Schmidt-Salomon zufolge hat dies auch Konsequenzen für das Amt des Bundespräsidenten: „Wenn sich ein Bundespräsident so entschieden zu einem spezifischen Glauben bekennt, wie dies bei Köhler der Fall war, so wird er einen Großteil der Bevölkerung nicht mehr erreichen. Das heißt: Ein säkularer Staat braucht säkular denkende Präsidenten! Es ist egal, was sie persönlich im stillen Kämmerlein glauben oder nicht glauben, entscheidend ist, dass sie sich in ihrem Amt nicht von irgendeiner Religion oder Weltanschauung vereinnahmen lassen, wie dies in der Vergangenheit zugunsten der Kirchen leider in unschöner Regelmäßigkeit geschah!“
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Giordano-Bruno-Stiftung kritisch zu Köhler äußert. Im vergangenen Dezember hatte sich die Stiftung mit einem Offenen Brief an den Bundespräsidenten gewandt und die „weltanschauliche Manipulation von Kindern“ kritisiert. Anlass des Schreibens war ein Grußwort Köhlers, in dem es hieß, das Lesen der Bibel könne ein „wertvoller Beitrag für die frühkindliche Erziehung“ sein. Köhler hatte auf das Schreiben der Stiftung, dem ein Buchpaket beigefügt war, das den Präsidenten davon überzeugen sollte, „dass es bessere Bücher als die Bibel gibt“, nicht geantwortet. Der Stiftungsvorstand wollte daher in den kommenden Wochen beim Bundespräsidialamt nachfragen, ob noch mit einer Antwort Köhlers auf den Offenen Brief zu rechnen sei. Diese Angelegenheit dürfte sich nach seinem Rücktritt jedoch erledigt haben.
FL