Schmort Hitler vielleicht nicht in der Hölle?

Wie die moderne Esoterik Hitler und den Holocaust verharmlost

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Reichstagsrede Hitlers zur Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten, Krolloper Berlin, 11. Dezember 1941
Reichstagsrede Hitlers zur Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten, Krolloper Berlin, 11. Dezember 1941

Hardcore-Esoteriker erklären den Holocaust mit der Karma-Theorie und verharmlosen die Massenmorde in den Konzentrationslagern.

Die moderne Esoterik ist die neue Pseudoreligion der Wohlstandsgesellschaften. Ihre Grundlage beruht auf fernöstlichen Heilsvorstellungen, die auf die Konsumbedürfnisse des westlichen Publikums getrimmt wurden. Christliche Heilslehre war gestern, heute boomt Spiritualität 2.0.

Ein zentraler Aspekt dabei ist die Karma-Theorie. Doch die esoterische Version hat wenig mit der hinduistischen zu tun. Die westliche (Fehl-)Interpretation lautet so: Gutes tun und die karmische Belastung aus früheren Leben abbauen, um im nächsten Leben vom Schicksal reich beschenkt zu werden. Oder anders herum: Wer in einem früheren Leben Böses tat, wird im aktuellen Leben mit Schicksalsschlägen bestraft.

Mit der Karma-Theorie das Böse in der Welt erklären

Diese Interpretation macht es Esoterikern leicht, das Böse auf der Welt zu erklären: Wer ermordet wird, ist selber schuld, weil er früher selbst einmal böse Taten begangen hat. Der Mörder begeht also eine gute Tat, weil er der Vollstrecker des Karma-Gesetzes ist und für Gerechtigkeit sorgt. (Dass er im nächsten Leben vermutlich selbst für seine Tat büßen muss, und die Gewaltspirale so nie zum Stillstand kommt, realisieren Hardcore-Esoteriker offensichtlich nicht.)

Diese Interpretation haben Millionen von spirituellen Suchern verinnerlicht. Ihre Gurus und Meister suchen deshalb immer wieder konkrete Beispiele, um ihre Karma-Theorie zu veranschaulichen.

Aktuell hat der Blogger Basti die Diskussion auf der Plattform www.jaii.de aufgegriffen, wie die österreichische Zeitung Der Standard schreibt. Wer eignet sich da besser als der böse Mensch schlechthin: Adolf Hitler. Ob er wohl in der Hölle schmore oder auf einem schlimmen Planeten viele Leben abarbeiten müsse, fragt sich Basti. Seine Antwort: "Ich sage: Nö. Hitler könnte gut und gern eine schon lange in höheren Ebenen wohnende Seele sein."

Der Zweite Weltkrieg als Kollektiventscheid?

Dann folgt die abenteuerliche Begründung. Der Zweite Weltkrieg sei eine Kollektiventscheidung gewesen, doziert der Blogger, denn nichts geschehe ohne Zustimmung der Mehrheit. Irgendwer müsse den Job schließlich machen, also die Mehrheitsentscheidung Weltkrieg umsetzen, folgert Basti.

"Geopfert" hat sich dann, wie wir wissen, der gute Adolf. Warum soll er bestraft werden, wenn er doch nur eine Kollektiventscheidung umgesetzt hat, fragt Basti und schließt haarscharf: "Hitler in die Hölle fällt also weg." Nach seiner Vorstellung bleibt deshalb nur noch "das miese Karma".

Der Blogger schwafelt weiter von Hitlers Seele, die ihre Inkarnation selbst wähle. Gleichzeitig macht er seinen Leserinnen und Leser weis, dass er doch nicht so richtig ans Karma glaube. Doch den Schaden kann er mit seinem Lavieren nicht mehr abwenden: Mit seiner esoterischen Karmatheorie verharmlost er den Holocaust, verhöhnt die Millionen Opfer und wäscht Hitler rein. So sieht braune Esoterik aus.

Man könnte die Sache mit dem Argument abtun, Basti sei ein einsamer Eso-Fascho, doch er hat ein breites Publikum und prominente Vorbilder. Der berühmt-berüchtigte deutsche Reinkarnationstherapeut Tom Hockemeyer alias Trutz Hardo vertrat in seinem inzwischen verbotenen Buch mit dem entlarvenden Titel "Jedem das Seine" (Leitspruch über dem Tor des KZs Buchenwald) eine ähnliche Karma-Theorie. Die beim Holocaust vergasten Juden hätten in früheren Leben selbst andere Menschen getötet, schrieb er. Beim Pogrom in den Konzentrationslagern hätten sie ihre karmischen Belastungen abgetragen, verkündete Hockemeyer.

In seinen Augen ist Hitler nur der Vollstrecker ihres eigenen Willens gewesen. Seine Beweisführung: Reinkarnierte Juden, die beim Holocaust umgebracht worden waren, hätten ihm nach ihrer Wiedergeburt bei Therapiestunden ihre Taten aus früheren Leben gestanden und diese bereut.

Ähnliche Phantasien hat auch der erfolgreiche amerikanische Eso-Autor Neale Donald Walsch entwickelt, der mit seinen Büchern Auflagen erreichte, die in die Hunderttausende gehen. Er relativiert Hitlers Holocaust auf ähnliche Weise. Dabei beruft er sich auch auf Buddha, der gesagt habe, das Leben sei Leiden. Und er schließt, Hitler habe dieses quasi beendet.

Braun ist eine schöne Farbe. Aber nicht, wenn sie eine Verbindung mit der Esoterik eingeht.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.