In regelmäßigen Abständen ermahnen uns die Vertreter der Gottheiten auf Erden, den Willen Gottes zu tun. Würden wir ihn missachten, hätte das schlimme Folgen für jeden einzelnen, für das Gemeinwesen und für das ganze Menschengeschlecht. Es drohten nicht nur alle Übel dieser Welt, Krankheiten, Kriege und Naturkatastrophen, auch ewige Strafen im Jenseits. Daraus müsste jedem klar werden, dass es für uns keine wichtigere Frage geben kann als die Frage: Was will Gott? Wie können wir seinen Willen erfahren und ihn erfüllen?
Für alle Gläubigen steht der Wille Gottes über den Gesetzen der Menschen. Das ist logisch: Niemals könnte von Menschen gemachtes Gesetz wichtiger sein als göttliches… glauben sie. Der Papst betont das immer wieder und in der Scharia ist das festgeschriebenes Recht.
Vielfalt göttlicher Offenbarung
Nun war es noch nie ganz einfach mit einem Gott ins Gespräch zu kommen, um seinen Willen zu erfahren. Er stellt sich ja nicht vor uns hin, wie Papa, und sagt: "Tu dies oder das!" Nein, er spricht in Rätseln, aus den Sternen, aus Eingeweiden und Orakeln, hinter Wolken, aus brennenden Dornbüschen, auf hohen Bergen, durch Engel, Propheten und die Gottesmutter… Nur geschultes Fachpersonal kann seine Sprache verstehen, nur mit wenigen Auserwählten spricht er persönlich.
Aus dem Vorderen Orient haben wir vom dritten Jahrtausend die ersten schriftlichen Belege in Keilschrift, wie damals der Wille Gottes erforscht wurde. Man öffnete ein Opfertier und ließ Experten aus den Eingeweiden lesen, insbesondere aus der Leber. Diese Eingeweideschau war im antiken Mittelmeerraum und im Vorderen Orient weit verbreitet, sowohl bei den Juden als auch bei den Römern. Mit dieser Methode konnte man sehr schnell göttliche Entscheidungen einholen, über Krieg oder Frieden, über Personalangelegenheiten, über Gesetze und Bauvorhaben. Da die Anfragen meist von den herrschenden Königen gestellt und von "ihren" Priestern beantwortet wurden, konnten sie sich auf diese Weise ihre gemeinsame Herrschaft bestätigen und legitimieren.
"Als politisch brisantes Wissen unterlagen sowohl die Gegenstände der Orakelanfragen als auch die Techniken der Disziplin einer strengen Geheimhaltung." (Quelle: Wikipedia)
Die Römer kannten noch andere Möglichkeiten die Zukunft der Menschen und den Willen der Götter zu erfahren: Sie beobachteten und deuteten den Flug der Vögel.
Im griechischen Delphi tat Apollo seinen Willen einer Priesterin kund, die sich in einem Trancezustand befand und nach einer Befragung vielfältig auslegbare Orakelsprüche von sich gab.
Bei den Germanen versuchten Seherinnen aus hingeworfenen Runen den göttlichen Willen zu erforschen. Die Germanen glaubten, "den Frauen liege an sich Heiliges und Seherisches inne."1
Bei den Kelten vermittelten mächtige Druiden = Propheten, Barden und Priester, zwischen den Menschen und Göttern. "Die Druiden verfügten über sehr gute Kenntnisse in der Astrologie, der Magie und über die geheimen Kräfte von Pflanzen und Tieren." 2
Im Hinduismus hat sich der "göttliche" Krishna das Heilige Buch, die Bhagavadgita, selbst geoffenbart.
Unwissende Menschen deuteten alle möglichen Regungen der Natur als wundersame Zeichen Gottes, um daraus seinen Gemütszustand abzulesen. Fruchtbarkeit und Wohlstand waren Signale göttlicher Zufriedenheit, Krankheiten und Naturkatastrophen wurden als Verstimmung der Götter gedeutet und wurden meist mit Sündhaftigkeit und Unglauben erklärt.
Die ältesten Gesetzessammlungen
Der angebliche Wille der Götter wurde nach einer langen Zeit der mündlichen Überlieferung schriftlich festgehalten und so entwickelten sich zur Entscheidung der wichtigsten Angelegenheiten die ersten "Rechtsbücher", die man dann jederzeit und zu allen Angelegenheiten des Gemeinwesens befragen konnte.
Im Codex Ur-Nammu, dem ältesten erhaltenen Rechtscodex, um ca. -21003 im Auftrag des Königs Ur-Nammu von Ur(Mesopotamien) oder seines Sohnes Schulgi entstanden, werden bereits alle wichtigen, in einer Gesellschaft vorkommenden Verbrechen abgehandelt. "Mord, Raub, Ehebruch und Vergewaltigung werden mit dem Tode bestraft, bei Anschuldigung der Hexerei wird ein Flussordal (= Gottesurteil) durchgeführt. Alle anderen Strafen sind Geldstrafen." Er galt für alle Bürger mit Ausnahme der Sklaven gleichermaßen. Diese Gesetze wurden feierlich geweiht, von einem Herrscher, der sich bei seiner Legitimation auf Gott und kriegerische Erfolge berufen konnte. Man schrieb ihre Entstehung den Göttern zu und verfluchte jeden, der sie missachten sollte.
Einen ähnlichen, aber viel berühmteren und umfangreicheren Kodex, entwarf der babylonische König und Gesetzgeber Hammurabium -1800. Auch er wollte seinen Bürgern weismachen, dass er die Gesetze, die er auf 2,25 Meter hohe Stelen meißeln ließ, vom Sonnengott Schamasch erhalten habe.4 So wird es auf einem Relief an der Basis der Stele dargestellt.
Zarathustra
Schon vor dem Judentum gab es eine Offenbarungsreligion im Orient. Der Zoroastrismus leitet sich aus den Offenbarungen des Gottes Ahura Masda an Zarathustra ab.5 Seine Lebenszeit ist unklar: -1800 oder -600. Von dieser Religion haben das Judentum, das spätere Christentum und der Islam viel übernommen, z.B. dass ein Gott die Welt erschaffen habe; die guten Mächte des Lichtes kämpfen gegen die bösen der Finsternis bis zum Jüngsten Tag, dann kommt das Endgericht. Statt des einen Messias werden allerdings drei genannt. Himmel und Hölle wurden vom Judentum übernommen, Engel und Teufel, die Trennung von Körper und Geist, die Unsterblichkeit der Seele, die Auferstehung, die man auch in der altägyptischen Religion findet.
Antike
In Ägypten reichten göttlich inspirierte Schriften bis in die ältesten Zeiten zurück. Schon im 3. vorchristlichen Jahrtausend nannte man dort einen heiligen Text geradezu "Gottesworte".
Im 1. vorchristlichen Jahrhundert bezeichnete man heilige Texte in der Dionysosreligion auch schlicht als "Schrift". Der Isiskult war eine ausgesprochene Buchreligion und beanspruchte absolute göttliche Wahrheit.6
Judentum
Für Juden, Christen und Muslime war Moses der entscheidende Gesetzgeber. Auch er soll seine "Zehn Gebote", auf zwei steinerne Tafeln geschrieben, aus Gottes Hand empfangen haben. Wie wir oben gesehen haben, gab es schon vor ihm umfangreiche Gesetzestexte. Die Geschichtlichkeit Moses selbst ist umstritten und wenn er wirklich gelebt haben sollte, wird er auf die Zeit um etwa -1300 datiert. Freud behauptet in seinem Buch "Der Mann Moses und die monotheistische Religion", dass er den Ein-Gott-Glauben in Ägypten an den Gott Aton von dem ägyptischen Pharao Echnaton, um -1350, übernommen und an die Israeliten weitergegeben habe.
Angeblich von Gott inspirierte Propheten entwickelten den jüdischen Glauben weiter. Sie vermittelten zwischen Gott und seinem "auserwählten Volk". So kamen schließlich zu den "Zehn Geboten" noch 613 Ge- und Verbote hinzu, die ein Jude, bis zum heutigen Tag, einzuhalten hat, um dem Willen Gottes gerecht zu werden.
Christentum
Auch Jesus gilt bei den Christen und Muslimen als Prophet. Für die Juden hat er keine Bedeutung. Das Neue Testament entstand zwischen 70 (Markus) und 120 (Johannes). Es gibt aber nicht nur vier, sondern über dreißig Evangelien, die zwischen dem 1. und 4. Jh. verfasst wurden. Nur vier wurden von der katholischen Kirche ausgewählt und gelten heute als kanonisch (= allgemeingültig), die anderen wurden als apokryph (= unzuverlässig) abgelehnt.
Man kann die Bedeutung der Bibel für die Menschen des christlichen Abendlandes nicht hoch genug einschätzen. Sie war Leitlinie des Lebens, Maßstab der Gesetzgebung, unabänderliches Wort Gottes. Das ist sie auch heute noch für evangelikale Christen.
Islam
Im 7. Jahrhundert empfing ein Mann namens Mohammed in Arabien angeblich Offenbarungen vom Erzengel Gabriel und behauptete, dies seien die letzten und damit einzig wahren von Gott gesandten Weisungen für die Menschheit. Sie wurden zum Teil schon zu seinen Lebzeiten im Koran zusammengefasst. Er glaubte der letzte Prophet, nach Abraham, Moses, Jesus und einigen anderen zu sein und begründete damit den Islam. Nachdem die Juden und Christen sich ihm nicht anschlossen, warf er ihnen vor, sie hätten ihre heiligen Schriften gefälscht.
Weitere Propheten
Aber Mohammed war nicht der letzte Prophet, denn nach ihm kamen noch viele Propheten, Gurus und Sektenführer, die sich an die Spitze neuer Religionen oder Sekten stellten. Die bedeutendsten waren der Lyoner Kaufmann Petrus Waldes, vor 1218, der Gründer der Waldenser. Ein radikaler Zweig der Wiedertäufer errichtete unter Jan Matthis und seinem Nachfolger Jahn Bockelsen aus Leiden 1534 in Münster "das neue Zion". Sie wollten alle "Gottlosen" umbringen. Gottlos waren natürlich die, die anders dachten als sie.
Auch Zwingli und Calvin kann man als Propheten bezeichnen, ebenso wie Thomas Müntzer, einen Reformator und Gegenspieler Luthers.
Sabbati Zwi, 1648, war ein jüdischer Prophet.
Joseph Smith, 1830, war der Gründer der Mormonen.
Charles Taze Russell gründete 1870 die Zeugen Jehovas.
Baha Ullah entwickelte ab 1863 die Bahai-Religion und hielt sich für die Manifestation Gottes.
Es waren unzählig viele, die glaubten, Botschaften Gottes an die Menschen übermitteln zu müssen. Oft ist es auch vorgekommen, dass Gott seine Botschaften über seine Mutter Maria vermittelte und zwar meist an einfache Menschen, wie Kinder.
Kritik an der Zuverlässigkeit göttlicher Botschaften
Antike
Es gab schon in der Antike kritische Stimmen, die die Eingeweideschau und die Traumdeuterei als Hokuspokus bezeichneten. Der römische Staatsmann Cicero äußerte sich wie folgt: Es sei lächerlich zu glauben, die Götter gäben den Eingeweiden eines Opfertiers zum Zeitpunkt der Opferung ein bestimmtes Aussehen, um den Menschen dadurch etwas mitzuteilen, oder sie würden uns im Traum undeutliche Botschaften schicken, anstatt sich deutlich auszusprechen. Überhaupt sei es eine unbewiesene Behauptung, dass es Götter gibt, welche die Zukunft kennen und uns an diesem Wissen teilhaben lassen.
Zwischen den Eingeweiden eines Tieres und dem Schicksal der Menschen besteht wohl ebenso wenig ein Zusammenhang, wie zwischen der Sternkonstellation und seinem Schicksal, wie das die Astrologie behauptet. Man könnte höchstens aus dem Flug der Vögel Unwetterwarnungen und dergleichen ablesen, weil Vögel weiter sehen und sensibler sind als wir Menschen.
Die Priester und Könige wollten den Menschen weismachen, dass ihre Gesetze göttlich inspiriert oder gar von den Göttern diktiert wurden, um die Autorität und die Anerkennung dieser Texte und damit ihren Willen besser durchsetzen zu können. Wenn man Gesetzessammlungen für das Werk Gottes ausgibt, will man ihnen damit besonderes Gewicht verleihen und erreichen, dass die Untertanen sie besser befolgen. Das ist ein legitimes Interesse eines Herrschers, aber dennoch eine Täuschung und Lüge. Göttliche Gesetze wiegen wesentlich schwerer als menschliche, zumal man bei Übertretung nicht nur die irdische, sondern vor allem die göttliche Gerichtsbarkeit fürchten muss. Deswegen waren Priesterschaft und Könige immer daran interessiert, dass das Volk an einen allwissenden und allmächtigen Gott glaubt, dem sie ihre Gesetze unterschoben und mit dem sie eng verbunden seien.
Der griechische Philosoph Kritias sagte: "…ein schlauer und kluger Kopf muss die Furcht vor den Göttern für die Menschen erfunden haben, damit die Übeltäter sich fürchteten, auch wenn sie insgeheim etwas Böses täten oder sagten oder auch nur dächten."
Offenbarungsreligionen
Offenbarungsreligionen neigen zur Intoleranz. Jeder glaubt, dass seine Religion die einzig wahre ist, sobald er sie schwarz auf weiß besitzt, schlimmer noch: Er verdammt die Andersgläubigen, obwohl die sich auch auf Offenbarungen berufen können. Warum sollte aber ein Gott einem Volk diese und einem anderen ganz andere Dinge offenbaren? Wie könnte man sich sicher sein, Gottes Worte zu besitzen, bei der Vielfalt der Offenbarungen, der Widersprüchlichkeit und den oft zweifelhaften Übermittlern? Wie beweist ein Prophet seine Glaubwürdigkeit und Rechtmäßigkeit? Wie sollte man die wahren von den falschen Propheten unterscheiden? Warum offenbart sich ein Gott nicht allen Menschen gleichermaßen und eindeutig? Warum sollte man sogenannten "Propheten" – darunter nicht nur ehrenwerte Männer und Frauen, auch Epileptiker, Machtmenschen, Scharlatane, unmündige Kinder… – Glauben schenken, wenn sie angeblich göttliche Botschaften überbringen?
Gott hat nicht nur zugeschaut, wie sich seine verwirrten Geschöpfe wegen Religionsstreitigkeiten die Schädel einschlugen, er hat selbst mit seinen missverständlichen und vielfältigen Offenbarungen den Anlass dazu geliefert.
Wie sollte man den richtigen Gott finden, wenn sich keiner sehen lässt? Allein die drei abrahamitischen Götter – Jehova, der Christengott und Allah –beanspruchen jeweils der einzig wahre zu sein. Dabei offenbaren sie sich in verschiedenen Büchern und lassen unterschiedliche Botschaften und Wesensmerkmale erkennen. Der Gott der Muslime hat ebenso wie der Gott der Juden keinen Sohn, dafür nennt er als letzten Propheten Mohammed, was weder die Juden noch die Christen glauben. Alle drei sind intolerant und versuchen mit höllischen Drohungen und himmlischen Verlockungen möglichst viele Gläubige zu gewinnen. Da die Botschaften widersprüchlich und die dazu passenden Wundergeschichten ziemlich unglaubwürdig sind, kommt es darauf an, wer die Macht hat, die anderen zum richtigen Glauben zu zwingen.
Judentum
Die ältesten biblischen Texte entstanden etwa um -1000 aus einer Vielzahl verschiedener Sagen und Erzählungen, aus erfundenen und wahren Geschichten. Im 3. und 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung übersetzten hellenistisch geprägte Juden ihre biblischen Schriften aus dem Hebräischen ins Griechische.
"Alle Missverständnisse, welche in die griechische Bibel durch Unkenntnis, Übersetzungsfehler und willkürliche Zusätze hineingekommen waren, hielten sie für das Wort Gottes, und so lehrten sie später manches im Namen des Judentums, was ihm durchaus fremd oder entgegen ist."7
Die Zehn Gebote in der Bibel galten nur für die rechtgläubigen Juden. Für Völker und Menschen anderen Glaubens gab es dagegen klare Sonderregelungen. Man durfte sie vertreiben, ausrotten, versklaven, töten, ausrauben… auf Gottes Befehl.8
Das Erste der Zehn Gebote, "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben", widerspricht der Weltanschauungsfreiheit, die sehr wichtig ist, um Religionskriege zu vermeiden. Die ersten drei Gebote begründen eine hierarchische Ordnung, mit einem obersten Herrn, der bedingungslose Unterwerfung fordert und sich keineswegs den mündigen Menschen in einer demokratischen Gesellschaft wünscht.
Alle weiteren Gebote: du sollst nicht lügen, töten, stehlen, ehebrechen sind Binsenweisheiten, ohne die eine Gesellschaft nicht existieren kann und die es deswegen auch in jeder Gesellschaft, schon lange vor Moses, gegeben hat.
Christentum
Trotz des allgegenwärtigen Heiligen Geistes wurde das "Neue Testament", das "heilige Buch der Christen und Wort Gottes" auf vielfältige Weise gedeutet. Im frühen 3. Jahrhundert kannte man in Rom über dreißig, Ende des 4. Jahrhunderts soll es über hundert konkurrierende christliche Bekenntnisse gegeben haben, die sich gegenseitig als Ketzer bekämpften, verurteilten, verfluchten und verfolgten.
Dabei stand die unterschiedliche Einschätzung der Person Jesu im Mittelpunkt des Streites.
Für die einen war er Mensch (Arianer), für die anderen Gottmensch (Katholiken), für die Markioniten Gott und nur scheinbar Mensch… usw.
Anscheinend lässt die Bibel unzählige Möglichkeiten der Auslegung zu. Aus derselben Quelle kamen Christen zu sehr verschiedenen Schlüssen. Die einen glaubten aus ihr dies und die anderen jenes herauslesen zu können. Die Quäker schlossen aus ihr, dass ein Christ auf die Taufe verzichten könne, die Wiedertäufer erkannten, dass nur die Erwachsenentaufe gerechtfertigt sei und die Katholiken wussten: Ein Kind muss in den ersten Lebenstagen getauft werden. Die Evangelischen fanden durch das Studium der Bibel heraus, dass es zwei Sakramente, Taufe und Abendmahl gebe, die Katholiken haben bis heute sieben Sakramente.
Wenn man weiß, wie die Evangelien entstanden sind, kann man Jesuszitate redlicherweise nicht einfach wortwörtlich nehmen. Bevor das älteste Evangelium nach Markus frühestens um das Jahr 70 in griechischer Sprache niedergeschrieben wurde, waren die Erzählungen über Jesus eine Generation lang in einem aramäischen Dialekt, der Sprache Jesu, mündlich weitergegeben worden. Jeder, der schon einmal eine Geschichte weitererzählt hat, weiß, was herauskommt, wenn dies mehrmals geschieht. Es kann zu Missverständnissen, Ausschmückungen und Kürzungen kommen, es kann zu Fehlern, zu versehentlichen oder absichtlichen Verfälschungen kommen. Die menschliche Natur neigt zu Wichtigtuerei und zu dramatischen Ausschmückungen, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu gewinnen. Die ewig sensationshungrigen Massen verleiten einen Erzähler zu Wundergeschichten und Übertreibungen. Je nachdem was der Erzähler für Ansichten vertritt, je nachdem, vor welchem Publikum er seinen Bericht wiedergibt, wird er sie in dieser oder jener Richtung formen und weitergeben.
Die Jünger Jesu, die diese Geschichten verbreitet haben, hatten die Absicht, damit den Glauben an Jesus als den Sohn Gottes und den von den Juden lang erwarteten Messias zu festigen. Sie waren keine neutralen Historiker, denen es um die geschichtliche Wahrheit ging. Sie waren Missionare und wollten bekehren.
Luther hat den griechischen Text der Evangelien, von denen allerdings nur Abschriften von Abschriften existierten, ins Deutsche übersetzt. Bei jeder Abschrift entstehen Fehler, ob gewollt oder nicht und bei jeder Übersetzung gibt es verschiedene Möglichkeiten der Auslegung. Es ist also nicht einfach, zu erkunden, was Jesus wirklich gesagt hat.
Dass die katholische Kirche sich im 4. Jh. mit ihren Vorstellungen durchgesetzt hat, lag nicht daran, dass sie die wahre Deutung hatte, sondern daran, dass sie die Macht hatte, ihre Deutung durchzusetzen und alle anderen auszurotten, obwohl diese wahrscheinlich dem Geiste Jesu näherstanden. So wurde die katholische Kirche für Jahrhunderte mit Verfolgung und Terror zur scheinbar einzig "wahren christlichen Religion".
Nach der Reformation versuchte wieder jede christliche Glaubensrichtung mit Hilfe der Mächtigen und Verfolgung der Andersgläubigen zu herrschen und wusste Gott als ihren Verbündeten hinter sich.
Islam
Ähnlich wie bei Jesus wurde das Leben Mohammeds erst hundert Jahre nach seinem Tod von Ibn Ishak aufgezeichnet. Unabhängige geschichtliche Quellen gibt es anscheinend nicht. Die Berichte über ihn enthalten unterschiedliche und widersprüchliche Angaben. Das führt so weit, dass manche Gelehrte die Geschichtlichkeit Mohammeds genauso wie die von Jesus bezweifeln.
Ähnlich wie bei den Evangelien des Neuen Testamentes liegt zwischen der Verkündigung durch Mohammed und der endgültigen schriftlichen Festlegung des Korantextes eine Zeit, in der dieser Text zum Teil mündlich und damit natürlich auch verändert weitergegeben worden ist. Da schriftarabisch nur aus Konsonanten besteht, die einer "Notizschrift" gleicht, wurden die Vokale erst später eingesetzt, um eine einheitliche Schrift zu bekommen. Noch im 10. Jahrhundert gab es mehrere verschiedene Lesarten des Korans.
Mit Jesus und Mohammed zeigt sich das klassische Problem der Weltgeschichte: Sie fühlten sich auserwählt, aus welchen Gründen auch immer. Beide hatten den Ehrgeiz, der zweite Mann hinter Gott zu sein: Das war ihr wichtigstes Anliegen. Wer das nicht sehen oder glauben wollte, wurde von ihnen verdammt, von ihren Anhängern verfolgt und physisch vernichtet. Beide sind Ausgangspunkt für endlose Verfolgungen und Religionskriege mit Millionen Toten. Es muss allerdings klargestellt werden, dass Jesus nur gedroht, Mohammed aber seine Gegner tatsächlich verfolgen und töten ließ.
Wer nicht groß genug ist, kann nicht überzeugen, wer nicht überzeugen kann, fühlt sich verschmäht und neigt zur Gewalt.
Es sind die unvernünftigen, unbelegbaren Glaubenssätze, aus angeblich göttlichen Offenbarungen, mit denen die Fanatiker die Welt in Brand setzen.9
Schlussfolgerung
Aus einem urmenschlichen Wunsch, in einer Welt, die fließt, feste Maßstäbe und Orientierung zu finden, neigen die Menschen dazu, angeblich heilige Texte für unfehlbar zu halten. Sie wünschen sich ein Buch, das man jederzeit aufschlagen, zu allen Dingen befragen und "Amen" sagen kann. Die Herrschenden fördern diesen Glauben, weil sie ihn benutzen, um ihre Herrschaft zu festigen, deswegen zeigen sie sich auch immer gern fromm und gottesfürchtig.
Den Willen Gottes zu tun ist praktisch unmöglich, weil Gott keine klare Sprache spricht, es wäre wohl auch nicht wünschenswert. Nähmen wir die Bibel oder den Koran als Gottes Willen, verwickelten wir uns in viele Widersprüche und fielen zurück in eine archaische, patriarchale, undemokratische Wüstengesellschaft mit anhaltenden Glaubenskriegen. Das zeigen uns die europäische Geschichte und die gegenwärtigen Zerwürfnisse in den islamischen Ländern.
Letztlich sind alle Offenbarungen, Gesetze und Regeln von Menschen gemacht. Die Frage ist nur: Welche sind es wert, erhalten und eingehalten zu werden, und welche sollten besser im Mülleimer der Geschichte verschwinden?
Die meisten Werte, die für uns heute Bedeutung haben, finden sich in keiner heiligen Schrift. Sie mussten gegen die heiligen Schriften, gegen göttlichen Willen, von mutigen Menschen, die auf ihren eigenen Verstand vertraut haben, durchgesetzt werden.
Gott hat sich nie für Toleranz, für die Weltanschauungsfreiheit oder die Freiheit des Denkens und Redens eingesetzt. Warum hat er nie an den Gebrauch der Vernunft appelliert, die er den Menschen ja anscheinend mitgegeben hat? Warum hat er den Menschen keinen Plan für einen gerechten Staat gegeben? Warum ist er nie für Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Menschenrechte eingetreten? Warum war er nie für die Gleichwertigkeit von Mann und Frau, die Abschaffung von Folter, Sklaverei und die Todesstrafe, für die Gleichberechtigung aller sexuellen Orientierungen, die er doch angeblich selbst so geschaffen hat?
Das Gegenteil wurde in den heiligen Texten propagiert: Das absolute Herrschaftsrecht der Könige von Gottes Gnaden über ein unmündiges und rechtloses Volk; die Minderwertigkeit der Frau; Todesstrafen für die banalsten Vergehen; Steinigung für Holzholen am Sabbat, Ehebruch und Homosexualität; Prügelpädagogik; Verunglimpfung unehelicher Kinder; Penisverstümmelung; Schächten von Tieren; Folter; Sklaverei; Intoleranz und Verfolgung Andersdenkender; Verachtung von Vernunft und Wissenschaft; steinzeitliche Sexualmoral; Aberglauben; Heilige Kriege… usw.
Die Menschenrechte wurden von Denkern in der Zeit der Aufklärung verbreitet. Sie wurden nicht von Gott erfunden. Auch die Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott und die damit begründete "Würde aller Menschen" wurden vom Christentum erst entdeckt, nachdem sie von den Aufklärern als Ideal aufgestellt worden waren.
Es gibt nichts Gefährlicheres, als wenn Texte für heilig und unfehlbar gehalten werden, in denen zu Feindschaft, Mord und Totschlag aufgerufen wird. Das gilt sowohl für die Bibel als auch für den Koran. Wenn ein Buch dazu auffordert, Andersdenkende zu verfolgen, sollte man daran zweifeln, dass es ein "heiliges", von Gott geoffenbartes Buch ist.
Seit der Aufklärung ist allmählich das Bewusstsein erwacht, dass wir uns selbst eine gerechte Welt schaffen müssen, wenn es eine geben soll, denn offensichtlich greift ein Gott – was immer das sei – nicht in das Weltgeschehen ein. Im Gegenteil: Gott, in seiner menschlichen Vielfalt, konnte ständig für alle möglichen Kriege und Verbrechen gebraucht und missbraucht werden. Er hat sich nie dagegen gewehrt! Wie könnte er auch?
Ziel der Menschheit sollte es sein, eine gerechte, lebenswürdige und friedliche Welt für alle Menschen zu schaffen. Dies kann am ehesten auf der Basis vernünftiger und humanistischer Prinzipien, innerhalb einer freiheitlichen Demokratie erreicht werden. Zu diesen Prinzipien gehören vor allem die unveräußerlichen Menschenrechte.
Der säkulare Rechtsstaat muss über den Religionen stehen und von diesen getrennt sein. Nur so können alle Weltanschauungen gleichberechtigt in fairem Wettkampf miteinander und nebeneinander existieren. Religion ist Privatsache. Die im Staat gültigen Gesetze sollten von frei gewählten Abgeordneten mit Vernunft und Weisheit zum Wohle der Gemeinschaft gemacht werden.
Außer Binsenweisheiten lässt sich aus göttlicher Offenbarung schwerlich etwas für die Verbesserung der irdischen Verhältnisse holen!
Erstveröffentlichung auf der Webseite des Autors.
27 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
Gott will aus gesunden/lebensfrohen/glücklichen/logischdenkenden Kinder, Empathie unfähige und denkgestörte erwachsene machen, das will gott
Wolfgang am Permanenter Link
Paradox:
Mich juckt die Frage: aufgrund des biblischen Alters jenes Gottes, geht er noch zu Fuß ohne Rollator oder wird er von den verstorbenen Päpsten in einer Sänfte getragen? Spricht man Latein im Himmel? Versteht doch wieder keiner.
"Bislang hat mir noch kein Gott gesagt, was ich tun oder lassen soll! Wieso immer du?"
fragte ich meine Frau.
Roland Fakler am Permanenter Link
@Wolfgang Zweifellos sind Frauen spirituell begabter als Männer.
Siehe das Zitat von Tacitus oben, über die germanischen Frauen.
Bei Männern muss das immer in einen Hahnenkampf ausarten,
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Wie sollte man den richtigen Gott finden, wenn sich keiner sehen lässt?"
Das ist ja das Kreuz.
Deshalb über Bord damit.
Komplett; angefangen beim 1. Gebot, das grundgesetzwidrig ist.
Süper Artikel, danke!
Roland Weber am Permanenter Link
Man sollte sich nur einmal fragen, welche Botschaften, Verhaltensregeln und Inhalte die Religionen tatsächlich haben - und wem sie - vor allem / ausschließlich / in großem Umfang - nutzen.
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Weber,
warum bleiben Sie so kryptisch anstatt Beispiele zu liefern?
Z.B.: Der Glaube an ein "Leben nach dem Tod" ist sehr nützlich für die Generäle dieser
Welt. Er erleichtert, die Soldaten in den Tod zu schicken. Er erleichtert den Soldaten, sich in den Tod schicken zu lassen. Er erleichtert den Hinterbliebenen, sich mit dem Abschlachten ihrer Söhne und Brüder abzufinden. Und er erleichtert sogar den Soldaten zu morden, wenn der Getötete "in den Himmel" kommt.
Wer Krieg führen will, braucht Religion. Wer in Frieden Leben will, kommt gut ohne aus.
Roland Weber am Permanenter Link
Ich hatte nicht vor, "kryptisch" (unklar / geheimnisvoll) zu sein, sondern setze hier unter den potentiellen Lesern voraus, dass man nicht auf eine endlose Aufzählung religiöser "Werkzeuge" hinweis
Deshalb weniger kryptisch: Kann ein Priester Sünden "vergeben"? Trägt eine Reliquienanbetung oder Wallfahrt zur Heilung bei? Braucht ein Gott Gottesdienste - sonst?! Macht das Zahlen von Kirchensteuern einen Menschen zum Paradies-Kandidat? Hat sich schon einmal jemand überlegt, wie er die Schrecken des Paradieses überstehen will? Für welche Herrscher setzen sich die Kirchen oder Religionen ein? Etc. etc.
Dass viele Menschen eher für ihren Glauben sterben wollten und wollen als für ihr Wissen sagt genug!
Wilie am Permanenter Link
Kritik am Islam - Erweiterung:
Während sich die Vorläuferreligionen (Juden und Christen) noch auf einen DIalog zwischen Gott und einem Menschen berufen (u.a. Mose), geht der Islam direkt den Weg úber einen Dritten (Engel Gabriel). WIe wir aus den Vorgängertexten (bei Christen AT) entnehmen können, gibt dieser Gott schon mal gerne Tötungsbefehle, z.b. ABraham und Isaak), und ein sog. Engel widerruft dies, ja man kann es sogar als WIdersprechen sehen.
Hier krankt der Islam bereits in der Entstehungsgeschichte, da eben auch die Muslime einen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Teufel#Islam">Schaitan/Iblis</a> (vergleichbar Satan/Teufel) kennen und diesen als "größen Täuscher" vorgtellt. Diese Teufel verursachen Leid, erschweren das Leben anderer, verursachen Zweifel an Gott und verführen zum Bösen.
Wie kann da eine "Unfehlbarkeit" herausgelesen werden, wenn uns die Geschicht, besonders die gerade ablaufende, doch aufzeigt, dass dieser "Täuscher" wohl eher anzunehmen sei.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Religion - raus aus der Schule, das drängt sich einem auf, wenn man Fakler liest. Als Kulturgut kann Religion an Schulen nur als Information über Religionen erteilt werden. Ja, nun haben wir Art.
säkularenfeindlichen Gesetze und Regelungen, mit denen der Staat sich selbst schadet. Statt seine Bürgerkinder in ethisch-sozialen Werten zu bilden, verhindert er Ethik, verhindert einen ordentlichen Ethik-Humanistik-Studiengang und wundert sich, wenn die Kinder mit dem Netz nicht klar kommen, auf Fake-news und AfD hereinfallen. Das Volk sind wir - aber solange die Mehrheit sich als christlich versteht und die Kirchen stützt, gehören wir nicht dazu und sind Totengräber der Demokratie am Werk. Da ist aber noch viel zu tun! Am liebsten möchte man beten für dieses Land- so aussichtslos scheint die Lage derzeit noch....Gruß Karin Resnikschek, Tübingen
Roland Fakler am Permanenter Link
@Karin Resnikschek Ja, ganz richtig!
A.S. am Permanenter Link
Lieber Herr Fakler,
das ist auch so gewollt.
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Resnikschek,
Darum wird staatlicherseits Religion gefördert. Überall.
Dieter am Permanenter Link
Richtig. Die Frage "gibt-es-Gott" ist völlig uninteressant. Soll es ihn geben, kommt sofort die Frage "was-will-Gott?", die viel entscheidender für das Zusammenleben auf unserer Erde ist.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Wenn man jedoch mit der Frage "Was ist Gott?" beginnt und deren wissenschaftliche Antwort: "Ein Vulkan im Nordwesten der arabischen Halbinsel" lautet, erübrigen sich alle weiteren Fragen bzgl.
Roland Fakler am Permanenter Link
@ Bernd Kammermeier – Dass Gott und die Götter in den menschenlichen Gehirnen entstanden sind, ist für mich ein klarer Fall.
1. Weiß keiner!
2. Wenn wir die vorhandenen Offenbarungen, nicht-exisitiereder, von Menschen erfundener Götter, als Wille Gottes betrachten würden, gäbe es ein totales Chaos, weil sie widersprüchlich sind, und dabei nichts Vernüftiges heraus käme. Was zu beweisen war!
Dass der jüdische Gott aus einem Vulkan entstanden ist, trifft wahrscheinlich zu. Ich kenne diese Geschichte. Aber was ist mit Zeus, Donar, Utzilopochtli ….und tausend anderen.
Meist haben die Menschen hinter den Naturkräften Götter vermutet. Der Vulkan ist nur eine davon, andere sind Donner = Donar = Thor, Blitz = Blitzeschleuderer Zeus, das Meer = Neptun, Aton ist ein Sonnen- und Schöpfergott …
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber Herr Fakler,
natürlich reicht die Widersprüchlichkeit der sogenannten Gottesoffenbarungen völlig, um sie aus rein inhaltlichen Gründen abzulehnen. Sie liefern nämlich einen Rahmen aus sehr dehnbarem Gummi.
Ich habe mich jahrelang mit den Ursachen für die Entstehung des monotheistischen Glaubens befasst (der von Ihnen aufgeführte Polytheismus ist eine andere Baustelle). In Kürze erscheint bei Alibri der erste Band meiner kleinen Reihe zur "Evolution Gottes", in der ich den monotheistischen Mythen auf den Grund gegangen bin. Ich war selbst überrascht, wie genau ich die Herkunft und Wandlung/Überformung der Legenden, die dann in der Bibel und sogar noch im Koran landeten, interdisziplinär recherchieren konnte...
Roland Fakler am Permanenter Link
@ Bernd Kammermeier Da bin ich ja mal gespannt!
A.S. am Permanenter Link
Zu
Volltreffer, Herr Fakler.
Das genau ist der Punkt: Religionen sind Werkzeuge zur Herrschaftsausübung.
Was Sie noch nicht sehen ist:
Die Religionsführer haben Interesse an der Übernahme der Herrschaft. Sie sind nicht nur Herrschafts-Helfer der weltlichen Regenten, sondern versuchen, die Regenten mit Hilfe der Religion zu steuern und so selbst zu den eigentlichen Herrschern aufzusteigen. Clevere Herrscher versuchen sich dem zu entziehen.
Dadurch entsteht ein (aus der Sicht eines zynischen Historikers) überaus reizvolles Spiel der Herrschaftskonkurrenz zwischen weltlichen und religiösen Führern, für das die normalen Menschen hektoliterweise ihr Blut vergiessen. Bis heute.
Und solange Religion nicht ausgestorben/ausgerottet ist, vergiessen sie ihr Blut auch noch in Zukunft.
A.S. am Permanenter Link
Weder in der historischen Beschreibung noch in der Analyse ist Herr Fakler zu kritisieren.
Herr Fakler sieht (noch) nicht, dass Religionen Herrschaftsinstrumente sind.
Die Lehren der Religionen sind so, wie sie der (jeweiligen, lokalen) Herrschaft nützlich sind. So werden die Lehren von den Priestern gemacht.
Und dafür werden die Priester von der Politik belohnt. Beispielsweise mit protzigen Sakralbauten, mit fürstlichen Bischofsgehältern, mit Zugriff auf die Köpfe der Kinder (in Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen), mit Zugriff auf die staatlichen Medien...
Roland Fakler am Permanenter Link
@A.S. Die Religion wurde vom Volk zu allen Zeiten als wahr, von den Weisen als falsch und von den Herrschern als nützlich betrachtet.
(Edward Gibbon, brit. Historiker (1737-1794)
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das Volk hält sie immer noch für wahr und klammert sich daran, was den Herrschenden gerade recht ist.
A.S. am Permanenter Link
@Roland Fakler
Ist es wirklich das Volk, das wider alle Vernunft an der Religion festhält?
In Deutschland wird die Religion den Kindern in Kindergarten und Schule aufgenötigt, den Erwachsenen über massive pro-Religion-Propaganda in den öffentlich-rechtlichen Medien. In früheren Zeiten wäre noch staatliche physische Gewalt hinzu gekommen. Solche jedenfalls sind wir seit 1789 los.
Ich jedenfalls sehe die Verantwortung für den Religions-Irrsinn weniger beim "dummen Volk", als bei den "interessierten Kreisen", die ihren Nutzen aus der Gott-Gläubigkeit der Menschen ziehen.
Ein Beispiel: Putin fördert die russisch-orthodoxe Kirche materiell und gesellschaftlich, die russisch-orthodoxe Kirche revanchiert sich mit pro-Putin-Propaganda (Putin als gott-gesandter Retter Russlands).
Ähnlich machen es Erdogan und seine türkischen Islamisten in der Türkei.
Ähnlich machen es in Deutschland: (Hausaufgabe zum selber Denken)
Roland Fakler am Permanenter Link
@A.S. Lieber A.S. Wir haben darüber ja schon mal diskutiert. Es ist klar, dass es weniger Religiöse gebe, wenn die Menschen nicht in dieser Richtung indoktriniert würden.
Aber es gibt in den unteren Rängen eben auch dieses Bedürfnis nach Verehrung, Gemeinschaft, Singen, Beten, Rituale, Sinnsuche in einem guten Leben, verbunden mit Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft… und das finden sie in den Kirchen, übrigens auch bei Gurus und Sektenführern, wenn nichts Besseres da ist und in vielen Vereinen.
Dann gibt es noch die Einsamen, die so vom Menschengeschlecht enttäuscht sind, dass sie nur noch mit Tieren oder eben mit Gott sprechen können. Er wird nur nicken und mit Sicherheit nicht widersprechen.
Es gibt die Hoffnungslosen, die vom Diesseits nichts mehr zu erwarten haben. Sie können ihren Frust mit Alkohol betäuben oder noch auf Gott hoffen,… das ist auf jeden Fall gesünder. Also ich würde sagen: Lassen sie den Menschen ihren Gott und ihre Religion, solange sie damit kein Unheil anrichten!
Ich konzentriere mich darauf, die negativen Seiten der Religion zu kritisieren: ihre Herrschsucht, ihre Raffgier, ihre Irrationalität!
Die humanistische / atheistische Philosophie ist etwas für starke Individuen, eben für Philosophen, aber es gibt auch schwächere, weniger intellektuell geprägte Menschen, die durchaus damit zufrieden sind, zu dienen, wenn sie dafür die Anerkennung ihrer Mitmenschen bekommen.
Eine Lösung wäre die Sunday Assembly – wo sie all das haben könnten, ohne Gehirnwäsche.
A.S. am Permanenter Link
@ Herr Fakler
Lieber Herr Fakler, ja, diese Diskussion zwischen uns ist nicht neu, und ich führe sie ja auch für all jene, die bloss lesend daran teilnehmen.
Es gibt den schönen Spruch, dass Religion für die einfachen Menschen wahr sei, für die Gebildeten falsch und für die Herrschenden nützlich.
Ich finde den letzten Teil dieser Aussage hinsichtlich der Nützlichkeit für die Herrschenden als zu wenig thematisiert. Religion ist hochgradig manipulativ. Würden die Menschen durch die Humanisten darüber aufgeklärt, zu was allem sie mit Hilfe des Werkzeugs Religion manipuliert werden und was die Herrscher für einen diesseitigen Nutzen daraus ziehen, würden sie Religion nicht mehr als so harmlos ansehen wie bisher.
Dabei geht es mir um Themen wie "Gehorsam", "Unterordnung", "Duldsamkeit", "Nützlichkeit der Religion für die Kriegsführung", "Mission als Form der Kriegsführung", "Ausbeutung im Namen Gottes", u.a.m.
Die ersteren sind zutiefst anti-demokratisch und politisch relevant, die Kriesgthemen räumen mit der Mär "Religion schafft Frieden" auf, und letzteres hinterfragt die Behauptung, Religion bringe Gerechtigkeit.
Das alltägliche "zynische Duett" von religiöser und weltlicher Herrschaft und die Rolle der Ö-R-Medien bei der Beherrschung der Menschen ist ein weiteres großes Feld.
Für solche Fragestellungen scheinen sich die allermeisten Humanisten leider nicht zu interessieren. Lieber arbeiten sie sich an der alten Frage "Gibt es Gott?" ab.
Das ist, was ich kritisiere.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Steht nicht auch ein A.S. "unmittelbar vor der Schwelle zur Erkenntnis"? ;-)
Wolfgang am Permanenter Link
Immer wieder lustig, wenn studierte Theologen meinen, sie wüssten, was Gott eigentlich gemeint oder gesagt hat oder was er gesagt hat, doch nicht so gemeint hat.
Kay Krause am Permanenter Link
Nun, ich bin kein studierter Theologe (spreche im Übrigen dem Studienfach "Theologie die Wissenschaftlichkeit ab, verfüge höchstens über einen halbwegs gesunden Menschenverstand, welcher mich zu folgendem Komment
Roland Fakler am Permanenter Link
@ Kay Krause Schöner Kommentar, der ganz meinen Erfahrungen mit Gläubigen entspricht. Es geht hier einfach um den Wohlfühleffekt, den man sich durch Nachdenken nur verderben kann.