Rezension

Sammelband zu Populismus und Demokratie

Die drei Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse, Tom Mannewitz und Isabelle-Christine Panreck haben mit "Populismus und Demokratie" einen Sammelband herausgegeben, der 14 Aufsätze ihrer Doktoranden enthält. Damit erhält man einen informativen Zwischenstand zu den entsprechenden Forschungen, wobei die Themen doch mitunter weit auseinanderliegen und man sich interessante Rosinen herauspicken muss.

Angesichts des Aufstiegs von als populistisch geltenden Parteien kommt dem damit gemeinten Phänomen hohe politische wie wissenschaftliche Relevanz zu. Dabei geht es auch um eine mögliche Demokratiegefährdung, lassen sich doch negative Folgen wie eine Polarisierung bis hin zur Verhetzung feststellen. Umso interessierter greift man da zu einem Band, der mit "Populismus und Demokratie. Interdisziplinäre Perspektiven" überschrieben ist. Herausgegeben haben ihn die drei Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse, Tom Mannewitz und Isabelle-Christine Panreck. Man darf aber bei einem Sammelband wie diesem hier kein geschlossenes Werk erwarten. Dessen Erscheinen verdankt sich einem anderen Hintergrund: Alle Autoren schreiben ihre Doktorarbeiten zum Themenkomplex, wobei mal die Demokratie- und mal die Populismusforschung den Rahmen liefert. Die Herausgeber ermöglichten mit dem Sammelband den jungen Wissenschaftlern, ihre ersten Forschungsergebnisse so einer interessierten Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Beispielbild

Am Beginn steht die Einleitung der Herausgeber, worin auch die Definition von Populismus problematisiert und der Rahmen des Werkes erläutert werden. Dem folgen 14 Beiträge, die unterschiedliche Aspekte von Demokratie und Populismus ansprechen. Zunächst wird der letztgenannte Gesichtspunkt thematisiert: Alexander Akel fragt, welche Bedeutung ein persönliches Charisma und eine bestehende Regierungsverantwortung für populistische Wahlerfolge haben. Dem Einflussfaktor einer erfolgreichen Globalisierung anhand der Niederlande geht Carina Schatten nach. Dass sich die "Freiheitliche Partei Österreichs" auf dem Weg zu einer Catch-All-Party macht, wird von Thomas M. Klotz untersucht. Der Sprachgebrauch der AfD im Bundestagswahlkampf 2017 steht bei Johannes Schaefer und eine Analyse von AfD-Abgeordneten im Parlament danach bei Christoph Schiebel im Mittelpunkt. Und schließlich findet sich noch eine Analyse von Maximilian Kreter, der die Entwicklung der rechtsextremistischen Rockmusik bilanzierend einschätzt.

Der zweite Abschnitt bringt dann Aufsätze, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des realen demokratischen Verfassungsstaates beschäftigen: Sandra Wirth fragt etwa nach der Auffassung und dem Stellenwert von Volkssouveränität bei dem bekannten Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmansegg und Alexander G. M. Prill bezogen auf Ingolfur Blühdorns simulativer Demokratietheorie nach der Notwendigkeit von Wahrhaftigkeit. Einer ganz anderen Frage geht dann Felix Rhein nach, widmet er sich doch presserechtlichen Auskunftsansprüchen bei Hintergrundgesprächen mit Repräsentanten der Exekutive. Robin Graichen analysiert die Entstehung der Großen Koalition 2017 mit Modellen formaler Koalitionstheorie. Und Susanne Theilen geht dem Negativen Campaigning im US-Wahlkampf 2016 nach. Das Protestantismus-Demokratieverständnis in der jungen Bundesrepublik untersucht Martin Hummel. Und Jan Weinhold-Fumoleau erinnert an "wilde" CSU-Gründungen 1989/90 wie die "Deutsche Soziale Union" in der DDR-Endphase.

Wie bereits die Angaben zu den Inhalten deutlich machen, wurden hier Aufsätze mit ganz unterschiedlichen Fragestellungen in den Sammelband gedrängt. So passen Abhandlungen zu Rechtsrock oder zur Wahrhaftigkeit nun nicht zu Populismus und Demokratie, worum es ja eigentlich in dem so betitelten Werk gehen sollte. Aber das ist das Dilemma aller Herausgeber, die inhaltlich nicht unbedingt zusammenpassende Texte irgendwie dann doch zusammenbringen wollen. Aus Lesersicht bedeutet dies meist, dass nicht alle Themen interessant sein müssen. So ist das auch hier: Man kann bzw. muss sich entsprechend der eigenen Interessenlage die inhaltlichen Rosinen herauspicken. Um Rosinen, um im Bild zu bleiben, handelt es sich aber meist auch. Denn immerhin wollen die Autoren mit diesen Inhalten promovieren, was ein entsprechendes Engagement erwarten lässt. Insofern darf man auf viele Endergebnisse gespannt sein. Gerade die Ausführungen zu den Populismusthemen sind nicht nur für den innerwissenschaftlichen Zusammenhang besonders relevant.

Eckhard Jesse/Tom Mannewitz/Isabelle-Christine Panreck (Hrsg.), Populismus und Demokratie. Interdisziplinäre Perspektiven, Baden-Baden 2019 (Nomos-Verlag), 357 S.