Erik Olin Wrights Vermächtnis

Das Konzept eines demokratischen Marktsozialismus

Dass ein demokratischer Marktsozialismus möglich sei, ist die Kernaussage in "Linker Antikapitalismus im 21. Jahrhundert" von Erik Olin Wright. Der im Januar 2019 verstorbene marxistisch geprägte US-Soziologe präsentierte darin seine Grundpositionen zu einer angestrebten gesellschaftlichen Transformation, was in gut verständlicher Form und in systematischer Weise geschieht.

Es gibt auch Kapitalismuskritik und Sozialismusforderungen in den USA. Angesichts der Aufmerksamkeit für die vielen Skandale um Trump nimmt man dies kaum wahr, wenngleich dafür auf unterschiedlichen Ebenen eine Fülle von Tendenzen ausgemacht werden kann. Dazu zählen der Auflagenanstieg von "Jacobin" als Theoriezeitschrift, die Kampagne zur Präsidentschaftswahl von Bernie Sanders oder der Mitgliederzustrom für die "Democratic Socialists of America". Es gab und gibt aber auch einige interessante Intellektuelle und Wissenschaftler, die in diesem Kontext von Relevanz sind. Dazu gehörte der Soziologe Erik Olin Wright, der indessen im Januar 2019 an den Folgen einer Leukämieerkrankung verstarb. Er verstand sich als moderner Klassentheoretiker und undogmatischer Marxist und war Professor für Soziologie an der Universität Wisconsin. Sein letztes Buch "Linker Antikapitalismus im 21. Jahrhundert. Was es bedeutet, demokratischer Sozialist zu sein" kann angesichts seines Todes als Wrights Vermächtnis gelten.

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Es handelt sich um einen kurzen Text, worin die vertretenen Kernpositionen differenziert vorgetragen, gut strukturiert und verständlich vermittelt werden. Bereits zu Beginn macht Wright deutlich, dass es ihm um das Konzept eines "demokratischen Marktsozialismus, verstanden als ein radikale Form der Wirtschaftsdemokratie" (S. 10) geht. Zunächst begründet er indessen, warum eine antikapitalistische Position eingenommen werden sollte. Der Autor schreibt dem Kapitalismus auch Leistungen zu, sieht aber die Schäden dominieren. Diese bestünden nicht nur in der Benachteiligung von Menschen bei der Ressourcenverteilung, sondern auch für den Bestand von Demokratie und Freiheit. Aus moralischen Gründen gelte es, den Kapitalismus zu überwinden. Dabei werden grundlegende Wertepaare von Wright genannt: Demokratie/Freiheit, Gemeinschaft/Solidarität, Gleichheit/Fairness. Damit könnten Familien und Gemeinschaften, Religionen und Schulen, aber auch Staaten und Wirtschaftssysteme beurteilt werden. Gleiches gelte für Alternativen zum Kapitalismus.

Danach folgt der Autor seinem eigentlichen Vorhaben, nämlich Strategien für die beabsichtigte Veränderung zu diskutieren. Er stellt zunächst fünf Optionen vor, welche erörtert und typologisiert werden. Danach entwickelt er eine Auffassung von Sozialismus als Wirtschaftsdemokratie, geprägt von Bausteinen wie dem Bankwesen als öffentlichem Versorgungsbetrieb, der Demokratisierung kapitalistischer Unternehmen, dem bedingungslosen Grundeinkommen, einer kooperativen Marktwirtschaft und ganz allgemein einer Solidar- und Sozialwirtschaft. Dahin komme man durch eine Demokratisierung der Politik, wozu die Ausweitung der Bürgerbeteiligung, die Dezentralisierung von Entscheidungen oder neue Institutionen für Repräsentation gehörten. Umgesetzt werden könnte dies nur durch kollektive Akteure der Transformation, welche man gewinne durch die "Überwindung des Rückzugs ins Privatleben", den "Aufbau von Klassensolidarität" und die "unermüdliche Arbeit an antikapitalistischer Politik" (S. 117).

Bei dem Buch war wohl mehr Pathos angesichts des absehbaren Todes von Wright erwartet gewesen. Dieser ist aber ebenso wenig zu erkennen wie ein inflationäres Marx-Zitieren. Der Autor bringt keine Bekenntnisse, sondern Sachargumente. Dies geschieht in der erwähnten differenzierten Art, wobei die gemeinten Phänomene jeweils typologisiert werden. Insgesamt bleibt die Abhandlung indessen auf der theoretischen Ebene stehen, was gerade die Schlussteile zur realen Transformation zeigen. Wer wären denn die dort angesprochenen Akteure und wie steht es um deren gesellschaftliche Relevanz? Diese Fragen hatte Wright selbst aufgeworfen. Es gibt aber noch andere Auffälligkeiten, die kritische Kommentare motivieren: So hätte man sich mehr zu Demokratie und Pluralismus gewünscht, es wird bei der gemeinten Entwicklung auch nicht nur um Sozioökonomie gehen, und die Konturen des Marktsozialismus bleiben etwas unklar. Gleichwohl handelt es sich um eine beachtenswerte Abhandlung, aus der deutschen Linken kommt so etwas gegenwärtig nicht.

Erik Olin Wright, Linker Antikapitalismus im 21. Jahrhundert. Was es bedeutet, demokratischer Sozialist zu sein, Hamburg 2019 (VSA-Verlag), 126 S., 12,80 Euro