Kopftuchdebatte an der Frankfurter Uni

Nicht muslimisch genug?

An der Goethe-Universität Frankfurt/M. kam es in der vergangenen Woche zum Eklat. Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Die Verschleierung: Modeaccessoire, ein religiöses Symbol oder ein politisches Instrument?" gab es Proteste einer Gruppe "Studis gegen rechte Hetze", die mit Anzeigen wegen Körperverletzungen endeten.

Die Podiumsdiskussion, zu der die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes eingeladen hatte und an der der Stadtverordnete Uwe Paulsen (Grüne), die Autorin Naïla Chikhi sowie die Publizistin Ingrid König teilnahmen, wurde von etwa 20 bis 30 Personen massiv gestört. Nach Medienberichten störten die Protestierer, die sich zur Gruppe "Studis gegen rechte Hetze" bekannten, mit Plakaten, Zwischenrufen und Redebeiträgen. Die Veranstaltung musste unterbrochen werden. Dadurch heizte sich die Stimmung derart auf, dass es zu mehreren Rangeleien kam und die Polizei gerufen werden musste.

Die "Studis gegen rechte Hetze" teilten hinterher in einer Erklärung (liegt der Redaktion vor) mit, sie hätten mit ihrer "Performance" auf die "Gefährlichkeit und Funktion der sogenannten Kopftuch-Debatte" aufmerksam machen wollen. Ihrer Meinung nach habe "die laufende 'Kopftuch-Debatte' […] die Ausgrenzung und Stigmatisierung muslimischer Menschen zur Folge." Sie verglichen die Kopftuchdebatte mit dem Terror des NSU. Fatma Keser, AStA-Referentin und Moderatorin des Abends, sagte der Frankfurter Rundschau, das "sei für sie eine Relativierung rassistischen Terrors."

Das Journal Frankfurt berichtet: "Zu Beginn der Diskussion seien im Zuschauerraum mehrere Menschen aufgestanden, hätten Schilder hochgehalten mit Aufschriften wie: 'Das Problem heißt Rassismus, nicht Kopftuch' […]. Die Kulturwissenschaftlerin Naïla Chikhi habe mit den Demonstrantinnen und Demonstranten diskutieren wollen, diese hätten aber nicht auf das Angebot reagiert."

In einer Stellungnahme in der Tageszeitung Die Welt1 beschreibt Naïla Chikhi die Situation. Sie erklärt, dass das Kopftuch für sie ein Symbol sei, eine "Uniform des Islamismus, ein Instrument der Knechtung der Frau, ein Mittel zur Durchsetzung zweier Formen von Apartheid. Zum einen der Geschlechterapartheid (denn Frauen und Männer unterliegen unterschiedlichen Regeln), zum anderen einer Kategorisierung der Frauen in sittsame, anständige und in unanständige, sexuell zur Verfügung stehenden Frauen." Bereits hier begann der Protest der Störer, die offenbar nicht bereit dazu waren, sich auf die Argumente der Referentin einzulassen: Es sei "Rassismus, wenn man hier von Apartheid spreche." Frau Chikhi ist der Rassismus-Vorwurf nicht fremd. Wann immer sie den politischen Islam und dessen menschenverachtende Normen kritisieren würde, kämen diese Vorwürfe.

Dabei sind es doch gerade die unter das Kopftuch gezwungenen Frauen in islamisch geprägten Ländern, die auf die Hilfe und Unterstützung der Menschenrechtler*innen hoffen. Während zum Beispiel im Iran immer häufiger Frauen unter Androhung von Gefahr für Leib und Leben das Kopftuch öffentlich abnehmen, wird hierzulande Kulturrelativismus betrieben und Kritik an menschen- und frauenverachtenden, religiösen Vorschriften als "Rassismus" tituliert. Das ist eine völlige Umkehrung der Tatsachen und hilft niemandem. "Die zwangsexilierten iranischen Frauen, die 40 Jahre später immer noch tapfer der fundamentalistischen Frauenverachtung die Stirn bieten, lasse ich nicht im Stich. Weder in Frankfurt noch in Teheran. Das ist die Form der Frauensolidarität, die ich mir hier im Westen vor allem von linken Feministinnen wünsche!"

Doch leider wird darüber nicht diskutiert, sondern versucht, den "Gegner" mundtot zu machen. Naïla Chikhi weiter: "Wir erleben das immer wieder, es schüchtert mich nicht mehr ein. Um eine Meinungsbildung zu verhindern, bedienen sich diese extremen Gruppen der Methode der Diffamierung und des Diskussionsverbotes."

Sie berichtet außerdem in der Welt, dass sie den Raum verließ und mit den Protestierenden reden wollte. "Draußen fragte ich zwei der Männer aus der Gruppe der Störer, weshalb sie das tun. Ihr Vorwurf: Das Podium sei einseitig besetzt, da keine muslimische Frau eingeladen wurde. Ich erinnerte sie daran, dass ich Muslimin bin und fragte sie, ob ich ihnen nicht muslimisch genug sei, nur weil ich ihre Meinung nicht vertrete."

Sie erklärte den Männern, dass ihrer Auffassung nach mit einem solchen Verhalten nur die Vorurteile der AfD und der Rechtsextremen über muslimisch geprägte Migranten bestätigt werden. Muslimische Frauen, die das Kopftuch ablegen würden, blieben trotzdem weiterhin Musliminnen. Jegliche andere Auffassung spiele den Rechten in die Hände. Chikhi sagte den Männern, "dass sie zwar gegen rechte Hetze protestieren, aber diese selbst betreiben […]. Ich lud sie ein, mich in den Saal zu begleiten, um die Diskussion fortzuführen. Sie lehnten das Angebot ab."

Es komme für sie nicht infrage – so Chikhi abschließend – "diesen reaktionären Kräften, Unterstützern des religiösen Patriarchats, Gegnern der Demokratie und des Säkularismus das letzte Wort zu überlassen. […] Viele, die hier in unserem säkularen und demokratischen Staat geboren wurden und aufgewachsen sind, scheinen zu ignorieren, was es tatsächlich bedeutet, unter einem totalitären, reaktionären System zu leben."


Ergänzung am 27. Januar 2020: 

Beispielbild

Naila Chikhi stellt im Nachwort des neu erschienenen Buch "Eine zornige Frau" von Wassyla Tamzali die aktuelle Situation in Deutschland dar.

Sie schildert ihre Befremdung darüber, dass heute ausgerechnet die Linke ihre einst gegen Theokratie und Feudalismus erkämpfte Freiheit und ihre Werte für gescheitert und nichtig erklärt.

Sie fordert die Politik auf, die Trennung von Staat und Religion zu schützen.

Wassyla Tamzali, Eine zornige Frau - Brief aus Algier an die in Europa lebenden Gleichgültigen, Aus dem Französischen übersetzt von Lou Marin, Mit einem Nachwort von Naïla Chikhi 175 Seiten, Klappenbroschur, ISBN 978-3-86569-308-2, 15,00 Euro

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