Proteste gegen die Maskenpflicht in Florida

"Auch mit Mundschutz könnt ihr Gott nicht entkommen!"

Die Corona-Pandemie hat die USA fest im Griff und der Staat Florida gehört zu den Hotspots. 169.098 Fälle insgesamt und 3.616 Todesopfer zählt die Statistik am 3. Juli. Um die Infektionswelle einzudämmen, haben die Behörden im Bezirk Palm Beach County Ende Juni die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit beschlossen. Das Votum war einstimmig, doch in der vorangegangenen öffentlichen Anhörung sahen sich die Entscheider*innen mit wütenden Protesten aus der Bevölkerung und kruden Verschwörungsmythen konfrontiert.

Die Debatte gewährt tiefe Einblicke in eine Atmosphäre, in der sich Patriotismus, religiöse Bigotterie und konservatives Denken zu einem tödlichen Cocktail vermischen. Genährt von Trumps Regierung, von unzähligen Anhänger*innen inbrünstig nachgebetet.

So decken die Redebeiträge viele Bürger*innen in ihrer Gesamtheit das ganze Spektrum republikanischer Feindbilder ab. Kommunisten, Demokraten und die angebliche sinistre Geheimregierung "deep state" – sie hätten in irgendeiner Weise Schuld und gehörten bestraft. Und hinter all dem steckt – genau! – der Teufel persönlich. Es ist bezeichnend, dass eine Rednerin Gefängnisstrafen für Bill Gates und Hillary Clinton ins Gespräch brachte, freilich ohne das Ganze näher zu erläutern. Der Microsoft-Gründer und Mäzen steht wegen seines Engagements für die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs im Zentrum diverser Verschwörungsmythen, während Hillary Clinton nach der Fake-News-Kampagne "Pizzagate" 2016 in der Corona-Krise erneut mit frei erdachten Pädophilie-Vorwürfen konfrontiert wird. Übrigens auch in Deutschland.

Auch anderes, was bei der Anhörung ins Mikro gekeift wurde, ist aus der hiesigen Szene bekannt. So behauptete eine Rednerin, der Mundschutz verhindere die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn und blockiere "Gottes wunderbaren Atemapparat". Wie Ärzt*innen und Pflegepersonal den täglichen Dienst mit Maske jahrelang unbeschadet überstehen, bleibt dann wohl Gottes wunderbares Geheimnis ...

Weitere Redner*innen leugneten kurzerhand, dass ein Mund-Nasen-Schutz die Verbreitung von Covid-19 eindämmen könne. Den Behörden warfen sie vor, "Gott zu spielen", verfassungswidrig zu handeln und durch die Maßnahmen Freiheit und Leben der Bevölkerung zu gefährden. Einen umfassenden Überblick über solche Storys liefert das A – Z der Corona-Mythen der GWUP.

Es ist nur ein kleiner Schritt von der argumentfreien Verbalaggression zur Gewaltandrohung. Gottes Strafe sei den Abgeordneten jedenfalls gewiss, prophezeite eine Teilnehmerin. Eine weitere drohte den Verantwortlichen mit Haft, wenn sie gegen die "Wahlfreiheit" und pro Maskenpflicht votieren würden. Erste Verhaftungen seien bereits erfolgt. Tatsächlich haben Bürger*innen in den USA relativ große Freiheiten, selbsttätig Festnahmen vorzunehmen, dennoch gehört die beschworene Verhaftungswelle wohl ins Reich der Mythen.

Seit Aufhebung des Corona-Lockdowns am 11. Mai verzeichnen die Gesundheitsbehörden in Florida einen steilen Anstieg der Infektionen mit Covid-19. Einen prominenten früheren Maskengegner, den Vizebürgermeister Robert Weinroth, hat diese dramatische Entwicklung nach eigenen Worten zum Umdenken bewegt. Selbst Donald Trump bekundet neuerdings eine Vorliebe für den Mund-Nasen-Schutz – auch wenn er das gern als Reminiszenz an alte Western-Erzählungen ausgibt.

Wie sehr sich die Lage noch verschärfen muss, bis die Maßnahmen in Palm Beach County und anderswo allgemein Akzeptanz finden, bleibt abzuwarten. Neben der Maskenpflicht haben sich die Behörden vielerorts auf weitere Einschränkungen verständigt. So wurden etwa die legendären Strände von Miami, Fort Lauderdale und Palm Beach geschlossen, Parks und Schwimmbäder machen um 20 Uhr dicht, in manchen Gegenden empfangen Bars keine Besucher oder schenken nur alkoholfreie Drinks aus. Im "Sunshine State" Florida nutzen traditionell viele Menschen die Tage rund um den Nationalfeiertag 4. Juli zum Feiern.

Hinweis: Nach entsprechenden Hinweisen durch Leser wurde eine missverständliche Formulierung im Artikel korrigiert.

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