„Die Diskussion wird kommen“

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Jörg Steinert / Fotos: jmd berlin

BERLIN. (hpd) Jörg Steinert, LSVD-Geschäftsführer in Berlin, ist mit der Entwicklung des vom Verband initiierten Protestbündnisses „Der Papst kommt“ zufrieden. Insgesamt unterstützen schon 40 Organisationen den größer werdenden Zusammenschluss von Menschen, welche die Politik von Benedikt XVI. inakzeptabel finden und deshalb Stellung beziehen.

Über Berichte zu kritischen Stellungnahmen aus der SPD-Bundestagsfraktion freut sich Steinert. Die ablehnenden Reaktionen und „absurden Gegenfragen“ des Publizisten Henryk M. Broder findet er hingegen „sehr merkwürdig“.

Drei weitere Organisationen haben sich dem Berliner Protestbündnis zum Papstbesuch in der letzten Juni-Woche angeschlossen, darunter der Verein Wirtschaftsweiber, ein Netzwerk von lesbischen Managerinnen, und die Jusos Berlin.
 „Obwohl ja vielfältige Gruppen mit unterschiedlichen Themen dabei sind, haben wir beim Thema des Protest-Bündnisses trotzdem einen Konsens gefunden“, so Steinert. Bei den drei vergangenen Netzwerktreffen war ein breites Spektrum von Haltungen anzutreffen. Von Gläubigen bis zu kämpferischen Atheisten reicht mittlerweile die Bandbreite der engagierten Menschen, die sich wegen Benedikts XVI. Politik verbündet haben.

Jörg Steinert stellt trotzdem nochmal klar, dass sich der LSVD im Protestbündnis nicht pauschal gegen Kirche oder religiöse Gemeinschaften positionieren will. „Wir sind nicht gegen den Papst oder seine Kirche, sondern nehmen den Besuch in Berlin zum Anlass, um wichtige Debatten anzustoßen und auf echte Probleme aufmerksam zu machen.“

Zwar haben bisher Verbände von homosexuellen Menschen das Protestbündnis maßgeblich vorangetrieben. Die Palette der diskutierten Inhalte wird trotzdem größer. „Schön ist, dass sich die Themensetzung nicht mehr nur auf die kirchliche Unfähigkeit im Umgang Homosexualität beschränkt.“ Allgemeine Geschlechtergerechtigkeit, das gesamte Spektrum der Sexualpolitik und auch die Verunglimpfung demokratischer und zivilgesellschaftlicher Prozesse durch Kirchenvertreter und -oberhaupt als „Diktatur des Relativismus“ oder „Herrschaft des Bösen“ werden zunehmend intensiver diskutiert, hat Steinert beobachtet.

Die Reaktionen auf die bisherige Kampagne waren bis auf wenige Ausnahmen durchweg positiv, meint er. Nur vereinzelt habe es kritische Zuschriften zugegeben. Überhaupt keine Reaktionen waren derweil vom Erzbistum in Berlin zu vernehmen. Steinert: „Ignorieren, ignorieren, ignorieren – das scheint die Strategie zu sein. Doch gerade in einer Stadt wie Berlin sollte man Dialogfähigkeit zeigen können.“ Und obwohl Einzelpersonen aus kirchlichen und religiösen Kreisen das Bündnis unterstützen, blieb die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V. bisher die einzige konfessionelle Organisation, die den Protest mittragen will.

Ein erster Probelauf LSVD-eigener Aktionen während des jüngsten Christopher Street Day in Berlin stieß jedenfalls auf große Begeisterung unter den rund 700.000 Besuchern. Jeweils zwei alternative Päpstinnen und Päpste präsentierten sich dabei auf einem gegen Attentate gänzlich ungeschützten „Papa-Mobil“ und erteilten dem fröhlichen Fest ihren Segen. „Das gab ganz tolles Feedback.“ Neben dem Zuspruch für die witzige Aktion fanden sich trotzdem einige Beschwerdeführer ein. „Ein paar Gäste hatten die Aktion offenbar missverstanden und kritisierten, dass sich die Kirche nun auch noch beim CSD einmischt“, lacht Steinert. Andere wiederum hätten sich begeistert mit den jungen Papst-Paaren fotografieren lassen und dabei verraten, im Alltag beruflich in Diensten von kirchlichen Unternehmen zu stehen.