KINDBERG/Stmk. (hpd) Eine kleine Truppe österreichischer und deutscher Atheisten hat am Wochenende dem Waldbesitzer Sepp Rothwangl einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Der Waldbesitzer hatte weltweite Aufmerksamkeit erregt, als er auf seinem Waldstück auf einem Pilgerweg nach Mariazell Priestern mit unbegleiteten Kindern den Zutritt verboten hatte.
Eine Reportage von der „Pilgerfahrt in den Schilderwald“.
Sepp Rothwangl kennt man in der Gegend. „Ja, das mit dem Wald hab ich gesehen“, sagt die Kellnerin einer Konditorei am Hauptplatz des obersteirischen Mürzzuschlag. Die Bezirkshauptstadt liegt wenige Kilometer entfernt von Rothwangls Waldstücks. „Als ich im Fernsehen das Taferl mit dem Pfarrer gesehen habe, der den Kindern nachläuft, hab ich lachen müssen“. Für die Anliegen der Teilnehmer der atheistischen Pilgerfahrt scheint sie Sympathie zu haben. Mit ihren T-Shirts machen sie Werbung für das laufende Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien.
Als sie ihr einen Flyer mit näheren Informationen geben, reagiert sie ausnehmend freundlich, der Bezug zu Sepp Rothwangl ist auch schnell da. Dass die Flyer auch an den Nachbartischen verteilt werden, scheint sie nicht zu stören. Die meisten Gäste auch nicht. Einzig ein älterer Mann bringt die Karte zurück. Josef Hartmann, der 1995 den „Fall Groer“ bekannt gemacht und mit ihm für einen der größten Skandale der österreichischen Kirchengeschichte gesorgt hatte, diskutiert einige Minuten mit ihm. Erfolglos. Der Obersteirer will den Flyer nicht annehmen. „Irgendwer muss ja die Botschaft verkündigen“, meint er für alle hörbar als sozusagen letztes Wort. „Der hat Angst vor einer Islamisierung“, sagt Hartmann resignierend. „Die Leute sind wirklich verhetzt.“
„Wollt’s einen Schnaps?“
Vor Sepp Rothwangls Waldhütte haben sich gut zwei Dutzend Menschen versammelt. Gerhard Engelmayer, Pressesprecher des Freidenkerbunds, ist aus Wien angereist, ebenso Niko Alm, Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien. Gut eineinhalb Stunden sind das mit dem Auto. Karl Linek von gottlos.at und Angie Kreilinger, Vertreterin der Plattform Opfersolidarität, haben die etwas längere Anreise mit dem Zug aus der Bundeshauptstadt hinter sich. Physiker und Kabarettist Heinz Oberhummer kommt aus dem zentralen Niederösterreich, auch aus Tulln sind Sympathisanten angereist. Die weiteste Anreise hat der kirchenkritische Künstler und Aktivist Wolfgang Sellinger aus Eichstätt in Bayern hinter sich.
Der Solidaritätsbesuch wirkt wie ein Treffen alter Freunde. Auch wenn man sich nicht kennt, hier ist man automatisch per Du. Die herzliche Atmosphäre liegt auch an Rothwangls Gastfreundlichkeit. „Wollt’s einen Heidelbeer-Schnaps“ fragt er jeden neuankommenden Gast. In einem Schuppen hinter den Bänken stehen Brötchen mit Rothwangls Räucherforellenfilets bereit.
Die Gruppe ist groß genug, um erst nach und nach einen Überblick zu bekommen, wer wer ist. Wer nur Mitglieder atheistischer oder humanistischer Vereine erwartet hätte, irrt. Auch Freunde und Bekannte Rothwangls sind da. Peter zum Beispiel ist Forstmeister im Bezirk. Walter ist pensionierter Eisenbahner. Beide sind die Wanderführer des Tages und wahrscheinlich vor allem aus Freundschaft mit dem Gastgeber hier. Sie führen auch katholische Wanderer auf dem Weg nach Mariazell durch die manchmal unübersichtlichen Waldpfade der Gegend.
Die Steiermark ist eine der letzten Bastionen der katholischen Kirche in Österreich. 72 Prozent der Menschen im Bundesland sind nach aktueller Angabe der Diözese Graz-Seckau katholisch. Selbst im als erzkatholisch geltenden „Heiligen Land Tirol“ sind es nur knapp zwei Drittel, österreichweit sind es knapp 65 Prozent. Aus Sicht der katholischen Kirche ein historischer Tiefpunkt.
Katholiken scheuen Regen
Heute haben die Atheisten die Wanderwege für sich. Katholische Pilger sehen wir den ganzen Nachmittag nicht. „Die kommen nicht, wenn das Wetter so schlecht ist wie heute“, erklärt Walter. Immer wieder regnet es kurz herunter. Für den späteren Abend sind Gewitter prognostiziert. Zumindest ein Teil der Solidaritätsgruppe trotzt den Wettervorhersagen und macht sich zu Fuß auf den Weg. Der Rest fährt nach der ersten Fußwanderung und einem Zwischenstopp in einer Buschenschank (eine Art bäuerliche Gaststätte mit Ab-Hof-Verkauf und wenigen Wochen Öffnungszeiten im Jahr, vergleichbar mit dem Wiener Heurigen, Anm.) mit dem Auto zum Abendprogramm.
Der Empfang ist herzlich, wo die kleine Gruppe vorbeikommt. „Was mit dem Sepp passiert ist, ist eine Sauerei. Hat er wenigstens eine Entschädigung bekommen?“ fragt ein Bauer. Und erzählt, dass es seine Familie schon seit längerem nicht mehr so mit der Kirche habe. „Die Kirche, die ist heute doch obsolet geworden“, erklärt er den Anwesenden, allen Klischees widersprechend, die man über Bauern in Alpentälern findet. Vielleicht ein Zeichen, dass auch in der Steiermark die Macht der katholischen Kirche bröckelt. Vielleicht sagt das auch nur etwas über die Alltagstauglichkeit von Klischees aus. In der Hundskopfhütte der SPÖ-nahen Naturfreunde hält man sich mit kirchenkritischen Aussagen ein wenig zurück. Was daran liegen mag, dass die Hütte direkt an einem der Pilgerwege liegt. Das macht die Neutralität verständlich. Aber den Sepp, den soll man auf alle Fälle lieb grüßen lassen. Der Wandergruppe wünscht man ein schönes Abendprogramm.