Ehrfurcht – weichgespült

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Screenshot Landtags-TV / Am Rednerpult Gunhild Böth, MdL Linksfraktion

DÜSSELDORF. (hpd) Im Landtag NRW wurde in einer ersten Debatte über den Antrag der Linksfraktion hinsichtlich einer Verfassungsänderung beraten, Grundpositionen wurden dabei verdeutlicht. Dann wurde der Antrag einstimmig an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Es geht um die „Ehrfurcht vor Gott“ - in der Verfassung.

Religionspolitische Themen kurz vor Weihnachten dürfen sich immer einer größeren Aufmerksamkeit erfreuen, als in anderen Jahreszeiten. So stand am vergangenen Mittwoch die Frage nach der Einführung des bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterrichts in NRW auf der Tagesordnung, dem mehrheitlich zugestimmt wurde; die FDP enthielt sich, die Linksfraktion stimmte dagegen.

Gestern, Donnerstag, war es der Antrag auf Verfassungsänderung durch die Linksfraktion, bei dem es nur um wenige Worte ging, auf denen aber anscheinend Nordrhein-Westfalen begründet ist. Für die meisten RednerInnen haben sie anscheinend Ewigkeitschrarakter - wenn man sie denn entsprechend weich spült und allen genehm zu machen versucht.

Die Landesregierung hatte mit dem „Teilhabe- und Integrationsgesetz“ eine breite Diskussion über die Situation der Migranten ausgelöst. In diesem Zusammenhang hatte sie auch alle bestehenden Gesetze überprüft, um diskriminierende Anteile zu entfernen und durch integrationsfördernde Formulierungen zu ersetzen. In elf weiteren Gesetzen sind dadurch Änderungen notwendig geworden.

Nach Auffassung der Linksfraktion hatte sie aber versäumt, auch die Landesverfassung auf diskriminierende Formulierungen zu überprüfen. Im dritten Abschnitt enthält die Landesverfassung den Art. 7 Abs. 1 und 2 wo es heißt:

„(1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.
(2) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.“

Änderungsbedarf bestehe, so die Linksfraktion, hinsichtlich der Formulierungen „Ehrfurcht vor Gott“ und „Liebe zu Volk und Heimat“. Der Artikel 7 enthalte eine klare Ausrichtung auf eine christliche Erziehung. In einer pluralen Gesellschaft könne die Erziehung aber nicht auf einen monotheistischen Gottesbezug abgestellt werden, da der weder die religiöse Pluralität noch die negative Religionsfreiheit der Familien berücksichtige. Die Anerkennung der Glaubensüberzeugungen aller Bürgerinnen und Bürger solle durch eine Änderung zum Ausdruck gebracht werden.

Infolgedessen solle Art. 7 Abs. 1 wie folgt geändert werden:
„(1) Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.“

 

Die Formulierung „Liebe zu Volk und …“ sei unklar, denn Liebe könne der Jugend weder anerzogen werden noch den Erziehungspersonen dekretiert werden. Da Liebe ein intrinsisches Gefühl sei, das über die Empfindung der Zugehörigkeit, lebensweltliche Erfahrungen, Sozialisation und Partizipation in einer Person selbst entstehe, könne es weder für Kinder und Jugendliche noch für Erziehungspersonen dekretiert, erst recht nicht anerzogen werden.

Statt der bisherigen Formulierung solle es in Art. 7 Absatz 2 heißen:
„(2) Die Jugend soll erzogen werden im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Friedensgesinnung.“

Die schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Gunhild Böth, führte dazu weiter aus: Diese Formulierungen seien in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus einer zutiefst religiösen Grundüberzeugung formuliert worden, was aber nicht mehr in die heutige Zeit und die gesellschaftliche Entwicklung hinein passe.

Eine Verfassung, die Werte für alle Teile der Bevölkerung formulieren würde, könne nicht die Vorstellung eines monotheistischen Gottes allen überstülpen. In Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz („Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“) werde auch die negative Religionsfreiheit und auch ein Atheismus geschützt. Damit stehe die Landesverfassung im Widerspruch, denn das erstgenannte, also oberste Erziehungsziel, die „Ehrfurcht vor Gott“, verletze damit die negative Religionsfreiheit. Das Nicht-gläubig-sein müsse genauso in der Landesverfassung verankert sein, wie der religiöse Glaube.