Hoffnung auf Wandel und Willen zur Veränderung

(hpd) Barack Obama ist unter den möglichen Kandidaten um das Amt des US-Präsidenten bislang der Politiker mit dem ungewöhnlichsten

Hintergrund. Dafür spricht nicht nur seine Verkörperung der Hoffnung auf Wandel und des Willens zur Veränderung. Das Ungewöhnliche ist ihm im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben - nicht nur bezüglich seiner dunklen Hautfarbe, sondern des damit zusammenhängenden biographischen Background. Doch Obama ist eigentlich kein „richtiger" Schwarzer - weder biologisch noch sozial. Der 1961 geborene Politiker kam als Sohn eines schwarzen Kenianers und einer weißen Amerikanerin zur Welt und wuchs in den USA bei seinen amerikanischen Großeltern auf. Demnach lernte er die typischen Lebensumstände eines Schwarzen in diesem Land nicht kennen. Gleichwohl wurde Obama seit seiner Kindheit immer wieder direkt oder indirekt mit dem Rassismus konfrontiert. Darauf spielt auch der Originaltitel seines ersten Buches von 1995 an: „Dreams from My Father. A Story of Race and Inheritance".

 

Der Titel der jetzt erschienenen deutschsprachigen Übersetzung „Ein amerikanischer Traum. Die Geschichte meine Familie" blendet diese Dimension aus und vermittelt den Eindruck einer simplen Familiengeschichte. Zwar handelt es sich über weite Strecken tatsächlich um eine solche Geschichte, aber eben doch um eine ungewöhnliche Variante. Dies wird bereits bei Obamas Geburt als Kind einer „Rassenmischung" deutlich. So etwas war seinerzeit in mehr als der Hälfte aller US-Bundesstaaten noch ein Straftatbestand. Anrührend und intensiv schildert der Autor sein Verhältnis zu den weißen Großeltern: Er spürte deren innere Liebe ebenso wie ihre rassistischen Einstellungen. Durch den Einfluss der Mutter, die einsam für demokratische Werte und säkularen Humanismus gestritten habe, lernt Obama die politische Botschaft der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King kennen. Gleichzeitig lehnte er schon früh die Auffassungen der „schwarzen Nationalisten" mit ihrem Hass auf die Weißen und ihrer Beschwörung der Opferrolle der Schwarzen ab.

Ehrgeiz und Engagement, Fleiß und Hartnäckigkeit beförderten seine berufliche und politische Karriere. So etwas schien Obama nur in der Offenheit der amerikanischen Gesellschaft möglich. Nach dem Abschluss seines Jura-Studiums beschritt er nicht den Karriereweg in eine angesehene Anwaltskanzlei, sondern engagierte sich in der Stadtteilarbeit für Angehörige der ärmeren Schichten. Veränderungen sollten nach seiner Auffassung von unten nach oben wachsen. Zu gewissen Teilen erklären sich auch die Erfolge seiner späteren Wahlkandidaturen so, wurden sie doch zu großen Teilen von Aktivisten an der Basis und den Spenden von kleinen Leuten getragen. Im Rahmen seiner Stadtteilarbeit besuchte Obama auch einen Gottesdienst von Reverend Wright und sah sich von dessen Predigt unter dem Motto „Die Kühnheit der Hoffnung" stark beeindruckt. Später gab Obama nicht nur einem weiteren Buch zu politischen Erfahrungen diesen Titel, sondern machte den Inhalt dieses Slogans auch zu einer wichtigen Botschaft des Wahlkampfs.

Etwas näher geht Obama in seiner autobiographischen Familiengeschichte auch auf seine Zeit als Jugendlicher in Indonesien ein, hatte seine Mutter doch ebendort mit seinem Stiefvater gelebt. Er besuchte zwei Jahre sowohl eine islamische wie eine katholische Schule. Demnach bringt der von seinen Kritikern als politisch unerfahren hingestellte Obama beachtliche persönliche Erfahrungen mit anderen Kulturen und Religionen mit. Gleiches gilt für die unterschiedlichsten sozialen Milieus in den USA - von der Unterschicht in den Wohnbezirken der Schwarzen bis zur Upper Class der weißen Politik-Elite. Auch dies unterscheidet Obama von nahezu allen Kandidaten um das Amt des Präsidenten der USA in Vergangenheit und Gegenwart. Ein solcher biographischer Hintergrund macht auch Obamas Buch zu einer anregenden und interessanten Lektüre, welche örtlich zwischen Chicago und Indonesien, Kenia und Los Angeles hin und her springt. Obama versteht sein Buch aber auch als innere persönliche Reise auf der Suche nach einem überzeugenden Lebensinhalt.

Im Vorwort zur Neuauflage von 2004 heißt es, er habe daran gedacht, den Text um gut fünfzig Seiten zu kürzen. Dies wäre durchaus sinnvoll gewesen, denn bei manchen Schilderungen ergeht sich Obama in Details von Erfahrungen, welche weder atmosphärisch noch inhaltlich dieses Ausmaß bedurft hätten. Vielleicht wäre sogar die Streichung von 100 oder 150 der 450 Seiten ohne große Probleme möglich gewesen. Nachdem sein Buch vor vier Jahren in den USA erneut veröffentlicht wurde - zu einer Zeit, wo Obama schon ein bekannter Politiker war - recherchierten einige Journalisten und entdeckten einzelne sachliche Unstimmigkeiten. Dies könnte im Rahmen einer gegnerischen Kampagne demnächst wieder Thema sein. Hierzu hatte Obama schon in der Einleitung der Originalausgabe darauf verwiesen, dass jede autobiographische Arbeit eine selektive Erinnerung sei. Hier und da habe er einzelne Figuren aus mehreren anderen Personen zusammengesetzt, um deren Handeln nicht zum Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit zu machen.

Armin Pfahl-Traughber

 

Barack Obama, Ein amerikanischer Traum. Die Geschichte meiner Familie. Aus dem Amerikanischen von Matthias Fienbork, München 2008 (Carl Hanser-Verlag), 446 S., 24,90 €