"Ich muss mal eben austreten"

LUXEMBURG. (hpd) Kirchenaustrittswelle in Luxemburg: Vor etwa einem Jahr kamen die Luxemburger Laizisten Manuel Huss und Jerome Faber auf die Idee, eine Kirchenaustrittswelle zu initiieren. Mittlerweile bieten sie auf ihrer Website, fraiheet.lu, einen Austrittsservice an, der munter nachgefragt wird: in den vergangenen Tagen haben schon mehr als 300 Luxemburger ihren Austritt eingereicht, unter ihnen auch etliche Prominente.

Für Luxemburg seien bei einer Bevölkerungsstärke von ca. 450.000 mehr als 300 Austritte „schon sehr viel", meinte Jerome Faber, Vorstandsmitglied von Liberté de conscience (Libco) und Mitbetreiber von fraiheet.lu. Ziel des Projektes sei, es unbefristet laufen zu lassen: „Wenn man in Luxemburg etwas gegen die Kirchen macht, ist das immer ein Abenteuer, da weiß man nicht, wo das hinführt", bemerkte Huss.

Für die Betreiber der Internetseite war der Holocaust-Leugner, Bischof Williamson, nicht der Anlass, sondern allenfalls ein zusätzlicher Grund für: „Jetzt erst recht!", wie der 28jährige Huss im Gespräch betonte. Nach einem einwöchigen Testlauf im Internet über die Seite der Laizisten, sokrates.lu, war die Pressekonferenz der Betreiber am vergangenen Donnerstag sehr gut besucht. Auch die Resonanz in den Medien war überwiegend positiv: RTL brachte ein zweiminütiges Feature in den Hauptnachrichten des Tages, die französischsprachige Quotidien platzierte die Nachricht auf der Titelseite.

RTL-Interviews von Passanten, wie sie zum Kirchenaustritt stünden, zeigten, so Huss, wie stark der Einfluss der Kirchen in Luxemburg noch sei: Viele hätten Angst, aus der Kirche auszutreten, weil sie Nachteile fürchteten, andere blieben Mitglied, weil „es schon immer so war".

Gleichzeitig bekennen sich immer mehr prominente Luxemburger auch öffentlich zum Kirchenaustritt und die Zahl der kritischen Stimmen wächst. Beispielsweise Paul Hammelmann, Jurist und Direktor der Association des Compagnies d'Assurances (ACA), dem Berufsverband der Luxemburger Versicherungen, der jüngst in einer Wochenendausgabe der zweitgrößten Luxemburger Tageszeitung, dem Tageblatt, seinen Kirchenaustritt mit deutlichen Worten begründete. Hammelmanns Vater verbrachte vier Jahre in Konzentrationslagern, weil er im Zweiten Weltkrieg gegen die Besetzung des Landes durch die Nationalsozialisten opponierte. Das Verhalten des Papstes bezüglich des Holocaust-Leugners veranlasste ihn zum Austritt. Auch Guy Wagner, ein bekannter Luxemburger Autor, Marc Angel, Abgeordneter der Sozialisten in Luxemburg sowie Jay Schiltz, Chefredakteur des Radiosenders 100,7, bekennen sich als Ausgetretene, mit zum Teil heftigen Statements gegen die Kirche, die Religion und den Glauben.

Das kirchentreue Luxemburger Wort, die größte Tageszeitung des Landes, wird ebenfalls heftig attackiert: Am vergangenen Mittwoch lancierte der Anwalt und Autor Gaston Vogel im Tageblatt einen ganzseitigen Angriff auf den Chef des „Wortes", der die Entscheidung des Papstes, dem Holocaust-Leugner den Weg zurück in die Kirchengemeinschaft zu ebnen, entschuldigt hatte - der Papst habe davon nichts gewusst. In seinem Artikel geht Vogel zurück in die Geschichte des Luxemburger Wortes und weist dessen Rolle als Sympathisant und Unterstützer des Nationalsozialismus nach, das Hitler und seiner Bewegung Erfolg gegen den Bolschewismus wünschte sowie gegen Juden hetzte.

Im erzkatholischen Luxemburg passiert demnach allerlei Unkatholisches: Im vergangenen Jahr wurde eines der weltweit fortschrittlichsten Gesetze zur Legalisierung der Sterbehilfe verabschiedet. Im Vorfeld schon heftig umkämpft, führte das Gesetz in letzter Konsequenz zu einer Verfassungsänderung, in der Großherzog Henri in seinen Rechten beschnitten wurde, da er sich aus (religiös motivierten) Gewissensgründen geweigert hatte, das Sterbehilfegesetz zu unterzeichnen. Nun folgen als Reaktion auf päpstliche Entscheidungen scharfe öffentliche antiklerikale Bekenntnisse und Angriffe auf kirchentreue Zeitungen sowie eine plötzlich auftretende Häufung von Kirchenaustritten.

Wieso „Fräiheet"?, werden die Betreiber des Austrittsservices häufig gefragt. Es gehe darum, eine Entscheidung nachzuholen, die einem als Kind, welchem eine Zwangstaufe widerfuhr, verwehrt wurde, begründen Faber und Huss darauf ihr bemerkenswertes Projekt. Dass daraus eine große Welle werden möge, bleibt zu wünschen.

Fiona Lorenz

Das Projekt im Internet.