Stefan Laurin stellt fest, dass sich Geschichte wiederholt. Die Ereignisse um die eingeschlossene Stadt Kobane haben fatale Ähnlichkeiten mit der Situation Warschaus 1944.
Einer der letzten Funksprüche der Polnischen Heimatarmee, die 1944 in Warschau den Aufstand gegen die Deutschen wagten und erleben mussten, dass die Rote Armee aus dem Warschauer Stadtteil Praga - vom anderen Ufer der Weichsel aus - zu sah, wie sie von der Wehrmacht und der SS massakriert wurden:
"Mag Gott der Gerechte sein Urteil über die furchtbare Ungerechtigkeit fällen, die dem (…) Volk widerfahren ist, und möge Er alle Schuldigen strafen. Unsere Helden sind die Soldaten, deren einzige Waffe gegen Panzer, Flugzeuge und Geschütze ihre Revolver und Petroleumflaschen waren. Unsere Helden sind die Frauen, die die Verwundeten pflegten und unter Kugeln Meldedienste leisteten, die in zerbombten Kellern für Kinder und Erwachsene kochten, die den Sterbenden Linderung brachten und trösteten. Unsere Helden sind die Kinder, die in den rauchenden Ruinen unschuldsvoll spielten."
Auch in Kobane kämpfen unterlegene Kurden gegen den IS - und die Welt schaut zu. An der türkischen Grenze, in Sichtweite, stehen Panzer und Soldaten. Die aber nicht dazu dienen, den IS anzugreifen. Sondern dazu, die türkischen Kurden davon abzuhalten, den bedrängten syrischen Kurden zu helfen.
Laurin schreibt: "Der Fall der Stadt ist eine Schande für den Westen und die Türkei. Aber der Fall Kobanes wird mehr als das sein: Er wird zum Menetekel, zum Symbol für die Unfähigkeit des Westens, entschlossen militärisch gegen seine Feinde vorzugehen. Den Preis dafür werden nicht nur die Männer und Frauen zahlen, die zur Zeit in Kobane kämpfen – den Preis werden wir alle zahlen."
Die Stimme der Flüchtlinge
In der Süddeutschen kommen vier syrische Flüchtlinge zu Wort, denen die Flucht aus dem von dem IS besetzten Gebieten gelang. "Seit der IS kurz vor der kurdischen Stadt Kobane steht, sehe ich in den Augen der Menschen blanke Angst. Jeder hier weiß - wenn Kobane fällt, dann kann der IS die kurdischen Gebiete einfach überrennen."
Er warnt: "Wie Syrien in zwanzig Jahren aussehen wird? Ich denke, wenn niemand von außen eingreift, wird es sich in ein zweites Somalia verwandeln."
Unruhen in der Türkei
In der Türkei kam es in der vergangenen Nacht zu gewalttätigen Protesten der Kurden gegen die Untätigkeit der türkischen Regierung, bei denen vermutlich 14 Menschen ums Leben kamen. Dabei kam es zu Konflikten zwischen türkischen Kurden und (türkischen) Islamisten.
"Angesichts der verzweifelten Lage in Kobane gingen in Europa Tausende Menschen auf die Straßen. In einigen Städten verschafften sich kurdische Demonstranten und ihre Unterstützer Zutritt zu öffentlichen Gebäuden wie Funkhäusern oder Parlamenten. Protestaktionen gab es unter anderem in Den Haag, Brüssel, Paris, Straßburg, Basel und Wien sowie in Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover, Düsseldorf, Dortmund, Münster, Frankfurt/Main und Stuttgart."
Cem Özdemir fordert militärisches Eingreifen
Der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, sagte im Deutschlandfunk: "Die Luftschläge seien nicht ausreichend, die USA müssten ihre rote Linie überschreiten und gemeinsam mit der Türkei eine Bodenoffensive starten." Er kritisiert dabei auch die passive Haltung der Europäischen Union.
"Deutschland ist ein Land, wo die Pazifisten wahrscheinlich sich nie erträumt hätten auf den Ostermärschen, dass christdemokratische Verteidigungsminister mal die Bundeswehr demobilisieren. Insofern: Niemand kann sagen, was kann die Bundeswehr überhaupt und welche Zusagen kann sie einhalten. Sie fällt de facto aus, die UN ist blockiert, der Sicherheitsrat durch Ränkespiele um das Thema Ukraine durch Russland und China, und die Türkei ... fährt eine sehr zynische Strategie, nämlich dass sie ganz offensichtlich die PKK schwächen möchte und sich dadurch Vorteile erhofft innenpolitisch für den Friedensprozess, wobei die Frage dann gestellt werden kann, was von dem Friedensprozess noch übrig ist, und offensichtlich will sie eine Regionalmacht werden."
"Ich bin der Meinung, dass man ISIS stoppen muss, und das muss man zusammen mit den Partnern machen und muss dafür die, die in der Lage sind, ISIS zu stoppen, unterstützen, auch mit Waffen."