Das 11. Gebot

Die Angst des Bistums Münster vor Moses

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Geht Münster vor der Kirche in die Knie?
Geht Münster vor der Kirche in die Knie?

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Weg mit dem Staub!
Weg mit dem Staub!

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Haushaltsschieflage in Münster
Haushaltsschieflage in Münster

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Bistum Münster öffnet die Türen für die Subventionen
Bistum Münster öffnet die Türen für die Subventionen

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Droht dem Katholikentag der Kartenhauseffekt?
Droht dem Katholikentag der Kartenhauseffekt?

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Domplatz; die Ruhe vor dem Sturm
Domplatz; die Ruhe vor dem Sturm

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11. Gebot verhilft dem Rathaus zum Durchblick
11. Gebot verhilft dem Rathaus zum Durchblick

MÜNSTER. (hpd) Heute startet die Künstlergruppe rund um das 11. Gebot ihre dritte Aktionswoche. Dieses Mal sind sie in Münster vor Ort, wo 2018 aller Wahrscheinlichkeit nach der 101. Katholikentag stattfinden wird. Für den hpd wagen die Aktiven einen Blick zurück und geben einen Ausblick auf die kommenden Wochen.

Als die 3 Meter hohe Moses-Skulptur im Mai 2014 ihren ersten Auftritt während des 99. Katholikentages in Regensburg hatte, wurde sie noch augenzwinkernd als die “archäologische Sensation des Jahres” belächelt. Doch die katholische Kirche merkte schnell, was viele Teilnehmer des Katholikentags Moses und seinem “Schöpfer” David Farago bestätigten: Auch zahlreiche Katholiken wünschen sich die Beachtung des 11. Gebots, dass Moses auf seiner dritten Steintafel neben sich verkündet: “Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!”

Dies ist nur verständlich, immerhin finanzieren Christen über die Kirchensteuer ihre Organisation in ausreichendem Maße, um sich eine solche Feier gönnen zu können. Schießen Bund, Land und Gemeinde wie bislang üblich ca. ein Drittel der Kosten zu, so sind es nicht nur die Steuergelder von Nicht- und Andersgläubigen, die hierfür zweckentfremdet werden, sondern eben auch die der Christen.

In Zeiten sprudelnder Kirchensteuereinnahmen auf der einen und limburgischer Verschwendungssucht auf der anderen Seite, fordern daher auch zunehmend die eigenen Glaubensanhänger: Die unermesslich reiche deutsche Kirche soll ihre Feiern selbst bezahlen. Der buchstäbliche “David” (Farago) hinter dem Moses versprach daher in Regensburg: Das 11. Gebot wird in Zukunft auf jedem Kirchen- und Katholikentag verkündet werden.

Leipzig

Aus dem geplanten Schlaf bis zum kommenden (evangelischen) Kirchentag 2015 in Stuttgart wurde Moses jedoch unsanft geweckt. Im Juli meinte der evangelische Theologe und Oberbürgermeister von Leipzig, Burkhard Jung (SPD), den Antrag auf Förderung des 100. Katholikentags 2016 mit 1 Mio. Euro trotz einer immensen Schuldenlast von rund 700 Mio. EUR durchwinken zu können.

Unter der Federführung der gbs-Hochschulgruppe Jena konnten die gbs-Regionalgruppen Mittelthüringen, Stuttgart und Dresden gewonnen werden, das 11. Gebot auch in Leipzig zu verkünden.

In Zukunft soll Moses die Abgeordneten schon vor der Abstimmung über die Förderanträge an die klare Trennung von Staat und Kirche erinnern. Und tatsächlich: zunächst sah es so aus, als könnte Leipzig sich nach 1989 erneut ins öffentliche Bewusstsein einprägen, indem es die erste Stadt wäre, die dem Katholikentag einen Zuschuss verweigert. Moses hatte ein großes mediales Echo ausgelöst und eine Debatte losgetreten. Daraufhin beantragte ausgerechnet die CDU aufgrund von “Informationsdefiziten” die Vertagung der Abstimmung. Tatsächlich hoffte man wohl darauf, dass der Unmut der Bevölkerung über die Sommerpause abebben würde.

Doch die Aktiven formulierten einen zweiten öffentlichen Brief an die Abgeordneten und trugen so ihren Teil dazu bei, die Debatte am Leben zu halten. Bei der erneuten Abstimmung des Stadtrats im vergangenen September konnte sich das 11. Gebot zwar leider nicht durchsetzen, doch die Stimmen für die Millionensubvention fielen so knapp wie nie aus (der hpd berichtete über die Hintergründe).

Unmittelbar danach initiierte ein sich zu den Idealen der Aufklärung bekennender Katholik (sic!) ein Bürgerbegehren zur Aufhebung dieses Beschlusses. Die Facebookseite hat schon weit über 1.000 Fans und da weniger als 5 Prozent der Leipziger dem katholischen Glauben angehören, hat das Bürgerbegehren gute Erfolgsaussichten. Bis zum 16. Dezember müssen nun rund 25.000 Unterschriften gesammelt werden, um einen Bürgerentscheid herbeiführen zu können. Die Initiatoren suchen hierfür weiterhin tatkräftige und auch finanzielle Unterstützung.

Münster

Auch die Kirche ließ die Sommerpause nicht untätig verstreichen: In Leipzig war die Entscheidung für den Katholikentag 2016 noch nicht gefallen, da hatte das Bistum bei der Stadt Münster schon einen Förderantrag gestellt für den darauffolgenden Katholikentag im Jahr 2018.

Obwohl Münster mit rund 800 Mio. Euro ähnlich hoch verschuldet ist wie Leipzig (bei gleichzeitig 200.000 Einwohnern weniger im Vergleich), wurde noch einmal eine halbe Million EUR zusätzlich beantragt. Ob die Kirche sich so beeilt mit der Beantragung öffentlicher Gelder, weil sie merkt, dass der Protest zunehmend lauter wird?

Zwar machen die Katholiken in Münster anders als in Leipzig rund die Hälfte der Bevölkerung aus, dennoch wurde auch in Münster die Abstimmung im Rat wieder verschoben. Als erstes hatte sich die FDP gegen die Millionenspritze ausgesprochen – nachdem deren Kollegen im Leipziger Stadtrat zuvor eingeknickt waren und der städtischen Förderung doch zugestimmt hatten.

Auch Linke, AfD und die Fraktion Piraten/ÖDP sprechen sich schon offen gegen die Subventionierung aus und bezweifeln das Argument der sog. “Umwegrendite”, wonach also die Stadt die Fördersumme über den Umweg der Ausgaben der Katholikentagsteilnehmer wieder einnehmen würden.

Es ist schon zweifelhaft, ob die Veranstaltung für die Privatwirtschaft in jedem Fall vorteilhaft ist. Während die Gastronomie sicherlich Umsatzzuwächse genießt, müssen andere Geschäfte ein Minus von bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes wegstecken, da die Einheimischen zugunsten der Touristen das Stadtzentrum meiden. Dies kann einer Marktforschungsstudie der Hochschule Bremen über die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen des 32. evangelischen Kirchentags in Bremen entnommen werden.

Gänzlich unbelegt ist darüber hinaus, wie das Geld von den privaten Geschäften wieder im Stadtsäckel landen soll, um die beantragten 1,5 Mio. Euro Fördergelder auszugleichen. Auf ein ganzes Jahr gerechnet werden die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt durch ein solches singuläres Ereignis nur geringfügig erhöht. 

Am 10. September 2014 hatte daher der Stadtrat auf Initiative der noch unentschlossenen SPD und Grünen den Beschluss gefasst, die Frage der Subventionierung des Katholikentags 2018 einer “grundlegenden Prüfung” durch die Verwaltung zu unterziehen. In einem öffentlichen Brief präsentieren die Aktiven vom 11. Gebot die Antworten der Konfessionsfreien und Atheisten auf die 4 vom Rat verabschiedeten Fragen.

Die endgültige Abstimmung im Stadtrat wird für Dezember 2014 erwartet. Die Kunstaktion soll nun eine öffentliche Diskussion in Gang setzen. Der Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe, hatte bereits im Rahmen der Feiern zum 750-jährigen Domjubiläum kräftig die Werbetrommel für den Katholikentag (“Münster kann Katholikentag”) gerührt, obwohl er als befangen gilt: Er arbeitete als Revisor im Bistum Münster und stieg zum Leiter des Referats Controlling und Chef der Organisationsentwicklung im Bistum auf.

In Münster munkelt man, für den Fall, dass er 2015 abgewählt wird, will er sich seinen Wiedereinstieg beim Bistum “versüßen”. Der SPIEGEL berichtete genüsslich: “Als Sparkommissar hat sich Lewe während seines Kirchendienstes nicht hervorgetan. In seine Amtszeit fällt zum Beispiel die Renovierung des repräsentativen Bischofssitzes am Horsteberg – mit aufwendiger Einfassung eines roten Teppichläufers im Natursteinboden, einer Bibliothek im Keller und einer besonderen Badewanne. Die Sonderwünsche kamen vom damaligen Münsteraner Weihbischof, einem gewissen Franz-Peter Tebartz-von Elst.”

Für die Aktiven vom 11. Gebot gibt es daher auch in Münster mehr als genug zu tun, wenn sie vom 4. bis 6. November mit Moses durch die Innenstadt ziehen. Umso erfreulicher ist es, dass die von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) getragene Kunstaktion in Münster vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA) unterstützt wird.

Einen ersten Höhepunkt der Aktionswoche stellt der BürgerInnendialog dar, zu dem die SPD-Ratsfraktion der Stadt Münster heute Abend einlädt, um über die Bezuschussung des Katholikentags durch die Stadt i.H.v. 1,5 Mio. Euro zu diskutieren. Auf dem Podium der Veranstaltung wird Daniela Wakonigg sprechen (Regionalbeauftragte des IBKA für das Münsterland). Zu Gast sein wird auch der Geschäftsführer des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Dr. Stefan Vesper. Der hpd wird hierüber und über den weiteren Verlauf der Moses-Woche berichten.