Deutschland Deine Kinder (21)

"Gut gemeint – schlecht gelaufen"

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BERLIN. (hpd) Zwei Termine stehen für ehemalige Heimkinder an. Mit dem 31. Dezember 2014 läuft die Antragsfrist auf Fondsleistungen für Betroffene ab und der Verein ehemaliger Heimkinder e.V. (VeH) ruft zu einer Demonstration auf. Treffpunkt dafür ist Samstag, der 20. Dezember 2014 in Köln, 9:30 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz.

Für bisher Unentschlossene steht jetzt die Entscheidung für oder gegen eine Antragsstellung auf Leistungen an.

Der Antrag auf Fondleistungen ist persönlich in einer der 70 Anlauf- und Beratungsstellen abzugeben oder auf dem Postweg zum Beispiel mit einer einfachen Postkarte zu senden. Dabei kommt es auf das Datum des Poststempels an: der 31. Dezember 2014 ist der letztmögliche Termin.

Ist der Antrag nicht termingerecht eingegangen, sollte das ehemalige Heimkind die gedankliche Forderung als erledigt betrachten oder sich verbünden, um einen Weg zu finden, z. B. in Köln das Anliegen der Betroffenen unterstützen.

Zur Wahrung der Fristen für Leistungen aus den Fonds schreibt beispielsweise die Anlauf- und Beratungstelle Berlin auf ihrer Homepage: “Die Anmeldefrist für den Fonds Heimerziehung ehem. DDR ist am 30.09.2014 abgelaufen. Für Betroffene, die im Westen im Heim waren, gibt es noch bis zum 31.12.2014 die Möglichkeit sich anzumelden.”

Mit der Aufforderung sind die Menschen angesprochen, die zwischen 1949 – 1975 in der Bundesrepublik Deutschland von Heimerziehung betroffen und benachteiligt waren. Für diejenigen, die in der DDR Gleiches in den Heimen erlebt haben ist die Antragsfrist bereits abgelaufen. “Unter bestimmten Bedingungen” ist eine Härtefall-Regelung eingeräumt.

 

 

Der 31. Dezember 2014 gilt in allen Bundesländern und in allen Anlaufstellen als letzter Abgabetermin für die Anträge. Die Anschriften zur Kontaktaufnahme finden Sie am als Anlage zu diesem Artikel und auf der Homepage des Fonds-Heimerziehung. Dort sind für Ratsuchende Mail- und Postanschriften, Telefonnummern, und Sprechzeiten der Anlauf- und Beratungsstellen differenziert nach Bundesländern, angegeben.

Warum ist das so und wie es dazu kam - ein Rückblick.

Mit Hoffnungen auf Wiedergutmachung von Erduldung und Erlittenen, Angst, psychischen und körperlichen Schäden, schauten viele Menschen gespannt auf den “Runden Tisch Heimerziehung”, dessen Vorsitz 2008 der evangelischen Pastorin Dr. Antje Vollmer, Politikerin von Bündnis 90 / Die Grünen, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages von 1994 bis 2005, anvertraut wurde. Über zwei Jahre hinweg tagte der “Runde Tisch”. Warnende Stimmen dazu gab es von Anfang an, die Kirchen, als sogenannte “Täterorganisation” hätten sich von einem Tisch der Aufklärung zurückzuhalten. So war der Vorwurf - er verklang ungehört.

Im Dezember 2010 lag der Abschlußbericht “Runder Tisch Heimerziehung” vor, aus dem heraus der Bundestag 2011 den Fonds “Heimerziehung West” beschloss. “Ungedeckelt”, so hieß es anfänglich. Bund, Länder und Kirchen zahlten in die Fonds West ein. Die Anlauf- und Beratungsstellen wurden installiert. Kurze Zeit darauf wurden die Fonds Ost für die in DDR-Heimen Geschädigten eingerichtet. Das Wort “Entschädigung” war in den zugrundeliegenden Schriftstücke nicht zu finden.

Zum 31. Dezember 2014 werden nun letztmalig Anträge von Betroffenen (West) für Leistungen aus den Fonds angenommen. Das ZDF kommentiert am 16. Dezember 2014, also 15 Tage vor Ablauf der Antrags-Frist, in der Sendung “frontal” das Ergebnis mit “Gut gemeint – schlecht gelaufen” und wies auf die auslaufende Antragsmöglichkeit hin.

10.000 Euro sehen die Fonds zur Auszahlung für Sachleistungen vor. Dafür sind Quittungen vorzulegen. Die Beratungen der Anlaufstellen gehen auf individuelle Wünsche ein, die Entscheidungen der Antragsteller sind ebenso individuell. Richtlinien sind einzuhalten. Eine geringe Rente aufzustocken ist nicht vorgesehen, eher eine sogenannte “Weltreise”, Zahnreinigungen, eine Sitzgarnitur etc.

Es gibt Stimmen von Betroffenen, die anderes fordern, beispielsweise der Verein ehemaliger Heimkinder e.V. (VeH),vertreten durch seinen Vorsitzenden Dirk Friedrichs.

Eine “Entfristung” der Fonds Heimerziehung Ost und West ist im Gespräch. Auch geht der VeH auf den sogenannten “Ost-Fond” ein, der seit dem 30. September 2014 für Neuanmeldungen geschlossen ist. Der VeH stellt grundsätzlich die Schließung der Fonds in Frage und fordert erneut, Zahlungen an die durch Heimerziehung Geschädigten müssen drastisch aufgestockt werden. Mögen die deutschen Politiker in Bund und Ländern beispielsweise nach Irland schauen.

Ebenfalls zur Seite geschaut haben die Politiker bisher bei Kindern, gleich welchen Alters, die in den Jahren 1949 - 1975 bzw. in der DDR bis 1989 in Behinderteneinrichtungen leben mussten. Diese Gruppe bildete bisher eine Ausnahme. Sie wurde außer dem Forderungskatalog der Betroffenen nicht erwähnt. Ihnen stehen bisher keine Rentenausgleichszahlung zu. “Kinder, die in die Psychiatrie gezwungen wurden, gehen ganz leer aus”, stellt der Verein ehemaliger Heimkinder e.V. fest. Diese Gruppe, so die deutlichen Worte der Vorsitzenden Vollmer vom “Runden Tisch Heimerziehung”, waren nicht Gegenstand der Untersuchung.

Ehemalige Heimkinder sind verunsichert und stellen Fragen, auf die bisher keine oder ausweichende Antworten kamen. Werden die Fonds aufgestockt und wenn ja, wann und durch wen. Ebenso blieb im Raum die Frage stehen: “Wie viele von uns müssen noch sterben, ohne dass sie die 2011 zugesicherte Leistung bekommen?”

Und deshalb sagt der Vorsitzende des Vereins ehemaliger Heimkinder e. V. für seine Mitglieder: “Wir reden immer von einer Zahl. 400.000 Ehemalige von ursprünglich 800.000 bis 1 Million Heimkindern, so wurde von Wissenschaftlern geschätzt, müssten noch leben. Wie viele nun bundesweit am Hilfsfonds WEST partizipiert haben, wissen wir noch nicht. Es gibt noch keine konkrete Zahl. Wir haben mindestens wöchentlich einen Anruf von Ehemaligen, die noch nie vom Hilfsfonds gehört haben.
Unserer Forderung nach Anzeigen in überregionalen Zeitungen und Mitteilungen in anderen Medien wurde nicht entsprochen.
Es sind also noch einige Ehemalige, die entweder nicht wissen, das es die Fonds gibt, oder sich mit solchen rechtsfreien Almosen und der folgenden Retraumatisierung  nicht auseinandersetzten können oder wollen. Bei einer Entschädigung sähe dies ganz anders aus.
Dennoch machen wir über den 31.12.2014 weiter. Der Hilfsfonds kann nur ein erster Schritt in Richtung Entschädigung sein.
In der Vergangenheit hat es Eingaben bei hohen Gerichten auch beim Internationalen Strafgerichtshof Den Haag gegeben. Wir werden alles ausschöpfen, um endlich an eine wahrhaftige und rechtliche Entschädigung zu kommen. Und wenn es noch Jahre dauern wird. Basta!”