Kommentar

Evolution in die Grundschulen!

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Grundschule

TRIER. (hpd) Der evangelikal geprägte Verein „Wort und Wissen“ kritisiert das Projekt „Evokids“, welches sich für die Lehre der Evolutionstheorie in der Grundschule einsetzt. Überzeugend ist die Kritik nicht. Im Gegenteil: Es wird deutlich, dass das Projekt eine notwendige Vorreiterrolle einnimmt.

Auch wenn sich „Wort und Wissen“ teilweise von den Absolutheitsansprüchen einiger US-amerikanischer Vertreter des Kreationismus distanziert, ist nicht zu übersehen, dass ihre Grundüberzeugungen identisch sind. Auch sie bewerben kreationistisches Lehrmaterial und verkaufen den biblischen Schöpfungsmythos als eine ebenbürtige Position neben den Erkenntnissen der Natur- und Geowissenschaften.

So verwundert es kaum, dass das Projekt „Evokids“ auf wenig Zuspruch bei „Wort und Wissen“ stößt. Das Projekt wurde von Biologiedidaktikern, Evolutionsbiologen, Philosophen und Pädagogen ins Leben gerufen und wird vom AK Evolutionsbiologie im Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin sowie von der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt. Die Initiatoren sind der Auffassung, dass die Evolutionstheorie bereits in den Grundschulen gelehrt werden sollte. Denn während die Schüler häufig schon in der ersten Klasse im Rahmen des Religionsunterrichts mit dem biblischen Schöpfungsmythos konfrontiert werden, wird die Evolutionstheorie in der Regel nicht behandelt.

In einem Kommentar auf der Website von „Wort und Wissen“ werden mehrere vermeintliche Kritikpunkte am „Evokids“-Projekt angeführt. Die kreationistischen Fehlvorstellungen im Detail zu widerlegen, wäre die Mühe nicht wert. Zum einen wird der aktuelle Kenntnisstand zur Evolution falsch dargestellt, zum anderen entzieht sich das dahinterstehende Glaubenssystem einer rationalen Kritik und sollte nicht als ernstzunehmende Position behandelt werden.

Dennoch lohnt sich ein Blick auf einige Argumente. Denn gerade hier wird deutlich, wie wichtig und lohnenswert der Einzug der Evolution in die Lehrpläne der Grundschulen wäre.

Evolution ist nicht abstrakt

So wird angeführt, dass das Thema für Grundschulkinder zu abstrakt und mit ihrer Alltagserfahrung nicht vereinbar sei. Die Auffassungsgabe von Kindern wird dabei jedoch vollkommen unterschätzt. Die Grundaspekte der Evolution sind Grundschulkindern nicht unbekannt - auch wenn sie sich damit noch nicht theoretisch beschäftigt haben. Es ist nicht schwer zu verstehen, dass beispielsweise schnellere Gazellen auf der Flucht vor einem Löwen gegenüber langsameren deutliche Vorteile haben und sich dementsprechend erfolgreicher fortpflanzen. Das Grundlagenwissen zur Evolution kann durch altersgerechte Lehrmaterialien einfach und überaus spannend vermittelt werden.

Evolution ist nicht dogmatisch

In dem Kommentar auf der Website von „Wort und Wissen“ wird behauptet, dass die Vorstellung einer „sich selbst organisierenden Welt“ wissenschaftlich in weiten Teilen nicht belegt sei. Die Kinder würden daher die Evolutionstheorie nicht als Theorie verstehen, sondern nur als „Geschichte“.

Genau dies ist aber nicht der Fall. Die Evolutionstheorie gehört wohl zu den am besten belegten wissenschaftlichen Theorien überhaupt. Im Gegensatz zum biblischen Schöpfungsmythos müssen sich die Kinder jedoch nicht mit dem Grundsatz „man muss daran glauben“ zufriedengeben, sondern können ihrer Neugier und ihrem Forschungsdrang nachkommen sowie ihr Wissen mittels praktischen Übungen und Problematisierungen kritisch überprüfen. Auch hier scheitert die kreationistische Kritik an mangelnder Sachkenntnis und fehlendem Vertrauen in die Auffassungsgabe von Kindern.

Evolution ist weder gut noch böse

Ein auf Basis eines naturalistischen Weltbildes gebildetes, ethisch vertretbares Menschenbild sei schwer vorstellbar, meint die Autorin des Kommentars. Das „Evokids“-Projekt suggeriere das Gegenteil.

Was ist davon zu halten? Aus der Natur lässt sich tatsächlich keine Ethik ableiten. Die Biologie ist rein deskriptiv, sie beschreibt wie die Welt ist und wie sich das Leben entwickelt hat, nicht wie die Welt sein sollte. Dies ist das Feld der Philosophie. Dennoch ist wissenschaftliche Aufklärung für eine gut begründete und zeitgemäße Ethik unverzichtbar.

Die Kenntnisse über die die Entwicklung des Menschen könnten sich etwa in einem respektvolleren Umgang mit unseren Mitmenschen und anderen nichtmenschlichen Tieren niederschlagen. Gerade hier ist eine seriöse Bildung vonnöten. Zwischen uns Menschen und anderen Tieren existiert kein, wie in der christlichen Theologie propagierter, unüberwindbarer Graben.

Evolution hat Kreativität hervorgebracht

Der angebliche Gegensatz von „Kreativität“ und „blinder Entwicklung“, der in dem „Wort und Wissen“ Kommentar postuliert wird, ist ein künstlicher. Die Kreativität des Menschen ist eine wichtige Eigenschaft unserer Spezies und damit eine der Grundsäulen unserer (evolutionären) Erfolgsgeschichte. Wären unsere Vorfahren nicht auf die Idee gekommen einen Faustkeil herzustellen oder das Feuer zu nutzen, hätten wir niemals eine Kultur wie die unsrige hervorbringen können.

Evolution bedeutet Entwicklung, sowohl in der Natur als auch in der Kultur. Kinder können dies sehr einfach nachvollziehen, denn Evolution findet überall statt und um diese Zusammenhänge zu verstehen ist es wichtig, möglichst früh damit konfrontiert zu werden. Genau deswegen nimmt das „Evokids“-Projekt eine wichtige Vorreiterrolle im deutschsprachigen Raum ein.