Ein Lehrbeispiel in Sachen Theologen-Rabulistik

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Auf Schäfchensuche
Auf Schäfchensuche

WEIMAR. (hpd) Hans-Werner Kubitza geht in seinem aktuellen Buch “Dogmenwahn” auf das Elend beamteter und hochdotierter Theologie-Professoren an bundesdeutschen Universitäten ein: Welche Scheinprobleme sie immer wieder erfinden, welche Scheinlösungen sie hierfür bereithalten und welch virtuoser Sprachakrobatik sie sich dabei bedienen… Für solch Agieren wurde einst der Begriff “Rabulistik” geprägt. Und theologische Rabulistik ist nicht ausgestorben, sie ist höchst lebendig. Vor allem im “gottlosen” Osten der Republik.

Hier, konkret in den Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen, feierte die Theologen-Rabulistik Anfang Februar erneut Auferstehung. Und zwar bei einer Konferenz im Landeskirchenamt Erfurt der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands (EKM) am 3. Februar 2015: “Religion – Schule – Beruf: Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt und Thüringen” stärken.

Verabschiedet und unterzeichnet wurde hier eine gemeinsame Erklärung der EKM, des Pädagogisch-Theologischen Instituts der EKM und der Evangelischen Landeskirche Anhalts sowie des Zentrums für religionspädagogische Forschung an der [staatlichen; SRK] Friedrich-Schiller-Universität zu Jena. Obwohl in der Einladung auch Statemenents “der Wirtschaft/des Handwerks” angekündigt waren, fehlen Unterschriften aus diesem für die Berufsausbildung doch wohl überaus wichtigen Bereich…

In ihrer gemeinsamen Erklärung appellieren die kirchlichen Unterzeichner an die Bildungsträger und die Politik, das Unterrichtsfach “Religion” an berufsbildenden Schulen nachhaltig zu stärken und weiter auszubauen. Der Unterricht sei in Thüringen und in Sachsen-Anhalt “noch bei weitem nicht ausreichend”. Das klingt zunächst noch ganz normal…

Doch was macht diese Erklärung zu einem Lehrbeispiel in Sachen theologischer Rabulistik?

In Punkt 1 heißt zu Recht und völlig richtig: “Um zukunftsfähig zu sein, braucht berufliche Bildung erhöhte Aufmerksamkeit.”

Wer wollte das bestreiten angesichts immer schneller erfolgender wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und Herausforderungen. Naja, mit solch einer pauschalen generellen Aussage hat man als Theologe in 21. Jahrhundert erst einmal für geneigte Aufmerksamkeit gesorgt.

Doch schon in Punkt 2 kommt “man” zur Sache. Es gäbe ja so viele Fragen zum menschlichen Leben auch unter Berufsschülern … Und um diese beantworten zu können, “muß es Religionsunterricht geben”. Wobei damit die alleinseligmachende kirchen-christliche Glaubensunterrichtung gemeint ist, und nicht etwa Antworten und Unterrichtungen durch ausgebildete Ethiker, Soziologen, Psychologen oder gar Berufspraktiker. So richtig verschwurbelt geht es dann im Punkt 3 zu; denn alles sei ja hierzulande christlich geprägt … Und das müsse auch so bleiben …

In Punkt 4 werden dann die typischen Theologen-Scheinprobleme konstruiert, wie z.B. das Sprechen des Richtspruches durch einen “Zimmermann, der nicht an Gott glaubt”… Nun, wenn man sich umschaut, so gibt es viele, viele Varianten von Richtsprüchen – und die meisten davon ohne “Gottesbezug”. Und … warum überhaupt muss ein profanes Gebäude, egal ob privat oder staatlich, christlich geweiht werden? Wenn denn der Bauherr unbedingt einen religiösen Spruch wünscht, dann kann er sich ja den dazu passenden Zimmermann aussuchen. Es wird ja im Baubetrieb wohl mehr als nur einen geben, der mit am Werke war. Ähnlich die anderen hier aufgeführten und absolut weltfremden Beispiele, sprich Scheinprobleme. Das ganze gipfelt dann in der Aussage: “Im Berufsleben sind Kompetenzen religiöser Bildung gefordert, die alleine im Religionsunterricht angebahnt werden können.” Den Beweis für eine solche Behauptung bleiben die Damen und Herren Theologen aber wie üblich schuldig; es gilt ja der Kanzelspruch’!

Diese Rabulistik gipfelt im Punkt 6: “Im Gegensatz zu den allgemeinbildenden Schulen ist an den beruflichen Schulen der Religionsunterricht nicht flächendeckend eingeführt worden. Dies widerspricht dem Grundgesetz, das in Artikel 7.3. bestimmt, dass der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen ‘ordentliches Lehrfach’ ist. (…) Dieses mangelnde Angebot ist verfassungswidrig und stellt einen bildungspolitischen Skandal dar, der umgehend behoben werden muss.”

Wow, das ist ja der Hammer. Her mit dem Verfassungsgericht! Her mit gottgebenen Zwangsgesetzen, die jeden Schüler untertänigst verpflichten, ab sofort kirchen-christliche Glaubensunterweisung mit größter Demut und Beflissenheit hin- und anzunehmen. Selbst dann, wenn das verlorene Schäfchen eigentlich arbeitsmedizinisch krankgeschrieben ist – aber “Reli” geht doch immer vor, zumal ja Beten die beste Wundermedizin ist; siehe Neues Testament …

Was die Priesterkaste, was diese Damen und Herren Theologen, bei ihrer Berufung auf das Grundgesetz aber stets wegwischen, das ist der dem Artikel 7.3. vorhergehende Artikel 7.2., der eine sehr eindeutige Sprache – ganz im Gegensatz zur verschwurbelten dieser Herrschaften – spricht: “Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.”

Punktum! Die Eltern und nur sie, wenn die Kinder selbst noch nicht religionsmündig sind. Wenn die Kinder das 14. Lebensjahr vollendet haben, können auch sie frei über ihre Teilnahme entscheiden; also mit ja oder nein. Nochmals, zu bestimmen haben hier – es sind die bürgerlichen Grundrechte – allein sie und nur sie. Nicht der Staat, nicht die Schule, nicht die Priesterkaste und auch sonst kein höh’res Wesen!

Aber die EKD-Theologen beugen vor, falls jemand doch mal ins Grundgesetz hineinschaut und selber liest, was dort im Artikel insgesamt geschrieben steht, sich also nicht auf Kanzelsprüche (“In der Bibel steht geschrieben!”) verläßt. Deshalb liefern sie im verquasten Theologen-Sprech im Punkt 7 – und dort gut versteckt – dies nach: "…Aufgrund seiner konfessionellen Prägung [aha, also nichts da mit allgemeinschlicher Ethik und Werten; SRK] ist er dabei kein verpflichtender Unterricht…"[sic !]

Interessant ist in diesem Zusammenhang, also dieser kirchlichen PR-Kampagne, eine Nachricht, die dieser Tage ebenfalls von der EKM kommt: Im vorigen Jahr seien etwa 10.000 Menschen aus dieser Kirche ausgetreten, doppelt so viele wie in den Jahren zuvor. Diese Landeskirche für Sachsen-Anhalt und Thüringen vermeldet selbst eine Mitgliederzahl von “etwa 800.000”. Was weniger als 20 Prozent der Einwohnerzahl beider Länder ausmacht. Da sind 10.000 Austritte ein wirklicher Aderlass und bringen etliche theologische Arbeitsplätze in Gefahr. Wenn also die erwachsenen Schäflein in Scharen aus der eigenen Herde weglaufen, dann muss man eben versuchen, möglichst viele herrenlose Lämmer einzufangen.