Das Missionieren gelang der Kirche schon einmal besser

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Hauptgebäude der Uni Jena
Hauptgebäude der Uni Jena

JENA. (hpd) Bei aller Kritik in der Sache müssen selbst eingefleischte Kritiker des Christentums einräumen, dass die Kirchenfunktionäre ihre Anliegen in der Regel rhetorisch geschickt präsentieren können. Das Forderungspapier der Evangelischen Kirche zum Ausbau des Religionsunterrichts an den Berufsschulen strotzt jedoch nur so vor Ungereimtheiten, so dass es sich lohnt, einen detaillierteren Blick darauf zu werfen.

Interessant ist bereits, wer denn da Anfang Februar eine "nachhaltige Stärkung" des Religionsunterrichts an beruflichen Schulen in Sachsen-Anhalt und Thüringen forderte: Erwartungsgemäß war dies die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) – ihr Interesse an der Missionierung junger Menschen liegt auf der Hand. Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung ist auch das "Pädagogisch-Theologische Institut" (PTI), dass der Aus-, Fort- und Weiterbildung dient.

Hervorgegangen ist das PTI im Jahr 2005 aus den äquivalenten Einrichtungen der Thüringer Landeskirche und der benachbarten Kirchenprovinz Sachsen. Es mag spekulativ sein, aber scheinbar genügte schon damals der Arbeitsaufwand im "atheistischen Osten" nicht, um zwei entsprechende Institutionen aufrechtzuerhalten. Angesichts der jüngsten Rekordaustrittswelle mit über 200.000 Austritten bei der Evangelischen Kirche im Jahr 2014 (davon allein 10.000 in Mitteldeutschland) erscheint der künftige Rückgang der Nachfrage nach Religionsunterricht unausweichlich. Dies bedeutet aber auch für das PTI einen Aufgabenschwund. Um diesen zu kompensieren, bietet es sich an, den Religionsunterricht gerade an den Schulen auszubauen, die nach der Grundschule die Schulform mit der zahlenmäßig größten Schülerschaft darstellen. Und dies sind – wie Punkt 1 der Erklärung wenig überraschend feststellt – die beruflichen Schulen. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass mit der Forderung an die Politik nur ein neues Aufgabenfeld erschlossen werden soll, um die eigene Daseinsberechtigung aufrechtzuerhalten.

Der dritte Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung ist das "Zentrum für religionspädagogische Forschung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena" (ZRB). Dieses ist aus der Forschungstätigkeit des Lehrstuhls für Religionspädagogik der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Michael Wermke) hervorgegangen. Trotz (oder vielmehr: gerade wegen?!) der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft wurde dieser Lehrstuhl seit 2011 ausgebaut zu einem Institut mit derzeit 19 (!) ordentlichen Mitgliedern, die aus vier Fakultäten der Friedrich-Schiller-Universität Jena stammen.

Die Arbeit des ZRB wird nicht nur von der Evangelischen Kirche, sondern auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Freistaat Thüringen gefördert. Vergleichbar mit den sog. Staatsdotationen hat das Sponsoring kirchlicher Zwecke also auch hier trotz sinkender Mitgliederzahlen sogar zugenommen. In einer Image-Broschüre des ZRB heißt es: "[Bei der Forschungsarbeit] steht die Erkenntnis im Hintergrund, dass im Kontext sozialer Wandlungen ein erhöhter Orientierungsbedarf besteht, der zur intensiven Weiterentwicklung religiöser Bildung führt – die dann wiederum ihrerseits wichtige, spezifische Beiträge zur Bewältigung der jeweiligen Wandlungsprozesse zu leisten beansprucht. […] Mit seiner Arbeit will das Zentrum zu einem besseren Verständnis religiöser Bildungsprozesse und zur Weiterentwicklung religionspädagogischer Arbeit in Familie, Gemeinde, Schule und Gesellschaft beitragen."

Dies könnte man wohl auch so formulieren: "Fällt es in modernen Zeiten schwerer, Menschen vom christlichen Glauben zu überzeugen, dann muss eben erforscht werden, wie dies besser gelingen kann. Dies stellt dann wiederum einen wichtigen, spezifischen Beitrag zur Bewältigung des Mitgliederschwundes dar." Es kann daher kaum verwundern, dass auch das ZRB einen Ausbau des Religionsunterrichts an beruflichen Schulen fordert.

Doch kommen wir zum Kern dieses Beitrags – den logischen und rhetorischen Schwachpunkten des Forderungspapiers. In dessen Punkt 1 heißt es zu Recht "Um zukunftsfähig zu sein, braucht berufliche Bildung erhöhte Aufmerksamkeit." Wer es damit ernst meint, sollte seine Aufmerksamkeit zunächst darauf richten, was Bildungsgewerkschaft und Arbeitgeber zu sagen haben – und vor diesem Hintergrund mutet die Forderung nach mehr Religion an den Schulen schlicht bizarr an: Während Unternehmer in der DIHK-Ausbildungsumfrage 2014 über mangelnde Deutsch- und Mathematik-Kenntnisse der Berufsschüler sowie Unterrichtsausfall und Fachlehrermangel klagen, wollen sich Kirche und Religionspädagogen mit öffentlichen Geldern ihre Existenz sichern. Mehr Religion fordern hingegen weder die GEW Thüringen noch die DIHK.

Nach Punkt 2 stellten sich auch Berufsschüler die sog. letzten Fragen (Woher komme ich? etc.) und daher müsse es Religionsunterricht geben. Kurioser Weise spricht die Erklärung selbst aber davon, dass die Schüler ein Recht hätten, vorhandene Antwortperspektiven (Plural!) kennenzulernen. Das Ziel des Religionsunterrichts ist es aber stets, wie es schon Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht formulierten, den eigenen Glauben zu vertiefen, sprich: nur die eigene Perspektive zu bestärken, anstatt auch andere Antwortmöglichkeiten gelehrt zu bekommen.

Natürlich würden auch andere Religionen im Unterricht besprochen, wird jetzt so mancher Religionslehrer entgegnen wollen. Aber um noch einmal das Bundesverwaltungsgericht mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 zu zitieren: "Es sind [nur!] die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft als bestehende Wahrheit zu vermitteln. Der Religionsunterricht ist in konfessioneller Positivität und Gebundenheit zu erteilen. Er zielt nicht [!] auf eine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung religiöser Lehren, ist nicht bloße Morallehre, Sittenunterricht, historisierende und relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte." Hierzu passt es nur, dass in den eigenen "Leitlinien zum Evangelischen Religionsunterricht in der EKM"(Stand: 25.05.2012) ausdrücklich betont wird, "Religion sei nicht mit Moral oder Philosophie gleichzusetzen." Dem entsprechend findet sich in den Leitlinien auch kein einziger Hinweis darauf, dass andere Erklärungsmodelle für die Fragen des Lebens vorzustellen wären – und dies obwohl explizit festgestellt wird, dass sich "Schülerinnen und Schüler verschiedener religiöser oder weltanschaulicher Herkunft" am Evangelischen Religionsunterricht beteiligen. Stattdessen heißt es, dass "Grundfragen des Lebens aus evangelischer Perspektive" und "Lebensformen aus der Perspektive des christlichen Glaubens" zu erörtern seien. Die in der gemeinsamen Erklärung geforderten "Antwortperspektiven" (im Plural) kann der Religionsunterricht also gar nicht bieten.