"Von Pferden und Menschen" - Kino aus Island

Blut im Auge

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BERLIN. (hpd) Eine Geschichte "Von Pferden und Menschen" aus der Sicht der Pferde erzählen wollte der isländische Regisseur Benedikt Erlingsson mit seinem ersten großen Film, der jetzt in den deutschen Lichtspielhäusern startete. Das ist nicht ganz wörtlich zu nehmen. Aber in den Pferdeaugen spiegeln sich Schlüsselmomente und Corpora Delicti einer Saga voller elementarer Leidenschaften.

Man muss bis auf Luis Buñuel zurückgehen, um Szenen zu finden, bei denen die Nahaufnahme eines Auges beim Betrachter so viel Ambivalenz erzeugt. Bei Erlingsson begegnet der Mensch sich in ihm vor allem selber. Was in dem Tier vorgeht – wir bewundern die Eleganz seiner Bewegungen und werden wohl nie die Demut seines Gehorsams verstehen – bleibt uns freilich im Grunde unerreichbar fern. Wie wohl die Beweggründe der Menschen den Tieren. Obwohl doch ähnliche Triebe in beiden walten. Die Lust, der Stolz, die Rivalität.

Es geht um Liebe, und Tote gibt es in dem Streifen auch. Zwei tote Männer und zwei tote Pferde. Der Film erzählt voller Aberwitz.

Ein Mann schwimmt auf dem Rücken seines Pferdes aufs Meer hinaus, um der Besatzung eines russischen Fischfangtrawlers Wodka abzukaufen. Hier entstehen die absurdesten Bilder des Films. Das triefende falbe Pferd wird auf einer schwankenden Stahlplattform entlang der türkisfarbenen glatten Bootswand hochgezogen. Ein zentralasiatischer Seemann, wohl voller Heimweh nach den Herden seiner Heimat, liebkost es liebevoll zwischen Himmel und Meer. - Eine in jedem Sinne bodenlose Situation. Wieder an Land kommen Rösslein und Reiter noch, aber der hochprozentige Alkohol rafft den Insulaner noch auf dem Heimritt dahin.

Ein Mann will den Stacheldraht seines Nachbarn, der sich Staatsland angeeignet hat, zerschneiden. Der Stacheldraht sticht ihm ein Auge aus. Der erschrockene Nachbar verliert angesichts des blutüberströmten Zombies, den sein Pferd sicher nach Hause bringt, freilich die Kontrolle über seinen Traktor und stürzt die Klippen hinab ins Meer.

Zurück bleiben zwei Witwen. Die konkurrieren bald mit einer alleinstehenden Mutter, Besitzerin eines schwarzen Hengstes, um einen stattlichen Mann, einst Herr über eine schneeweiße Stute, die er freilich gleich zu Beginn des Films im Zorn ermordet. Der Hengst besprang die Stute ungeachtet des Reiters vor den Augen der Angebeteten und der mit dem Fernstecher spähenden Nachbarn. Die tändelnde Stute kostete das darauf das Leben, den Hengst seine Männlichkeit. Aber Mann und Frau finden sich am Ende auf dem kalten Boden der baumlosen Tundra in einer sehr schnörkellosen Liebe.

Mittels der Pferde drücken diese Menschen sich aus. Sie sind ihr Besitz, die Menschen brauchen aber auch die Pferde. Geradezu atavistisch gerät die Szene, darin ausgerechnet ein versprengter und verlorener Tourist einen Schneesturm überlebt, indem er sein Reittier tötet und in den Bauch des Pferdes kriecht. Zusammengerollt wie ein Embryo, wird er, weinend wie ein Baby, gefunden. Das hat mythische Qualität. Odysseus hat hier einen zeitgenössischen Wiedergänger bekommen.

Davon pathetisch zu werden, bewahrt den Film aber allein schon die Tatsache, dass die Pferdchen immer ein bisschen zu klein wirken für die trutzigen Reiter. - Große Gefühle auf dem Rücken kleiner Pferdchen.

 


"Of Horses and Men", Regisseur Benedikt Erlingsson, DVD, Originalversion mit englischen Untertiteln, Axiom Films, London 2014, 83 Min. 27,95 Euro