Schulfinanzierung in NRW

Kirche gibt sich selbst Kredite und lässt den Staat die Zinsen zahlen

BERLIN. (hpd) Durch die "Transparenzoffensive" der katholischen Kirche kommt langsam ans Licht, weshalb sich die Bistümer im Hinblick auf ihre Finanzen bisher eher bedeckt gehalten haben: So nimmt die Kirche in Nordrhein-Westfalen quasi Darlehen bei sich selbst auf – und lässt den Staat die Zinsen zahlen.

Diese Praxis, die zumindest für das Erzbistum Köln und das Bistum Münster belegt ist (für die anderen Bistümer in NRW reichen die veröffentlichten Informationen nicht aus), kommt bei Schulbaumaßnahmen zum Tragen. Obwohl es am wirtschaftlichsten wäre, diese Maßnahmen durch Eigenkapital zu finanzieren (was die Bistümer bei allen anderen Investitionen auch tun), nehmen die Bistümer als Schulträger hierfür Darlehen (also Fremdkapital) auf, deren Zinsen das Land Nordrhein-Westfalen zu 94 Prozent erstattet. Die Kirche profitiert dabei gleich doppelt:

Zum einen brauchen die Bistümer in Höhe dieser Darlehen keine eigenen Mittel einzusetzen und legen die so "gesparten" Gelder als Finanzanlagen gewinnbringend an.

Zum anderen dürften diese Darlehen von kirchlichen Banken stammen, so dass die Darlehenszinsen auch noch der Kirche zufließen.

Umgekehrt stellt diese Praxis für das Land NRW die denkbar ungünstigste Variante der Schulfinanzierung dar:

Wenn die Finanzierung von Schulbaumaßnahmen schon über Darlehen erfolgen muss, so wäre es für das Land wirtschaftlicher, diese selbst aufzunehmen, weil es im Zweifel die günstigeren Finanzierungskonditionen erhält.

Darüber hinaus könnte das Land diese Mittel unter Umständen (zumindest teilweise) auch ohne Kreditaufnahme finanzieren.

Alternativ wäre es immer noch günstiger, wenn das Land den Bistümern die entgangenen (geringeren) Guthabenzinsen auf das eingesetzte Kapital erstatten würde statt den (höheren) Darlehenszinsen.

Hintergrund

Während sich für gewinnorientierte Unternehmen die Finanzierung profitabler Investitionen auf Kredit (also durch Fremdkapital) lohnen kann (solange die Investition auch nach Berücksichtigung der Kreditkosten noch profitabel ist), ist es für Non-Profit-Betriebe aus Gründen der Wirtschaftlichkeit geboten, Investitionen – solange man es sich leisten kann – durch Eigenkapital zu finanzieren, da dann keine Kosten für die Kreditaufnahme (z.B. Zinsen) entstehen.

Das Erzbistum Köln weist in seinem Finanzbericht 2013 auch selbst auf diesen Umstand hin: "Weil das Erzbistum seine Ressourcen nicht in Produktionsprozessen wertschöpfend einsetzt, um damit eigene Erträge zu generieren, ist auch eine Finanzierung des Vermögens des Erzbistums durch Schulden problematisch. Sie muss deshalb hauptsächlich durch Eigenkapital erfolgen." (S. 8)

Konsequenterweise – und weil es über mehr als genug Eigenkapital verfügt – nimmt das Erzbistum Köln demzufolge auch keine Darlehen auf – außer für Schulbaumaßnahmen: "Darlehensverbindlichkeiten bestehen in Höhe von 2,5 Mio. Euro ausschließlich für solche Schulbaumaßnahmen, für die das Land Nordrhein-Westfalen eine Refinanzierung der Zinsbelastung in Höhe von 94 Prozent zugesagt hat." (S. 23)

Auch die Haushaltsinformationen des Bistums Münster lassen erkennen, dass Darlehen dort praktisch "ausschließlich" (eine Formulierung, die sich in mehreren Vorberichten zum Bistumshaushalt findet) für Schulbaumaßnahmen aufgenommen werden. Und nicht nur das: Wenn das Land nach zehn Jahren nicht mehr weiter die Zinsen (zu 94 Prozent) übernimmt, werden diese Darlehen regelmäßig sofort komplett zurückgezahlt.

Das bedeutet, dass diese Darlehen letztlich gar nicht zum Zweck der Schulbaumaßnahmen aufgenommen werden, sondern einzig zum Zweck der kirchlichen "Finanzoptimierung" – und das, obwohl das Erzbistum Köln sich in seinem Finanzbericht mehrfach vom Ziel der "Gewinnmaximierung" distanziert (S. 27 und 28). Obwohl sich die Kirche gerne "gemeinnützig" gibt, ist diese Praxis eher "gemeinschädlich", da das Land völlig unnötig mit den Darlehenszinsen belastet wird.

Die Aufnahme dieser Darlehen dient nämlich nur dazu, dass die Bistümer Gelder in Höhe dieser Darlehen (die in beiden Bistümern Millionenbeträge ausmachen) gerade nicht für Schulbaumaßnahmen ausgeben müssen, sondern diese Gelder stattdessen verzinslich anlegen können. Das Bistum Münster unterhält hierfür eigens eine "Schulbautilgungsrücklage", "in der zur außerplanmäßigen Darlehenstilgung nach Ablauf der Zinseinsetzbarkeit von Schulbaudarlehen entsprechende Mittel angesammelt werden" (Vorbericht zum Bistumshaushalt 2015, S. 43). Das heißt im Klartext: Diese Mittel werden für 10 Jahre als verzinsliche Finanzanlagen "geparkt" – nämlich gerade so lange, bis das Land nicht mehr für die Darlehenszinsen aufkommt.

Wenn das Bistum Münster also in seinem Haushaltsflyer erklärt, es investiere 2015 "rund 15,0 Mio. Euro in Schulbaumaßnahmen" (S. 4), dann zeigt ein Blick in den Vorbericht zum Bistumshaushalt 2015 (S. 43) dass mindestens 2,78 Mio. Euro davon gar nicht "gemeinnützig" eingesetzt werden, sondern gewinnbringend! Die 2,78 Mio. Euro stammen nämlich effektiv gar nicht vom Bistum, sondern von einer (mit Sicherheit kircheneigenen) Bank, die sich die Zinsen auf dieses Darlehen zu 94 Prozent vom Staat bezahlen lässt. Und die dadurch "gesparten" 2,78 Mio. legt das Bistum Münster derweil in seiner "Schulbautilgungsrücklage" gewinnbringend an.

Gesetzesverstoß?

Die Grundlage für diese bemerkenswerte Praxis findet sich in § 110 des Schulgesetzes NRW. Dort heißt es:

§ 110: Förderfähige Schulbaumaßnahmen
(1) Dem Träger einer genehmigten Ersatzschule werden auf Antrag die Zinsen für ein Darlehen bezuschusst, das zur Finanzierung von notwendigen Schulbaumaßnahmen aufzunehmen ist. Die Darlehenszinsen dürfen im Haushalt nur veranschlagt werden, wenn die obere Schulaufsichtsbehörde der Baumaßnahme und der Darlehensaufnahme vor Baubeginn zugestimmt hat. Tilgungsraten dürfen nicht veranschlagt werden.

Und weiter:

(5) Der bezuschussungsfähige Bauaufwand für Schulbaumaßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1 bemisst sich nach den ermittelten tatsächlich notwendigen Ausgaben.

Es erscheint fraglich, ob die Zinsen für diese Darlehen "tatsächlich notwendige Ausgaben" darstellen. Denn die Aufnahme dieser Darlehen erfolgt ja letztlich nicht, um die Schulbaumaßnahmen zu finanzieren, sondern nur deshalb, damit die Bistümer weniger eigene Mittel einsetzen und diese stattdessen gewinnbringend anlegen können.

Argument der "Opportunitätskosten"

Zugunsten dieser Praxis ließe sich vielleicht noch argumentieren, dass die Bistümer andernfalls durch die Investitionen für Schulbaumaßnahmen weniger Geld für Finanzanlagen zur Verfügung hätten, und dass das Land ihnen hiermit gewissermaßen lediglich die “entgangenen Zinsen”, die sie auf diese Gelder hätten erhalten können, erstattet. Dies ist aber nicht der Fall, da das Land ja gerade nicht die entgangenen (niedrigeren) Guthabenzinsen erstattet, sondern die (höheren) Darlehenszinsen.

Außerdem verbietet sich die Übertragung des betriebswirtschaftlichen "Opportunitätskosten"-Prinzips auf den Non-Profit-Bereich, also auf "gemeinnützige" Organisationen: Denn bei den Opportunitätskosten werden ja gerade bereits "entgangene Gewinne" als "Kosten" betrachtet – was für gewinnmaximierende Unternehmen auch Sinn macht. Wenn man aber anfängt, Non-Profit-Organisationen für ihre "entgangenen Gewinne" zu entschädigen, erhält man letztlich gewinnorientierte (also "For-Profit") Organisationen ohne unternehmerisches Risiko.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass diese Art der kirchlichen "Finanzoptimierung" ausgesprochen unsolidarisch ist: Obwohl die Kirche die Schulbaumaßnahmen – wie alle ihre eigenen Investitionen – auch ohne Kreditaufnahme finanzieren könnte, handelt sie gezielt unwirtschaftlich, indem sie hierfür Darlehen aufnimmt und für die Zinsen die – chronisch defizitäre – öffentliche Hand zur Kasse bittet.

Gemeinnützigkeit sieht anders aus.