BERLIN. (hpd) Wenn einer eine Vorstellung von der Welt hat und bemerkt, dass diese nichts mit der Realität zu tun hat, was macht er dann? Er passt seine Vorstellung an. Nicht so jedoch Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller. Der Präfekt der Römischen Glaubenskongregation möchte lieber die Lebenswirklichkeit ausblenden.
Als die Nachricht über die sozialen Netzwerke verbreitet wurde, dass Kardinal Müller "die Wahrheit" über die Lebenswirklichkeit stellen möchte, dachte ich zuerst an einen Scherz, den sich der Postillon erlaubt hat. Doch die Meldung erschien im Zentralorgan des Katholizismus und dort steht tatsächlich: "Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller hat sich dagegen ausgesprochen, die Glaubenswahrheit der Kirche an ‘irgendwelche Lebenswirklichkeiten’ anzupassen."
"Wenn man diese sogenannte Lebenswirklichkeit jetzt auf dieselbe Stufe stellen will wie Schrift und Tradition, dann ist das…" ein sehr realistisches Vorgehen - mag der durchschnittlich gebildete Mensch jetzt den Satz weiterführen wollen. Nicht so jedoch der Oberste Herr der Inquisition. Der führt den Satz fort mit den Worten "nichts anderes als die Einführung des Subjektivismus und der Beliebigkeit, die sich sentimental und selbstgefällig in fromme Worte hüllen."
Jeder Mensch auf dieser Erde (und auch die Besatzung der ISS) leben in dieser "sogenannten Lebenswirklichkeit". Die Glaubenskongregation scheint jedoch noch nicht einmal von der Aufklärung angehaucht worden zu sein. Es könne doch nicht sein, so Müller weiter, dass sich diese "sogenannte Lebenswirklichkeit" in die Geschäfte der Kirche einmischt. Staatskirchliche Nostalgien und das Feilschen um gesellschaftliche Akzeptanz braucht sich Rom nicht anzutun, denn: "die römische Kirche sei Mutter und Lehrmeisterin aller Kirchen, sie lehre und werde nicht belehrt."
Damit versucht er die Kräfte innerhalb der katholischen Kirche abzuwehren, denen Weihrauch und Myrre noch nicht völlig Augen und Ohren vor der Realität verklebt haben. Doch man muss dem Herren über die "reine Lehre" auch mit Mitleid begegnen. Denn es ist ihm nicht entgangen, dass, wenn "in der Kirche als wahr gilt, was über Meinungsmacher auf den Weg gebracht wird, die Bewusstseinsbildung betreiben, dann wäre die Kirche in ihrem Fundament erschüttert." Das Wahrnehmen der Lebenswirklichkeit hat noch jedem Dogma geschadet.
Allerdings wird auch ein Ewiggestriger wie Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller nicht verhindern können, dass die "gute alte Zeit" der Kirche vorüber ist. Die Lebenswirklichkeit überrollt ganz einfach den Jahrtausende alten Müll, den Müller weiterhin verzweifelt einen güldenen Anstrich verpassen möchte. Doch längst ist klar: es handelt sich um Katzengold.
6 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Leute wie Müller werden dringend gebraucht. Seine Statements wirken mehr als fünf religionskritische Bücher...
Olaf Baumert am Permanenter Link
Ja, besonders wenn man die DBK darum bittet diese und besonders auch internationale Aussagen von "Brüdern im Geiste" zu kommentieren und wie das mit der Realität in Deutschland zu vereinbaren sein könnte.
…
Wolfgang am Permanenter Link
Das Christentum beinhaltet die schlimmste unheilbare Krankheit: Schizophrenie. Und die wird noch gehegt und gepflegt.
Acchimo am Permanenter Link
Und wie meinen sie das genau mit der Schizophrenie? Weshalb ist das die "schlimmste unheilbare Krankheit"? Inwiefern wird sie "gehegt und gepflegt"?
Antichrist am Permanenter Link
Wer sich nicht über das Christentum empört, kennt es nicht.
Dr. Dr. Joachim Kahl, ehem. Theologe
Die Gläubigen wissen nicht, was sie glauben, und sie wollen es auch nicht wissen. Aufklärung für sie ein Fremdwort, es wird an dem imaginären Gott festgehalten, koste
es, was es wolle. Und da kommt die Schizophrenie ins Gespräch. Denn ein imaginärer
Gott wird von den Gläubigen so verarbeitet, wie er ihnen selbst am besten in den eigenen Kram passt. Der christliche Gott nur ein Phantasiegebäude, aber mit tödlichen Eigenschaften. Wenn du nicht glaubst, wirst du dran glauben, so oder so. Sie wird daher gehegt und gepflegt, die Dummheit feiert Triumphe und der Staat gibt alles dazu,
auch finanziell. Wie gesagt, wer sich nicht über das Christentum empört, kennt es nicht. (Will es nicht kennen) Amen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Sehr schöner Beitrag, lieber Jan Weber.
Und jetzt suchen sie verzweifeln nach Kühlschränken, damit kein Tauwetter einsetzt. Dabei übersehen sie, dass sich der Laden um sie herum längst im Schmelzprozess befindet - dank des aufklärerischen Frühlings.
Dabei habe ich durchaus Mitleid mit den Selbsteingefrorenen. Wie mit einem Schneemann: Mit dem Tauwetter hört er einfach auf zu existieren, wird wässrig und sickert in den Boden, wird Teil eines lebenswirklichen Kreislaufes - und ist nicht mehr der schön modellierte, karottennasige Schneemann, der mit Zylinder und Kohlemund sein starres Lächeln zeigt. Aber es kann nicht immer Winter sein. Leben, echtes Leben in der Wirklichkeit, braucht Wärme zur Veränderung...