Humanistischer Verband äußert scharfe Kritik

Ein schlechtes Gesetz

bundestag_abstimmung.jpg

im Bundestag
im Bundestag

BERLIN. (hpd) Als einen "Schlag gegen die Selbstbestimmung am Lebensende, den Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sowie die Gewissensfreiheit und Rechtssicherheit von Ärzten" hat Erwin Kress, Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), das Ergebnis der heutigen Abstimmung im Deutschen Bundestag über Gesetzentwürfe zur Suizidbeihilfe bezeichnet.

"Mit dem neuen Gesetz stehen alle Menschen in Deutschland, die im schlimmsten Fall nicht bis zum bitteren Ende ausharren wollen, schlechter da als bislang. Klug und human wäre es gewesen, die bisherige Straffreiheit beizubehalten", so Kress.

Im Anschluss an die Debatte stimmten am Freitag 360 Abgeordnete für den Entwurf der Parlamentariergruppe um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD). 233 Abgeordnete stimmten gegen den Antrag und 9 Abgeordnete des Deutschen Bundestages enthielten sich.

Damit habe sich nun eine deutliche Mehrheit im Bundestag gegen das entschieden, was die Mehrheit der Bevölkerung will: Hilfe erhalten zu können, wenn das Weiterleben nicht mehr ertragbar ist. "In den USA, Frankreich, England und Kanada geht die Entwicklung dahin, dass den Menschen ärztliche Suizidhilfe ermöglicht wird. In Deutschland hat das Parlament sich hingegen dazu entschlossen, dem Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende einen Riegel vorzuschieben", so Kress weiter.

HVD

"Katholische Moraltheologen und evangelische Sozialethiker haben sich leider durchgesetzt. In ihrem Fahrwasser sammelten sich Abgeordnete, denen man Überheblichkeit und Unfähigkeit vorwerfen muss. Überheblich meinen diese, besser zu wissen, was alte und kranke Menschen am Lebensende ertragen müssen. Unfähig sind sie, einen vermeintlich nötigen Schutz gegen den Druck zur Selbsttötung anders zu regeln als durch ein Verbot organisierter Hilfe", sagte Erwin Kress dazu.

Für die über 200 Abgeordneten, die gegen ein neues Gesetz zur Kriminalisierung von Suizidbeihilfe gestimmt haben, äußerte Erwin Kress anerkennende und lobende Worte. "Trotz des höchst bedauernswerten Ergebnisses bei der heutigen Abstimmung haben viele Mitglieder des Deutschen Bundestages gezeigt, dass sie die aufgeworfenen Themen ernsthaft ergründet und einer ideologisch, religiös und paternalistisch geprägten Politik der Entmündigung eine Absage erteilen. Ich bin für dieses starke Signal sehr dankbar", sagte Kress.

Was der Bundestag im Ergebnis beschlossen hat, sei aber auch verfassungsmäßig äußerst bedenklich. Dies gelte nicht nur für die Aufhebung des Prinzips, dass Hilfe zu straffreien Taten nicht strafbar sein kann. Auch die Gewissensfreiheit der Ärzte und das Selbstbestimmungsrecht wurden unzulässig eingeschränkt. "Wir wissen nicht, ob Karlsruhe diese Selbstherrlichkeit der Abgeordnetenmehrheit kassieren wird. Doch auf Dauer wird sich die gesellschaftliche Entwicklung hin zu mehr Eigenverantwortlichkeit auch am Lebensende nicht aufhalten lassen", betonte Kress.

Er unterstrich abschließend, dass der Humanistische Verband weiterhin Unterstützung für Bürgerinnen und Bürger sowie Ärztinnen und Ärzte biete, die sich mit entsprechenden Konfliktsituationen beschäftigen müssen. "Auch nach dieser heute durch den Deutschen Bundestag verschlechterten Gesetzgebung werden wir die Menschen mit ihren konkreten Nöten nicht allein lassen. Gerade trotz dieser grotesken Regelung von heute ist es unsere humanistische Pflicht, unsere bisherigen Angebote zur Beratung und Begleitung zu stärken. Wir werden dafür kämpfen, dass Lebensschutz und Lebenspflicht nicht länger gleichgesetzt werden", so Erwin Kress.