Ludwig Feuerbach Preis 2016 vergeben

Ein Abend für und mit Ingrid Matthäus-Maier

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Ingrid Matthäus-Maier bei der Verleihung des Feuerbachpreises 2016
Ingrid Matthäus-Maier

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Feuerbach-Preis 2016; Michael Schmidt-Salomon, Siegfried R. Krebs, Ingrid Matthäus-Maier, Gerhard Rampp (v.l.n.r.)
Feuerbach-Preis 2016

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Ludwig Feuerbach Preis 2016
Ludwig Feuerbach Preis 2016

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Gerhard Rampp, BfG Augsburg
Gerhard Rampp

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Siegfried R. Krebs
Siegfried R. Krebs

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Feuerbach-Preis 2016, Siegfried R. Krebs und Ingrid Matthäus-Maier
Feuerbach-Preis 2016

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Attila Tapolczai
Attila Tapolczai

Der Augsburger Bund für Geistesfreiheit nahm seinen 90. Jahrestag im Jahr 2001 zum Anlass, Ludwig Feuerbach zu Ehren einen Preis einzurichten. Aktuell fand die Ehrung in fünfter Folge statt und wurde Ingrid Matthäus-Maier verliehen. Akteure dieser Preisverleihung waren (in der Reihenfolge des Auftritts) Gerhard Rampp, Dr. Michael Schmidt-Salomon und Siegfried Krebs. Vokal und instrumental begleitet wurde die Preisverleihung von Attila Tapolczai, einem Gitarristen, Singer und Songwriter aus Budapest mit Bluegrass, Irish und International Folk.

Mit Begrüßungsworten in eine Veranstaltung, ein Fest, eine Klausur oder Abitursfeier einzustimmen, das ist für Gerhard Rampp, den engagierten Säkularen, verschiedenen Organisationen zugehörig, fast an der Tagesordnung. In seiner Funktion als Vorsitzender des Augsburger Bunds für Geistesfreiheit (BfG Augsburg), der sich parteipolitisch unabhängig, aber weder neutral noch unpolitisch sieht, ergreift Gerhard Rampp als erster im Rahmen dieser Preisverleihung das Wort.

Die Preisträgerin sitzt in dem mit ca. 80 Gästen gut gefüllten Saal der Ausflugsgaststätte "Zum Schützenheim" in Augsburg. Damit hatte ein Umzug von dem bisherigen Ort der Preisverleihung stattgefunden. Zuvor traf sich der BfG mit seinen Freunden zu diesem Zweck direkt in der Altstadt von Augsburg, in dem mit seiner Barockfassade bekannten und "seriösen" "Zeughaus" nahe des Doms.

Dieses dürfte als Anzeichen gewertet werden, näher aneinander zu rücken, den Raum mit Inhalten zu füllen. Das ist dieser Preisverleihung gelungen. Sachbezogenheit, Fakten und Offenheit war die Seite, die die Gäste zu Beifall, guter Stimmung und frischen Zwischenrufen führte und am Ende trotz langer Redezeiten, oder vielleicht gerade wegen deren kompetenten Ausführungen - sie nannten "Roß und Reiter" - kurzweilig und informativ blieb und mit einem Anflug von Standing Ovations endete.

In der Reihenfolge der Aktionen: Als "führender Kopf der weltlichen Humanisten in Deutschland", wurde Dr. Michael Schmidt-Salomon von Gerhard Rampp zu einem Grußwort gebeten. Im Vorspann registrierte der BfG-Vorsitzende unter den Gästen eine Vielzahl bemerkenswert guter Schachspieler und führte in das Thema ein: Ludwig Feuerbach, der philosophische Freigeist (1804 – 1877), Student an den Universitäten Heidelberg und Berlin, u. a. Schüler von Hegel, Promotion als Philosoph in Erlangen. Seine Publikation "Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" wurde verboten, "Das Wesen des Christentums" machte ihn berühmt. "Religionskritik", so Gerhard Rampp, "ist unverzichtbar, reiche aber nicht aus. 'Tue Gutes um des Menschen willen'" zitiert er den Philosophen.

2001 wurde der Feuerbach-Preis erstmals ausgelobt und Dr. Karlheinz Deschner geehrt. 2004 folgte Prof. Dr. Franz Buggle, Prof. Dr. Norbert Hoerster 2008 und 2012 Herbert Steffen. Allerdings, so sagt der Vorsitzende, sei man nicht auf einen 4-Jahres-Rythmus festgelegt, dieser könne auch flotter vonstatten gehen.

Angestrebt ist es, die noch unbearbeiteten Gedanken Feuerbachs zum diesseitigen Leben zu erforschen. Es liegen Fragmente aus handschriftlichen Blättern vor. Für seine Arbeit daran ist dem Berliner Professor Werner Schuffenhauer zu danken. Beinahe, so berichtet Rampp, wäre dieses Projekt am fehlenden Geld gescheitert, wäre nicht ("ausgerechnet der umstrittene") Rechtsanwalt Ludwig A. Minelli, mit einer Spende von 15.000 Euro eingesprungen. Eine weitere Veröffentlichung könnte der 150. Todestag von Feuerbach sein, das wäre im Jahr 2022.

Gerhard Rampp wäre nicht Gerhard Rampp, würde er seine Einführung an diesem Abend nicht mit Zahlen füllen: Er legte Quoten, Zahlen vor zur Kirchensteuer, Kirchen-Austritten, zum BfG Augsburg, der aktuell sein 1.500stes Mitglied begrüßte und seine Prognose für Bayern: In 20 Jahren, also 2036, ist auch in Bayern die Mitgliederzahl der Kirchen unter 50 % der Bevölkerung gesunken.

27 Minuten Redezeit sind vergangen. Siegfried Krebs übernimmt den Staffelstab mit der Laudatio auf Ingrid Matthäus-Maier: Die Preisträgerin zu ehren und über sie zu unserem besseren Verstehen zu sprechen, weiß Siegfried Krebs Erstaunliches, dem einen Neues, dem anderen vertiefend Bekanntes zu berichten. Er, Kulturwissenschaftler, Journalist und Mann aus dem "Osten" setzt die Preisträgerin, Juristin, Politikerin in Reflexion zur Zeitachse und – interessanterweise – blendet er sich dabei nicht aus, sondern zieht zusammen, was einst Ost- und Westdeutschland war. Auch dabei fällt das bekannte Zitat. Siegfried Krebs bezieht sich auf Feuerbach: "Willst du Gutes tun, dann tue es für den Menschen". Es schließen sich die standesamtlichen Daten sowie die der Ausbildung, die Abschlüsse und das unausweichliche Engagement der jungen Frau Matthäus-Maier hin zur "Vollblut-Politikerin" an. Sie, die "erste Weibliche in einem Amt" war es aus eigener Kompetenz und eigenem Engagement heraus. Sie, die frühere Vorsitzende der Jungdemokraten. Sie war keine Quoten-Frau.

Ihre politischen Stationen scheinen in vielen Jahren eng verknüpft mit dem Monat Oktober, in dem sie beispielsweise bei den Jungdemokraten der Freien Demokratischen Partei (FDP) den Bundesvorsitz übernahm, oder am 3. Oktober 1976, sozusagen vor 40 Jahren als MdB in den Bundestag einzog. Der Monat Oktober nimmt bei Ingrid Matthäus-Maier wiederkehrende Wichtigkeit. (Die Laudatio im vollen Text.)

Eine weitere politische Dimension fügt der Liedersänger Attila Tapolczai dazu. Der gebürtiger Ungar lebt und arbeitet als freier Musiker in Augsburg, spielt Konzerte und Straßenmusik. An dieser Stelle singt Attila "Viva La Quinta Brigada", ein Lied von Christy Moore, es geht um dem Spanischen Bürgerkrieg und die Gäste verstehen sein Anliegen.

Ingrid Matthäus-Maier, die Preisträgerin, ergreift danach das Wort: "Ich bin einfach platt. Siegfried Krebs hat Dinge ausgegraben, die mir nicht mehr so präsent waren. Der 1.10.1982 war der Tag, an dem ich den Finanzausschuss übernommen hatte und es war der Tag, an dem Helmut Schmidt gestürzt wurde." Wesentliche Anliegen streift Ingrid Matthäus-Maier in ihrer Rede: z. B. die "Freie Kirche im Freien Staat", die den Kirchen zugestandene "Selbstverwaltung ist nicht Selbstbestimmung". Die Lieder von Attila, sie wendet sich dem Musiker direkt zu, haben sie an die Konkordate denken lassen, die mit den Faschisten unter Franko, Mussolini, Stalin u. a. geschlossen worden sind aber in den betroffenen Ländern längst aufgehoben oder total zurückgefahren wurden, währenddem die Konkordate in Deutschland immer noch bestehen. Ebenso die Staatsleistungen an die Kirchen, die nach Artikel 138 Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz inkorporiert wurden, abzulösen sind. Das ist immer noch nicht geschehen und belastet den deutschen Staat und Steuerzahler mit mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr.

Die Preisträgerin macht klar, Politik läßt niemanden unberührt, Ludwig Feuerbach schon gar nicht. "Mit seinem berühmten Satz, 'Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde' rückt Feuerbach an Stelle des Jenseits das Diesseits in den Vordergrund. Das ist absolut befreiend und", so Ingrid Matthäus-Maier, "gleichzeitig absolute Blasphemie, musste es doch heißen, Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde." Die völlige Abkehr der Schöpfertheorie vom Testament und der Bibel habe eine befreiende Wirkung und Begeisterung und diese habe sie heute in diesem kleinen Saal und mit der Musik empfunden. "Wir sollten uns immer dankbar und mit Respekt an die erinnern, die vor uns solche Dinge erreicht haben wie beispielsweise Feuerbach, das sind Punkte, an denen wir uns orientieren sollten. Das gilt auch für die Politik."

Die Stimmung im Saal bleibt heiter. Ingrid Matthäus-Maier wird noch einmal sehr persönlich. Sie sei Atheistin und das heißt einfach: Ich glaube nicht an Gott. Hauptberuflich sei sie jetzt "Oma". Sie denke, die Säkularen in der SPD werden es wohl noch einmal versuchen, einen Arbeitskreis zu gründen. "Laizisten", den Namen wollte "man" wohl nicht so gerne haben. "Wer kämpft, der kann verlieren. Er kann aber auch gewinnen. Wer nicht kämpft, der hat verloren."


Attila Tapolczai hat die Preisvergabe musikalisch begleitet und sagt selbst dazu: "Vier Lieder habe ich gesungen

  1. 'The Guy from a Big Town' – 2010 von mir geschrieben, es gibt z. T. meine eigene Lebensphilosophie wieder,
  2. 'Fehér füst, fekete füst' - auch ein eigenes Lied, ungarisch, sehr kritisch gegen die Kirche und die Leute, die der Kirche blind folgen anstatt selbst zu denken,
  3. 'Viva La Quinta Brigada' - von Christy Moore, das Lied in dem es um den Spanischen Bürgerkrieg geht,
  4. 'Sorrow' - von Greg Graffin, Sänger von 'Bad Religion', der Band mit dem durchgestrichenen Kreuz und ihren religions- und gesellschaftskritischen Texten. Bad Religion ist eine meiner Lieblingsbands. Ich habe die beiden Bücher von Greg gelesen. Dann war es reiner Zufall, dass ich am Abend der Preisvergabe erfahren habe, dass auch Greg einen Preis vom IBKA, den ‚Sapio’ bekommen hat." 

Attila Tapolczai, geb. in 1981 in Budapest, beruflich freier Tontechniker und Musiker, gründete 1996 seine erste Band "Hatoságilag Tilos" (Amtlich verboten), mit der sechs Platten produziert wurden. 2005, in Augsburg angekommen, gründete Attila eine zweite "akustik Band, Attila & Friends" und die arbeitet an einem Studioalbum. Attila schreibt die meisten Lieder selber und hat dabei "immer viel gesellschaftskritische Texte."